VwGH vom 02.03.2010, 2008/11/0113
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der F O in W, vertreten durch Dr. Hans Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. 41.550/1165-9/07, betreffend Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundessozialamtes, Landesstelle Wien, vom wurde der Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten der Beschwerdeführerin vom , nach Einholung des Sachverständigengutachten des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K vom , und - nachdem der Beschwerdeführerin Parteiengehör eingeräumt worden war - des Ergänzungsgutachtens dieses Arztes vom , gemäß § 14 Abs. 2 iVm. § 2 Abs. 1 und 3 BEinstG abgewiesen, weil der Grad ihrer Behinderung lediglich 30 v.H. betrage.
Im Gutachten vom heißt es unter anderem:
"...
Extremitäten:
OE: Gelenke altersentsprechend frei beweglich, unauffällig,
Nacken- und Schürzengriff bds. durchführbar
UE: Hüft- und Kniegelenke altersentsprechend frei beweglich, sonstige Gelenke frei beweglich, Hallux rechts, Hocke durchführbar, Einbeinstand bds. durchführbar
Neuro: grob neurologisch unauffällig
Derma: Vitiligo am Handrücken beidseits sowie an beiden Unterarmen beugeseitig, rechts etwa 15 cm langes und 2 cm breites depigmentiertes Hautareal bis zum Handgelenk reichend, links etwa weniger ausgeprägt, geringe Ausprägung laut AW im Augenbereich und im Mundwinkelbereich (AW ist als gelernte Kosmetikerin gut geschminkt, sodass keine depigmentierten Areale zu erkennen sind)
Varizen: beidseits, Ödeme: keine
Fußpulse und Handgelenkspulse bds. gut palpabel
Gangbild: unauffällig, Zehenspitzen- und Fersenstand bds.
durchführbar
Ärztliches Sachverständigengutachten vom Beurteilung und Begründung:
Gesundheitsschädigungen, die für die Gesamteinschätzung des Grades der Behinderung berücksichtigt werden:
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Lfd. Nr. | Art der Gesundheitsschädigung | Position in den Richtsätzen | Grad der Behinderung |
1 | Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Oberer Rahmensatz, da Funktionseinschränkung in der Lendenwirbelsäule bestehend | 190 | 30 % |
2 | Raynaudsyndrom 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da nachvollziehbare Beschwerden vorhanden, periphere Pulse gut palpabel. | 335 | 20 % |
3 | Vitiligo Unterer Rahmensatz dieser Position, da vor allem an den Beugeseiten beider Unterarme bestehend. | g.Z. 702 Tabelle Kolonne 2, Zeile 2 | 20 % |
Nachsatz: Eine Varikosis (Krampfadern) an beiden unteren Extremitäten erreicht bei Fehlen dokumentierter rezenter thromboembolischer Ereignisse keinen GdB.
Die in Zusammenwirken der oben angeführten Gesundheitsschädigungen verursachte Funktionsbeeinträchtigung beträgt dreißig vom Hundert (30 v.H.).
Der führende Grad der Behinderung unter laufender Nr. 1 wird nicht erhöht da: kein funktionelles Zusammenwirken mit den Leiden 2) und 3) vorliegend.
...
Folgende Gesundheitsschädigungen werden gemäß § 3 BEinstG bei der Einschätzung des Grades der Behinderung nicht berücksichtigt:
1. Gesundheitsschädigungen, die eine nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung (nicht mehr als 6 Monate andauernde) verursachen
...
2. Gesundheitsschädigungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 20 v.H., die auch im Zusammenwirken mit anderen Gesundheitsschädigungen keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursachen:
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Lfd. Nr. | Art der Gesundheitsschädigung | Position in den Richtsätzen | Grad der Behinderung |
1 | Chronische Autoimmunthyreoiditis Unterer Rahmensatz, da mittels Schilddrüsenhormonsubstitution kompensierbar. | 380 | 10 % |
2 | Verlust des rechten Eierstockes | 715 | 0 % " |
Im ergänzenden Gutachten vom wird - auch als Reaktion auf die Stellungnahme der Beschwerdeführerin, worin diese geltend machte, dass ihre Leiden nur ungenügend berücksichtigt worden seien - unter anderem Folgendes ausgeführt:
"...
Nachgereicht werden ein ärztlicher Bericht der Abt. für Nuklearmedizin/AKH Wien vom sowie ein Laborbefund vom . Eine Honorarnote von Herrn Dr. S. mit Auflistung von Behandlungen vom war bereits bei Erstellung des Gutachtens 6/2007 vorliegend (Abl. 6) Ebenso vorliegend war der Schilddrüsenkontrolluntersuchungsbefund vom (Abl. 31 und 10). Das Rezept der Abteilung für Spezielle Dermatologie vom lag ebenso bereits 6/2007 vor (Abl. 30 und 12).
