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VwGH vom 22.02.2008, 2005/17/0080

VwGH vom 22.02.2008, 2005/17/0080

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der N Verlagsgesellschaft mbH in Wiener Neustadt, vertreten durch die Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom , Zl. 8A/096/2005, betreffend Bruchteilsfestsetzung sowie Rückzahlung eines allfälligen Guthabens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Wiener Neustadt hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wiener Neustadt vom wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Festsetzung der Anzeigenabgabe mit dem der Anzahl der einhebungsberechtigten Gebietskörperschaften entsprechenden Bruchteil (Bruchteilsfestsetzung) der Anzeigenabgabe des Druckwerkes "Wiener Neustädter Nachrichten" für den Zeitraum Februar 1998 bis Mai 2000 abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass dem Antrag auf Rückzahlung eines Guthabens gemäß § 186 NÖ LAO nicht stattgegeben werde.

Begründend wurde ausgeführt, die beschwerdeführende Partei habe angegeben, mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom für den genannten Zeitraum ebenfalls zur Entrichtung einer Anzeigenabgabe (betreffend das Druckwerk "Wiener Neustädter Nachrichten") herangezogen worden zu sein. Dabei sei der auf die Stadt Wien entfallende Bruchteil mit EUR 236.365,80 festgesetzt worden. Durch den Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei sei mitgeteilt worden, dass gegen diesen Bescheid Berufung eingebracht worden sei. Da die Abgabenpflicht in einer anderen inländischen Gebietskörperschaft somit noch nicht rechtskräftig erwiesen sei, seien die Voraussetzungen für die Festsetzung des auf die Stadt Wiener Neustadt entfallenden Anteils (Bruchteilsfestsetzung) der Anzeigenabgabe nicht gegeben. Im Hinblick darauf, dass die Abgabenbeträge in der erklärten Höhe geleistet worden seien, ergebe sich demnach kein rückzahlbares Guthaben.

Die beschwerdeführende Partei erhob dagegen Berufung und beantragte, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Berufungsverfahren gegen die Abgabenvorschreibung durch den Magistrat der Stadt Wien auszusetzen.

Mit Bescheid vom wurde die Entscheidung über die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen die abweisende Entscheidung in Angelegenheiten der Bruchteilsfestsetzung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Abgabenverfahren vor dem Magistrat der Stadt Wien ausgesetzt.

In der Folge übermittelte die beschwerdeführende Partei dem Magistrat der Stadt Wiener Neustadt eine Ablichtung des Berufungsbescheides der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , in dessen Spruchpunkt I. die von Februar 1998 bis Mai 2000 zu entrichtende Anzeigenabgabe für die anlässlich der in den Medienwerken "Wiener Neustädter Nachrichten", "Schwarzataler Bezirksbote" und "Badener Rundschau" erfolgten Vornahme und Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte festgesetzt wurde. In Spruchpunkt II. wurde die genannte Anzeigenabgabe auf Grund des Bruchteilfestsetzungsantrages der beschwerdeführenden Partei mit der Hälfte (d. s. insgesamt EUR 236.365,80) festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass die genannten Medienwerke in dem genannten Zeitraum innerhalb von maximal einem Tag ("genau betrachtet etwa ein halber Tag") sowohl von Wien als auch von Niederösterreich aus jeweils einem größeren Personenkreis erstmalig zugänglich gemacht worden seien. Überdies seien die (von Niederösterreich aus vertriebenen) Abo- und Kolportageexemplare im Vergleich zu den von Wien aus vertriebenen Exemplaren, die etwa 80 bis 87 % ausmachten, als nicht besonders ins Gewicht fallende Verbreitungshandlungen zu werten, die für die Frage der Gleichzeitigkeit unberücksichtigt zu bleiben hätten.

