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VwGH vom 16.07.2014, 2013/01/0063

VwGH vom 16.07.2014, 2013/01/0063

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Maga. Schweda, über die Beschwerde des Dr. M B in S, vertreten durch Dr. Friedrich Miller, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Bescheid des Präsidenten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom , Zl. 15 Bkd 7/12, betreffend Ablehnungsantrag in einer Disziplinarsache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (als Beschluss bezeichneten) Bescheid hat der Präsident der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission (OBDK) über den Ablehnungsantrag des Beschwerdeführers in der gegen ihn gerichteten Disziplinarsache dahingehend entschieden, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Befangenheit des Anwaltsrichters Dr. CK nicht vorliege.

Die belangte Behörde (Präsident der OBDK) begründete den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe den Anwaltsrichter mit der Begründung abgelehnt, dass Dr. Fritz Miller, der derzeitige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, derzeit einen Schadenersatzprozess gegen die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer führe und u.a. aus Entscheidungen, an denen dieser Anwaltsrichter beteiligt gewesen sei, Schadenersatzansprüche ableite. Deshalb habe die OBDK die gesamte "Anwaltskammer für Vorarlberg" als befangen abgelehnt. Dazu habe der abgelehnte Anwaltsrichter erklärt, sich nicht als befangen zu erachten.

Der (vollständig wiedergegebene) Ablehnungsantrag des Beschwerdeführers sei für sich unverständlich und nicht nachvollziehbar. Aus "verschiedenen Vorverfahren" könne (von der belangten Behörde) geschlossen werden, dass der Beschwerdeführer den im angefochtenen Bescheid näher dargelegten Sachverhalt anzusprechen versuche. Daraus sei aber eine Befangenheit des Anwaltsrichters nicht abzuleiten. Der Rechtsanwalt Dr. Miller sei weder Disziplinarbeschuldigter des vorliegenden Disziplinarverfahrens noch führe er den (ins Treffen geführten) Schadenersatzprozess im eigenen Namen. Damit bestehe aber nicht einmal der Anschein, dass die Mitglieder des Disziplinarrates (der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer) bei ihrer Entscheidung sich von anderen als sachlichen Überlegungen leiten lassen könnten; von Rechtsanwälten sei zu erwarten, dass sie zwischen der Prozesspartei und dem anwaltlichen Vertreter unterscheiden könnten. Ohne hinzutreten weiterer Umstände könne nicht unterstellt werden, dass Rechtsanwälte eine ihnen nicht genehme Klagsführung zum Anlass nehmen würden, dem Rechtsvertreter (der klagenden Partei) mit Voreingenommenheit gegenüber zu treten.

Mit dem Schadenersatzprozess habe der Beschwerdeführer überhaupt nichts zu tun. Auch wenn der abgelehnte Anwaltsrichter an Entscheidungen der OBDK beteiligt gewesen sei, die der Schadenersatzklage zu Grunde gelegen seien, die Dr. Miller namens eines Dritten eingebracht habe, bestehe kein Grund zur Annahme, der abgelehnte Anwaltsrichter werde sich im Disziplinarverfahren (das mit dem Schadenersatzprozess und den ihm zu Grunde liegenden Verfahren nichts zu tun habe) gegen den Beschwerdeführer von anderen als sachlichen Überlegungen leiten lassen. Umstände, aus denen dennoch im vorliegenden Fall auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit gegenüber dem Beschwerdeführer abgeleitet werden könnte, seien (vom Beschwerdeführer) nicht einmal behauptet worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, dass "nur unbefangene Mitglieder der belangten Behörde" über seine Disziplinarangelegenheit entscheiden; des Weiteren darin, dass bei Entscheidungen der belangten Behörde "bereits der Anschein der Befangenheit vermieden werden sollte" und in dem Recht, dass von der belangten Behörde im vorliegenden Fall nicht die gleiche Rechtsauffassung wie in ihrer Entscheidung vom , Zl. 15 Bkd 4/11, vertreten werde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ist im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , KI-10/96, VfSlg. 14.974, gegeben (vgl. zudem die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/06/0086; und vom , Zl. 2008/06/0230).

Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem VwGbk-ÜG handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Gemäß § 59 Abs. 1 Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, BGBl. Nr. 474/1990 idF BGBl. I Nr. 141/2009 (DSt), besteht die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten aus mindestens acht und höchstens 16 Richtern des Obersten Gerichtshofes und aus 32 Rechtsanwälten (Anwaltsrichtern).