Im Rahmen der physikalischen Untersuchung vom stellt sich von Seiten der Wirbelsäule eine alterentsprechend freie Beweglichkeit der Halswirbelsäule dar. Die Rumpfdrehung sowie die Seitneigung zeigte sich zu 1/3 eingeschränkt. Diese Funktionseinschränkung wurde in Zusammenschau mit dem vorliegenden Röntgenbefund und der MRT der gesamten Wirbelsäule unter Position
1) des Gutachtens entsprechend bewertet.
Von Seiten des Raynaudsyndroms liegt ein Befund der angiologischen Abteilung des AKH Wien vom vor. Weitere Kontrollbefunde bzw. aktuelle Befunde sind nicht vorliegend. Im Rahmen der physikalischen Untersuchung h.o. zeigen sich gut durchblutete Finger und Zehen beidseits mit beidseits gut tastbaren Pulsen. Nekrosen bzw. eine Gangrän im Finger- bzw. Zehenbereich sind bisher nicht dokumentiert. Die bestehenden und nachvollziehbaren Beschwerden fanden unter Position 2) Eingang in das Gutachten.
Bezüglich der Vitiligo ist ein Rezept des AKH Wien vom vorliegend. Kontrollbefunde bzw. aktuelle Befunde sind nicht vorliegend. Die bestehende Vitiligo (Weißfleckenkrankheit), welche sich an beiden oberen Extremitäten sowie im Gesichtsbereich manifestiert, wurde unter Position 3) des Gutachtens in entsprechender Weise bewertet.
Von Seiten der bestehenden Autoimmunthyroiditis vom Typ Hashimoto zeigt sich im Rahmen der vorliegenden Kontrolle am (neu vorgelegt, siehe Abl. 32) unter der durchgeführten medikamentösen Therapie eine deutliche Besserung im Vergleich zum Vorbefund. Die bestehende Autoimmunthyreoiditis vom Typ Hashimoto wurde im Gutachten in adäquater Weise bewertet.
Ein Röntgen bzw. ein aktueller Befund von Seiten der Kniegelenke ist nicht vorliegend. Vorliegend ist die oben bereits erwähnte Honorarnote von Herrn Dr. S, in welchem dieser unter Diagnose eine Gonarthrose anführt. Weitere Kontrollbefunde bzw. aktuelle Behandlungsnachweise sind nicht vorliegend. Im Rahmen der klinischen Untersuchung zeigen sich eine unauffällige, altersentsprechende Beweglichkeit beider Kniegelenke und ein Fehlen einer Funktionsstörung beidseits. Dieses Leiden erreicht keinen GdB.
Ein Senk-Spreizfuß und ein Hallux valgus beidseits erreichen bei fehlender Gangbildstörung sowie Fehlen weiterer Behandlungsnachweise keinen GdB.
Zusammenfassung :
Auch nach nochmaliger Durchsicht der Aktenlage, in Zusammenschau mit der physikalischen Untersuchung sowie unter Berücksichtigung der neu vorgelegten Befunde ist eine Änderung der getroffenen Einschätzung vom nicht gerechtfertigt."
Die Beschwerdeführerin erhob gegen den erstinstanzlichen Bescheid Berufung. Im Berufungsverfahren wurden folgende, auszugsweise dargestellte Gutachten eingeholt.
1) Orthopädisches Fachgutachten vom :
"...