Mit Spruchpunkt 1. des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt vom ab. Mit Spruchpunkt 2. wurde der Rückzahlungsantrag abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die beschwerdeführende Partei habe seit ihren Standort in Wiener Neustadt und übe dort die verwaltende Tätigkeit aus. Das Medienwerk sei erstmals von Wiener Neustadt aus verbreitet worden, "da bereits ein Tag vor der Verschleißverbreitung von Wien aus eine Teilauflage von Niederösterreich aus verbreitet worden ist. Bei einer Zeitspanne von einem Tag könne bei Wochenblättern nicht von einer nahezu gleichzeitigen Zugänglichmachung gesprochen werden." Somit ergebe der dargelegte Sachverhalt, dass jedenfalls die Stadt Wiener Neustadt als Erscheinungsort, von welchem aus die Verbreitung erstmalig erfolge bzw. in welchem der die Verbreitung besorgende Unternehmer (Verleger) seinen Standort habe oder von dem aus die verwaltende Tätigkeit des die Veröffentlichung oder Verbreitung des Druckwerkes besorgenden Unternehmers vorwiegend ausgeübt worden sei, anzunehmen sei. Sämtliche Ausgaben des in der Zeit von Februar 1998 bis Mai 2000 erschienenen Medienwerks hätten daher von Wiener Neustadt aus ihren Ausgang genommen. Allenfalls entstandene zeitliche Verschiebungen auf Grund der Verbreitung der Druckwerke stünden in keinerlei Widerspruch zur oben geäußerten Rechtsansicht. Das "Druckwerk inklusive deren infrastrukturellen Rahmenbedingungen sowie deren Versand" habe erstmalig von Wiener Neustadt und keineswegs von Wien den Ausgang genommen. Betreffend der "zahlenmäßigen Gewichtung" der Verbreitung werde seitens der Behörde angemerkt, dass einerseits die bezughabenden Gesetzesstellen auf derartige Berechnungen keinerlei Bezug nehmen und "andernfalls - allein schon auf Grund der in dem Medienwerk behandelten, regionalen Inhalte" - die Stadt Wiener Neustadt samt deren Umlandregion als Hauptabsatzmarkt angesehen werden müsse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die beschwerdeführende Partei replizierte auf diese Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 Abs. 2 des NÖ Anzeigenabgabegesetzes (in der Folge: NÖ AnzAbgG, LGBl. 3705-0) lautet:

"(2) Als Erscheinungsort gilt jene Gemeinde, von welcher aus die Verbreitung erstmalig erfolgt oder in welcher der die Verbreitung besorgende Unternehmer (Verleger) seinen Standort hat oder von der aus die verwaltende Tätigkeit des die Veröffentlichung oder Verbreitung des Druckwerkes besorgenden Unternehmers vorwiegend ausgeübt wird. Ist jedoch im Titel eines Druckwerkes oder sonst als Herausgabeort eine bestimmte Gemeinde besonders angeführt (z.B. Eggenburger Zeitung), so gilt diese Gemeinde als Erscheinungsort."

§ 5 Abs. 4 leg. cit. bestimmt:

"(4) Weist der Abgabepflichtige innerhalb der Verjährungsfrist nach, wegen der gleichen Anzeige auf Grund eines Tatbestandes, der einem der Tatbestände des § 2 entspricht, auch gegenüber anderen inländischen Gebietskörperschaften abgabepflichtig zu sein, so ist die Abgabe mit dem der Anzahl der einhebungsberechtigten Gebietskörperschaften entsprechenden Bruchteil festzusetzen. Die Abgabenbehörde hat die anderen einhebungsberechtigten Gebietskörperschaften hievon zu benachrichtigen."

§ 1 Wiener Anzeigenabgabegesetz 1983 (in der Folge: Wr AnzAbgG), LGBl. Nr. 22 idF LGBl. Nr. 29/1984, lautet:

"§ 1. (1) Anzeigen, die in die in Wien erscheinenden Medienwerke (§ 1 Abs. 1 Z. 3 des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981) gegen Entgelt aufgenommen oder mit solchen ausgesendet oder verbreitet werden, unterliegen, sofern die Verbreitung nicht ausschließlich im Ausland erfolgt, einer Abgabe nach Maßgabe der Bestimmung dieses Gesetzes.