Nach § 63 Abs. 1 DSt verhandelt und entscheidet die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission in Senaten, die aus zwei Richtern und zwei Anwaltsrichtern bestehen. Nach Abs. 2 leg. cit. führt den Vorsitz des Senats ein Richter. Ein Anwaltsrichter des Senats soll nach Möglichkeit dem Kreis derjenigen Rechtsanwälte angehören, die von der Rechtsanwaltskammer des Beschuldigten gewählt wurden.

§ 64 DSt lautet:

"§ 64. (1) Die Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission sind in Ausübung dieses Amtes an keine Weisungen gebunden. Sie haben ihr Amt unparteiisch auszuüben. Bei der mündlichen Verhandlung haben sie ihr Amtskleid zu tragen. Die Entscheidungen der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg.

(2) Auf die Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission sind die Ausschließungsgründe des § 26 anzuwenden. Ausgeschlossen ist ferner, wer an der angefochtenen Entscheidung teilgenommen oder am vorangegangenen Verfahren als Kammeranwalt, Verteidiger des Beschuldigten oder Vertreter eines sonst Beteiligten mitgewirkt hat.

(3) Die Generalprokuratur, der Kammeranwalt und der Beschuldigte sind darüber hinaus berechtigt, einzelne Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission unter Angabe bestimmter Gründe wegen Befangenheit abzulehnen.

(4) Die Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission haben sie betreffende Ausschließungs- oder Befangenheitsgründe dem Präsidenten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission unverzüglich bekanntzugeben.

(5) Über das Vorliegen von Ausschließungs- oder Befangenheitsgründen entscheidet der Präsident. Ist der Präsident selbst betroffen, so entscheidet der Vizepräsident. Trifft dies auch auf diesen zu, so entscheidet das nicht betroffene Mitglied der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission aus dem Kreis der Richter mit der längsten Amtsdauer; bei gleicher Amtsdauer ist das Lebensalter maßgeblich."

Befangenheit ist nach ständiger Rechtsprechung entweder eine tatsächliche Hemmung der unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive oder aber eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeterweise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen können. Jeder Vorwurf einer Befangenheit hat konkrete Umstände aufzuzeigen, welche die Objektivität des Entscheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2013/09/0049; vom , Zl. 2010/06/0205; und vom , Zl. 2011/16/0045, jeweils mwN).

Derartige konkrete Umstände wurden vom Beschwerdeführer in seinem Ablehnungsantrag nicht aufgezeigt. Wie bereits die belangte Behörde zutreffend ausführte, ist der mit Eingabe vom gestellte Ablehnungsantrag nicht nachvollziehbar. Dieser unschlüssige (unverständliche) Ablehnungsantrag des Beschwerdeführers musste durch Einbeziehung eines von der belangten Behörde nur "vermuteten", vom Beschwerdeführer möglicherweise gemeinten Sachverhalt nicht ergänzt werden, weil der Vorwurf der Befangenheit nur mit eindeutigen und konkreten Hinweisen, welche die Objektivität eines Entscheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist, aufgezeigt werden kann.

Dass - wie der Beschwerdeführer im Ablehnungsantrag behauptete - Dr. Fritz Miller derzeit einen Schadenersatzprozess gegen die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer führe und u.a. aus Entscheidungen, an denen der Anwaltsrichter beteiligt gewesen sei, Schadenersatzansprüche ableite, lässt bei vernünftiger Würdigung dieses dargelegten Sachverhalts keine Grundlage dafür erkennen, der abgelehnte Anwaltsrichter sei in der gegen den Beschwerdeführer gerichteten Disziplinarsache befangen. Daran vermag der erstmals in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (ergänzend) vorgebrachte Umstand, dass Dr. Friedrich Miller "in einem beruflichen Naheverhältnis zum Beschwerdeführer stehe", nichts zu ändern. Die allgemein gehaltene Behauptung betreffend dieses berufliche Naheverhältnis vermag Zweifel an der Objektivität des abgelehnten Anwaltsrichters nicht zu rechtfertigen.

Auch zu dem nicht weiter substantiierten Hinweis, der Schadenersatzprozess werde eine Unparteilichkeit des abgelehnten Anwaltsrichters bewirken, hat der Beschwerdeführer keine Umstände dargelegt, auf die sich eine solche Befürchtung stützen könnte. Seine subjektive Besorgnis ist dafür nicht ausreichend.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-77914