Wirbelsäulenbeweglichkeit:
HWS: Nacken-Trapezius Hartspann, Kinn-Jugulum
Abstand 3/12 Querfinger, Rotation 30/0/60,
Seitneigen 20/0/20 schmerzhaft
Brustwirbelsäule: frei
LWS: nicht klopfdolent
Vorbeugen: FBA 30 cm
Rückbeugung: 20 Grad
Seitneigung: 20 Grad
Rotation: 20 Grad
FBA: 30 cm
Iliopsakralgelenksblockade links; Skoliose mit Rippenbuckel
rechts plus 1 cm und Lendenwulst links plus 1 cm
Obere Extremitäten:
Rechts und Links:
Gelenke beider oberer Extremitäten frei beweglich
Kraftgrad und Faustschluß: 5/vollständig, Nacken-Kreuzgriff:
frei
Untere Extremitäten:
Rechts:
Kniegelenk: Zohlen ++, mediale Patellafacette
druckschmerzhaft, mediales Gelenkskompartement druckschmerzhaft,
bandstabil, frei beweglich
Links:
Kniegelenk: Zohlen ++, mediale Patellafacette druckschmerzhaft, mediales Gelenkskompartement druckschmerzhaft, bandstabil, frei beweglich
Sonstige Gelenke beider unterer Extremitäten frei beweglich
Füße: Spreizfuß beidseits, geringradiger Hallux valgus
beidseits, Metatarsalgie beidseits rechts mehr als links
Zehen- und Fersenstand: beidseits möglich
Zehenstand und Fersenstand beidseits: möglich
Gangbild: ohne Hilfsmittel, langsam, kein Hinken, gute
symmetrische Schrittfolge (ca. 25 cm)
Beurteilung und Begründung :
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Lfd. Nr. | Art der Gesundheitsschädigung | Position in den Richtsätzen | Höhe des GdB |
1 | Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelgleiten L5/S1, Skoliose, Osteopenie | 190 | 30 % |
Oberer Rahmensatz, da deutliche Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule in Rotation und deutlicher Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei geringgradiger Skoliose. | |||
2 | Degenerative Veränderungen beider Kniegelenke. | 417 | 10 % |
Oberer Rahmensatz, da bei der Untersuchung Schmerzen an der Kniescheibe und am medialen Gelenksspalt provozierbar bei sonst freier Beweglichkeit beider Kniegelenke.
Das langsame symmetrische hinkfreie Gangbild mit symmetrischer Schrittfolge ist zurückzuführen auf das Leiden an der Wirbelsäule und an beiden Kniegelenken und somit in Leiden 1 und 2 inkludiert.
Der Spreizfuß beidseits erreicht keinen (Extra)-GdB, da eine gute Versorgung mit Einlagen vorliegt.
Da sich kein orthopädisches erstinstanzliches Gutachten vorfindet, kann keine vergleichsweise Stellungnahme abgegeben werden.
Die bei der heutigen Untersuchung vorgefundenen Funktionseinschränkungen wurden wie oben angeführt richtsatzgemäß eingestuft."
2) Gutachten eines Facharztes für innere Medizin vom :
"...
Ergebnis:
1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelgleiten L5/S1, Skoliose, Osteopenie
190 30 %
Oberer Rahmensatz, da deutliche Funktionseinschränkungen der HWS in Rotation und deutliche Funktionseinschränkungen der LWS bei geringgradiger Skoliose.
2. Raynaud-Syndrom
335 20 %
1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da nachvollziehbare Beschwerden vorhanden, periphere Fußpulse gut palpabel.
3. Vitiligo
g.Z. 699 30 %
4. Chronische Autoimmunthyreoiditis
380 10 %
Unterer Rahmensatz, da mit Schilddrüsenhormonsubstitution kompensierbar.
5. Degenerative Veränderungen beider Kniegelenke 417 10 %
Oberer Rahmensatz, da bei der Untersuchung Schmerzen an der Kniescheibe und am medialen Gelenksspalt provozierbar sind, bei sonst freier Beweglichkeit beider Kniegelenke.
6. Verlust des rechten Eierstocks
715 0 %
Die Gesamt-MdE beträgt somit 30 v.H., weil die führende MdE 1 durch die weiteren Leiden nicht erhöht wird. Es besteht kein funktionelles Zusammenwirken.
Leiden 3 wurde um 1 Stufe höher als im VGA eingestuft, da die Veränderungen auch das Gesicht betreffen.
Leiden 1 wurde vom Orthopäden in unveränderter Höhe eingestuft, Leiden 2 wurde gleichfalls unverändert eingeschätzt, da die Beschwerden durch Vermeiden von Kälteexposition vermeidbar sind.
Leiden 4 wurde unverändert eingestuft, da die Auswirkung der Autoimmunthyreoiditis, nämlich der Hormonmangel durch entsprechende Hormontherapie gut behandelbar sind. Die Höhe der Antikörper spielt dabei keine Rolle.
Leiden 5 wurde vom orthopädischen Gutachter neu eingestuft. Durch die neu eingestuften Gesundheitsschädigungen und die höhere Einschätzung des Leidens 3 ergibt sich keine Erhöhung der Gesamt-MdE, da weder eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung noch ein funktionelles Zusammenwirken der Gesundheitsschädigungen vorliegt.
Die vorgelegten Befunde der 1. und 2. Instanz und die Berufungseinwendungen wurden ausführlich eingesehen und berücksichtigt.