(2) Als Erscheinungsort des Medienwerkes gilt Wien dann, wenn die Verbreitung erstmals von hier aus erfolgt oder wenn der die Verbreitung besorgende Medieninhaber (Verleger) seinen Standort in Wien hat oder wenn die verwaltende Tätigkeit des die Veröffentlichung oder Verbreitung des Medienwerkes besorgenden Medieninhabers (Verlegers) vorwiegend in Wien ausgeübt wird.

..."

Von der niederösterreichischen Gemeindeabgabenbehörde ist zu

beurteilen, ob der Abgabepflichtige in der betreffenden anderen

inländischen Gebietskörperschaft "auf Grund eines Tatbestandes,

der einem der Tatbestände des § 2 entspricht", abgabepflichtig

geworden ist. Anlässlich der Bruchteilsfestsetzung sind somit von

den Gemeindeabgabenbehörden in Niederösterreich zwei Fragen zu

prüfen,

1. die Frage nach der Entsprechung der

Abgabentatbestände und

2. jene nach der auf Grund eines entsprechenden

Abgabentatbestandes in der anderen inländischen

Gebietskörperschaft entstandenen Abgabepflicht.

Die erste Frage der Entsprechung ist stets von den niederösterreichischen Gemeindeabgabenbehörden anlässlich der Bruchteilsfestsetzung zu prüfen. Sie allein haben zu beurteilen, welche (z.B. Wiener) Tatbestände den niederösterreichischen Tatbeständen gleichartig oder zumindest so ähnlich sind, dass sie diesen "entsprechen". Eine rechtskräftige Entscheidung über die Abgabepflicht in der anderen Gebietskörperschaft (z.B. in Wien) durch die hiefür zuständige Behörde bindet in der zweiten zu beurteilenden Frage die niederösterreichische Gemeindeabgabenbehörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0028, mwN). Im Falle des Nichtvorliegens eines solchen Bescheides hätte die niederösterreichische Gemeindeabgabenbehörde diese Frage als Vorfrage zu beurteilen. Eine spätere rechtskräftige Entscheidung durch die zuständige Behörde der anderen Gebietskörperschaft würde allenfalls einen Wiederaufnahmsgrund darstellen (vgl. das ebenfalls zu einem Bescheid der belangten Behörde betreffend dasselbe Druckwerk ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0140).

Die beschwerdeführende Partei hat unstrittig ihren Standort in Wiener Neustadt und übt dort auch vorwiegend ihre verwaltende Tätigkeit aus.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Bruchteilsfestsetzung mit der Begründung versagt, dass die beschwerdeführende Partei mit dem gegenständlichen Medienwerk (einem Wochenblatt) ausschließlich in Wiener Neustadt anzeigenabgabepflichtig sei, weil nicht nur der die Verbreitung besorgende Unternehmer dort seinen Standort habe und dort seine verwaltende Tätigkeit vorwiegend ausübe, sondern auch weil die erstmalige Verbreitung des Medienwerks ausschließlich von Wiener Neustadt aus erfolgt sei. Eine Abgabepflicht gegenüber einer anderen Gebietskörperschaft könne daher nicht bestehen.

Damit verkennt aber die belangte Behörde, dass sie zunächst die Frage der Entsprechung der Tatbestände nach dem Wr AnzAbgG und dem NÖ AnzAbgG zu prüfen gehabt hätte (vgl. zu dieser Frage das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0044) und im Falle der Bejahung dieser ersten Frage zur weiteren Beurteilung der Anzeigenabgabepflicht in Wien die Bindungswirkung des Bescheides der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , mit welchem ebenfalls für die "Wiener Neustädter Nachrichten" und denselben Abgabenzeitraum die Abgabepflicht (auch) für die Bundeshauptstadt Wien ausgesprochen wurde, zu beachten gehabt hätte. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die Prüfung der Entsprechung der Tatbestände nach den genannten Anzeigenabgabegesetzen unterlassen und sich darauf beschränkt, unter Missachtung der rechtskräftigen Abgabenvorschreibung durch den Bescheid vom bereits die Möglichkeit einer Abgabenpflicht gegenüber anderen Gebietskörperschaften zu verneinen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am

Fundstelle(n):
QAAAE-77869