VwGH vom 28.11.2014, 2013/01/0095
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Beschwerde des Dr. J K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer (Plenum) vom , Zl. VS11-0513F, betreffend Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Die Tiroler Rechtsanwaltskammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Abteilung 1 des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom wurde der Beschwerdeführer in einem gegen den Beschuldigten Dr. HS geführten Strafverfahren des Landesgerichtes I gemäß § 45 RAO zum Verfahrenshilfeverteidiger bestellt.
Mit Schreiben vom begehrte der Beschwerdeführer eine Sonderpauschalvergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO in der Höhe von EUR 17.918,33 für den Zeitraum 3. August bis .
Mit einem am bei der Tiroler Rechtsanwaltskammer eingelangten Schreiben begehrte er ergänzend eine (weitere) Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO für "die Ansätze , ; ; ; ; und " von insgesamt EUR 31.150,55, sodass sein Vergütungsanspruch insgesamt EUR 49.068,88 betrage.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat das Plenum des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer (belangte Behörde) wie folgt entschieden:
"1. Dem Devolutionsantrag vom , eingegangen am , wird Folge gegeben. Das Plenum des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer ist für die Entscheidung über die Anträge vom zuständig.
2. Die Anträge von RA Dr. J K vom (ein Antrag eingegangen am per Telefax und am im Original; der zweite Antrag eingegangen per Telefax am ) auf Bestimmung einer Vergütung gemäß § 16 Abs 4 RAO für seine in der Strafsache xy Landesgericht I für Dr. H S erbrachten anwaltlichen Leistungen im Kalenderjahr 2011 in Höhe von insgesamt EUR 49.068,88 wird abgewiesen."
Begründend führte die belangte Behörde - nach Darstellung des Verfahrensverlaufes und der Rechtslage des § 73 AVG - zum Devolutionsantrag (Spruchpunkt 1.) aus, nach dem festgestellten Verfahrensverlauf sei nach Einlangen der Antwort des Beschwerdeführers eine neuerliche Anfrage am an ihn ergangen. Der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom die gewünschte Aufklärung erteilt. Bis zum Einlangen des Devolutionsantrages am sei eine Entscheidung in erster Instanz nicht ergangen. Aufgrund des festgestellten zeitlichen Ablaufes sei das Plenum des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer zur Entscheidung in dieser Angelegenheit zuständig geworden. Die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides betrifft die Sonderpauschalvergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO (Spruchpunkt 2.).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Fall sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. Nr. 96/1868 idF BGBl. I Nr. 141/2009 (§ 26) bzw. BGBl. I Nr. 141/2009 (§ 28), lauteten auszugsweise:
"§. 26.
(1) Der Ausschuss besteht in Rechtsanwaltskammern, in deren Liste der Rechtsanwälte am 31. Dezember des der Wahl des Ausschusses vorangegangenen Kalenderjahrs nicht mehr als 100 Rechtsanwälte eingetragen sind, aus 5 Mitgliedern, mit 101 bis 250 Rechtsanwälten aus 10 Mitgliedern, mit 201 bis 1 000 Rechtsanwälten aus 15 Mitgliedern und mit mehr als 1 000 Rechtsanwälten aus 30 Mitgliedern. Der Präsident und die Präsidenten-Stellvertreter sind Mitglieder des Ausschusses.
...
(2) Besteht der Ausschuss aus mindestens zehn Mitgliedern, so sind die in § 28 Abs. 1 lit. b, d, f, g, h, i und m aufgezählten Aufgaben, ferner die Aufsicht über Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Beschlussfassung nach § 16 Abs. 5 sowie die Zuerkennung von Leistungen aus der Versorgungseinrichtung in Abteilungen zu erledigen. Die Abteilungen setzen sich aus zumindest drei Mitgliedern des Ausschusses zusammen; ferner sind jeweils zumindest zwei Mitglieder des Ausschusses als Ersatzmitglieder vorzusehen. Der Ausschuss hat die Abteilungen zusammenzusetzen und die Geschäfte unter die Abteilungen zu verteilen.
...
§ 28. (1) Zu dem Wirkungskreise des Ausschusses gehören:
a) ...
...
i) die Bestellung eines Rechtsanwalts nach den §§ 45 oder 45a und die Entscheidung über Ansprüche nach § 16 Abs. 4;
..."
Dem angefochtenen Bescheid liegt hinsichtlich der Entscheidung über den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers zu Grunde, dass diesem Antrag gemäß § 73 AVG Folge zu geben sei und die belangte Behörde zur inhaltlichen Entscheidung über die vom Beschwerdeführer begehrte Zuerkennung der Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO zuständig geworden sei.
Für die Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers betreffend Ansprüche nach § 16 Abs. 4 RAO war gemäß § 28 Abs. 1 lit. i iVm § 26 Abs. 2 RAO in erster Instanz die Abteilung des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer zuständig.
Gemäß Art. I Abs. 2 Z. 27 EGVG (BGBl. I Nr. 87/2008 idF BGBl. I Nr. 20/2009 und 22/2013) ist im Verfahren der Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen das AVG nicht anwendbar. Im Verfahren vor Behörden, die das AVG nicht anzuwenden haben, sind die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zu beachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/10/0062).
Die Rechtsanwaltskammern als gesetzliche berufliche Vertretungen haben das AVG in ihrem Verfahren nicht anzuwenden. Die Möglichkeit der Erhebung eines Devolutionsantrages gemäß § 73 AVG bei Säumigkeit mit der Entscheidung über einen in diesem Selbstverwaltungsbereich gestellten Antrag scheidet daher aus. Der (am ) an die belangte Behörde gestellte Devolutionsantrag des Beschwerdeführers war, da § 73 AVG im Verfahren vor den Organen der Tiroler Rechtsanwaltskammer nicht gilt, nicht zulässig. Dieser unzulässige Devolutionsantrag bewirkte keinen Übergang der Zuständigkeit in der betreffenden Angelegenheit auf die damit angerufene Behörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/06/0149; sowie den hg. Beschluss vom , Zl. 2011/01/0228). Die belangte Behörde hätte den unzulässigen Devolutionsantrag des Beschwerdeführers zurückweisen müssen.
Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie unter Zugrundelegung des § 73 AVG zu Unrecht ihre Zuständigkeit zur inhaltlichen Entscheidung über die vom Beschwerdeführer begehrte Zuerkennung der Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO angenommen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG infolge - der von Amts wegen wahrzunehmenden - Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die zusätzlich verzeichnete Umsatzsteuer in den Pauschbeträgen der genannten Verordnung enthalten ist.
Wien, am