Verglichen zum Gutachten der 1. Instanz wurden 2 Gesundheitsschädigungen neu eingestuft und ein Leiden höher eingestuft, dadurch ergab sich aber keine Erhöhung der Gesamt-MdE.
Eine NU ist nicht erforderlich, weil keine Änderung des Leidenzustandes zu erwarten ist."
Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis der Beweisaufnahme mit und forderte sie zur Stellungnahme auf. Hierauf nahm die Beschwerdeführerin im Schreiben vom dahin Stellung, dass die Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, unter Berücksichtigung einer schweren Osteochondrose, einen Grad der Behinderung von 40 vH bewirke und im Zusammenhang mit den übrigen Leiden ein Grad der Behinderung von mindestens 50 vH gegeben sei.
Im Anschluss daran, von der belangten Behörde aufgefordert, zur Äußerung der Beschwerdeführerin Stellung zu nehmen, hielt der Amtsarzt in seinem Gutachten vom schließlich Folgendes fest:
"Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule wurden ausreichend berücksichtigt und auch absolut korrekt eingestuft - die vorliegenden Funktionseinschränkungen erlauben keinen hohen GdB als die ermittelten 30 %. Auch der Gesamt GdB wurde korrekt ermittelt - das führende Leiden 1 wird durch die übrigen Gesundheitsschädigungen nicht weiter erhöht, da ein relevantes ungünstiges wechselseitiges Zusammenwirken mit den anderen Leiden nicht vorliegt. Keinesfalls ist der geforderte Gesamt-GdB von 50 zu befürworten. Eine Vorschreibung an die bereits befassten med. SV ist unter Berücksichtigung des vorliegenden Aktenmaterials ebenso wenig notwendig wie die Einholung weiterer SVGA.
Zusammenfassung: dem BBK Gutachten wäre nichts hinzuzufügen."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der von der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom erhobenen Berufung - unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 1, § 3, § 14 Abs. 1 und 2 sowie § 27 Abs. 1 BEinstG - nicht Folge. Die belangte Behörde folgte - zusammengefasst - in der Begründung des angefochtenen Bescheides den Ausführungen der von ihr beigezogenen Sachverständigen und führte, nach Darstellung der maßgebenden Rechtsvorschriften und nach einem Hinweis auf die gemäß § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ergangene Richtsatzverordnung vom über die Einschätzung des Grades der Behinderung sowie nach Bezugnahme auf die hg. Rechtsprechung aus, dass auf Grundlage der ihr vorliegenden schlüssigen Sachverständigengutachten von einem Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin von 30 v.H. auszugehen sei. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin seien nicht geeignet, die eingeholten medizinischen Gutachten zu entkräften, zumal sie diesen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes - BEinstG in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2005 lauten (auszugsweise):
"Begünstigte Behinderte
§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. Österreichischen Staatsbürgern sind Flüchtlinge mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H., denen Asyl gewährt worden ist, gleichgestellt, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind. ...
Behinderung
§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
...
Feststellung der Begünstigung
§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 v.H.
a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002;
b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;
c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;
d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z. 2 Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).
Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Bescheides bzw. Urteiles folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten angehören zu wollen.
(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Behinderten das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (Abs. 3) festzustellen. ...
(3) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist ermächtigt, nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates gemäß § 8 BBG durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung festzulegen. Diese Bestimmungen haben die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben zu berücksichtigen und auf den Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen.
(4) ...
Übergangsbestimmungen
§ 27. (1) Bis zum Inkrafttreten der Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
(2) ..."
Da eine Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 BEinstG noch nicht erlassen wurde, hatte die belangte Behörde zu Recht (§ 27 Abs. 1 BEinstG) die auf Grund des § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ergangene Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , BGBl. Nr. 150, über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und die in der Anlage zu dieser Verordnung genannten Richtsätze heranzuziehen. Die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände hat nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach § 3 der oben genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/11/0017, mit weiteren Nachweisen).
Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Behörde das führende Leiden unrichtig beurteilt habe und bei der Gesamteinschätzung sämtlicher Leiden zu einem höheren Grad der Behinderung hätte gelangen müssen. Die Sachverständigen bzw. die Behörde hätten den Sachverhalt nur ungenügend ermittelt. Die Beschwerdeführerin habe hinsichtlich der degenerativen Veränderungen ihrer Wirbelsäule einen fachärztlichen Untersuchungsbefund vorgelegt, aus dem hervorgehe, dass sie an einer schweren Osteochondrose L5/S1 leide; ihre Krankheit falle unter die Position 191, die Schwere dieser Krankheit sei nicht festgestellt worden. Auch die Symptome des Raynaud-Syndroms seien ungenügend beschrieben, insbesondere würden die Schmerzen (nicht nur bei Kälte, sondern) auch bei Raumtemperatur auftreten, alltägliche Handgriffe seien daher erschwert, bei Stress würde eine Attacke auch bei warmer Umgebung ausgelöst. Die Krankheit Vitiligo bewirke bei der Beschwerdeführerin auch eine starke psychische Belastung, was nicht berücksichtigt worden sei. Hinsichtlich der chronischen Autoimmunthyreoiditis, bei der die eigenen Antikörper die Schilddrüse angreifen, bestehe derzeit keine Substitutionsmöglichkeit. Die Sachverständigengutachten hätten somit ergänzt werden müssen und der ihnen ohne eigene kritische Stellungnahme der belangten Behörde folgende angefochtene Bescheid sei nur unzureichend begründet.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat im Berufungsverfahren, nachdem bereits im Verfahren vor der Behörde erster Instanz ein Arzt für Allgemeinmedizin die Beschwerdeführerin untersucht und ihren Leidenszustand beurteilt hatte und auf die im Rahmen ihrer Stellungnahme vorgetragenen Einwände eingegangen war, zusätzliche Gutachten eingeholt, und zwar eines Facharztes für Orthopädie und eines Facharztes für Innere Medizin. Schließlich wurde auch der Amtsarzt beigezogen und hat seine gutachterliche Stellungnahme im Anschluss an die Fachgutachten erstellt.
Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin hat insbesondere der Facharzt für Orthopädie die von der Beschwerdeführerin bereits im Verfahren erster Instanz, aber auch die mit der Berufung vorgelegten Unterlagen berücksichtigt, darauf Bedacht genommen, dass die Beschwerdeführerin geltend mache, dass die Richtsatzposition 191 herangezogen werden müsste und auf Grund seiner eigenen Untersuchung auch die degenerative Veränderung bzw. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, das Wirbelgleiten L5/S1, sowie Skoliose und Osteopenie, ferner auch die degenerativen Veränderungen der Kniegelenke berücksichtigt. Er kam jedoch zu dem Ergebnis, dass das schwerere Leiden nach der Richtsatzposition 190 einzustufen sei. Die Beschwerdeführerin wiederholt nur ihren bereits im Verwaltungsverfahren vertretenen Standpunkt, zeigt jedoch in ihrer Beschwerde keine Anhaltspunkte auf, aus denen Hinweise auf eine Unschlüssigkeit dieses Gutachtens erkennbar wären.
Desgleichen wurden im internistischen Fachgutachten sämtliche von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Leiden berücksichtigt, insbesondere auch das Raynaud-Syndrom, Vitiligo und die chronische Autoimmunthyreoiditis, und es wurde jeweils vom Sachverständigen eine Bewertung nach der entsprechenden Richtsatzposition vorgenommen. Auch dieser Sachverständige hat die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde eingesehen und die Beschwerdeführerin untersucht.
Sowohl das orthopädische als auch das internistische Fachgutachten wurden der Beschwerdeführerin übermittelt und sie wurde zur Stellungnahme aufgefordert. In ihrer hierauf erstatteten Stellungnahme vom unterließ sie es, die nunmehr erst in der Beschwerde behaupteten (oder andere) Einwände, was das Raynaud-Syndrom, Vitiligo und die chronische Autoimmunthyreoiditis anlangt, vorzutragen. Es kann daher der belangten Behörde, auch unter Bedachtnahme auf die zusammenfassende Stellungnahme des Amtsarztes vom , nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn sie nicht erneut ergänzende Untersuchungen bzw. eine nochmalige Beurteilung dieser Leiden durch die Sachverständigen vornehmen ließ. Die Beschwerdeführerin stellte in der erwähnten Stellungnahme lediglich die Behauptung auf, dass eine Beurteilung ihrer Funktionseinschränkungen nach der Position 191 und die Zusammenschau sämtlicher Leiden einen höheren Grad der Behinderung von zumindest 50 vH. bewirke. Wenn die belangte Behörde, was die Einschätzung des führenden Leidens nach der herangezogenen Richtsatzposition 190 mit 30 vH., und die Beurteilung, dass eine Erhöhung dieses Wertes durch die weiteren Leiden der Beschwerdeführerin nicht eintrete, den nicht als unschlüssig zu erkennenden Sachverständigengutachten folgte, ist dies, zumal die Beschwerdeführerin den Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist, nicht zu beanstanden. Somit ist auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides gegeben, wenn die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 Abs. 1 iVm. § 14 Abs. 1 und 2 BEinstG abgewiesen hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
NAAAE-77857