VwGH vom 23.10.2013, 2010/13/0144
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Bundes, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. ABK - 39/10, betreffend Aussetzung eines Verfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Wien hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist zunächst auf das hg. Erkenntnis vom , 97/13/0224, VwSlg 7858/F, zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis wies der Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen einen Bescheid der auch im vorliegenden Fall belangten Behörde vom ab, mit dem ihm die Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist für die Berufung gegen einen Kommunalsteuerbescheid vom versagt und die verspätete Berufung zurückgewiesen worden war.
Gegenstand des Kommunalsteuerbescheides vom war die Vorschreibung von Kommunalsteuer (sowie Verspätungs- und Säumniszuschlägen) für die in den Betriebsstätten in Wien gewährten Arbeitslöhne des "Betrieb(es) gewerblicher Art Post- und Telegrafenverwaltung Fernmeldedienste und Postautodienste" im Zeitraum Jänner 1994 bis April 1996 in der Höhe von insgesamt etwa 184 Mio S. In der Beschwerde wurde u.a. geltend gemacht, der Bescheid vom wäre nicht an den Beschwerdeführer, sondern an die Post und Telekom Austria AG zu richten gewesen, auf die das im Eigentum des Bundes stehende Vermögen der Post- und Telegraphenverwaltung einschließlich der Forderungen und Verbindlichkeiten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge mit übergegangen sei. Der Verwaltungsgerichtshof führte dazu aus, es könne dahingestellt bleiben, ob die Vorschreibung von Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen rechtens an den Bund oder an die Post und Telekom Austria AG zu richten gewesen wäre. Tatsächlich habe sich der Bescheid vom - mit ausreichend deutlicher Bezeichnung des Bescheidadressaten - an den Bund gerichtet und diesem Abgaben vorgeschrieben. Eine Rechtswidrigkeit einer solchen Abgabenvorschreibung ließe deren Wirksamkeit unberührt.
Mit Hinweis auf den an den Bund gerichteten Bescheid vom einerseits und einen an die Post und Telekom Austria AG gerichteten, den Zeitraum April 1994 bis April 1996 betreffenden Kommunalsteuerbescheid der Landeshauptstadt Linz vom andererseits und dem Vorbringen, es sei dabei zu Mehrfacherfassungen derselben Lohnsummenbestandteile gekommen, hatte die Post und Telekom Austria AG in einer Eingabe vom an das Finanzamt für Körperschaften einen Antrag auf Erlassung eines Zuteilungsbescheides gemäß § 10 Abs. 5 Kommunalsteuergesetz (KommStG) 1993 gestellt und den Standpunkt vertreten, die Post- und Telegraphenverwaltung sei kein Betrieb gewerblicher Art, weshalb die Bemessungsgrundlage mit S 0,-- festzusetzen und den Gemeinden zuzuteilen sei. Ein Zuteilungsbescheid des Finanzamts vom , mit dem die Bemessungsgrundlage hinsichtlich der Gemeinden Wien und Linz jeweils mit "keine" festgestellt wurde, wurde von beiden Gemeinden mit Berufung bekämpft und von der Finanzlandesdirektion aufgehoben, womit sich der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom , 2000/13/0001, 0002, VwSlg 7585/F, auseinanderzusetzen hatte. Er bejahte die Frage, ob das Finanzamt zur Erlassung eines derartigen Bescheides zuständig gewesen sei, und hob den Bescheid der Finanzlandesdirektion im Wesentlichen deshalb auf, weil diese sich mit der Frage der Steuerpflicht nicht auseinandergesetzt und die Ansicht vertreten hatte, nur ein Streit zwischen den betroffenen Gemeinden könne zur Erlassung eines Zuteilungsbescheides führen.
Die Finanzlandesdirektion wies daraufhin mit Bescheid vom die Berufungen gegen den Zuteilungsbescheid vom ab, weil sie zur Ansicht gelangte, die Tätigkeit der Post- und Telegraphenverwaltung sei im Streitzeitraum Hoheitsverwaltung gewesen. Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom , 2001/13/0239, VwSlg 8084/F, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Er führte dazu aus, im Bereich des Fernmeldewesens habe das Fernmeldegesetz 1993 einerseits einen hoheitlichen, andererseits aber auch einen sogenannten Wettbewerbsbereich vorgesehen, wobei das Gesetz die Post- und Telegraphenverwaltung zu einer strikten organisatorischen und rechnungsmäßigen Trennung der beiden Bereiche verpflichtet habe. Die Finanzlandesdirektion habe es in Verkennung dieser Rechtslage unterlassen, festzustellen, ob und inwieweit die Post- und Telegraphenverwaltung im Streitzeitraum im sogenannten Wettbewerbsbereich tätig geworden sei, und ob es diesbezüglich, wie behauptet, zu Mehrfacherfassungen derselben Lohnsummenbestandteile gekommen sein könnte.
Mit Bescheid vom erledigte der inzwischen zuständig gewordene unabhängige Finanzsenat schließlich die Berufungen gegen den Zuteilungsbescheid vom durch Aufhebung dieses Bescheides und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz. Das Finanzamt erließ daraufhin drei Bescheide vom , in denen es - getrennt für die Zeiträume 1994, 1995 und Jänner bis April 1996 - Zuteilungen von Anteilen an der Bemessungsgrundlage (soweit aktenkundig: nur) an die Gemeinde Wien vornahm. Gegen diese Bescheide erhob die Stadt Wien mit Schriftsatz vom Berufung, das Berufungsverfahren ist zur Geschäftszahl RV/0832 - W/10 anhängig.
Der an die Post und Telekom Austria AG gerichtete Bescheid des Magistrates Linz vom über etwa 22 Mio S Kommunalsteuer zuzüglich Säumniszuschlag für den Zeitraum bis war von der Post und Telekom Austria AG mit Berufung bekämpft worden. Seine Bestätigung mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom behob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2001/14/0131, wozu er unter Hinweis auf das Erkenntnis vom ausführte, als Betrieb gewerblicher Art sei die Post- und Telegraphenverwaltung nicht in Bezug auf das Fernmeldewesen in seiner Gesamtheit, sondern "allenfalls nur in einem von der Behörde nicht erhobenen Teilbereich des Fernmeldewesens" einzustufen gewesen.
Dem nunmehrigen Beschwerdefall liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer (Bund) mit Schreiben vom an den Magistrat der Stadt Wien den Antrag richtete, "aufgrund" des (Anmerkung: zu diesem Zeitpunkt bereits aufgehobenen) Zuteilungsbescheides vom den - in dieser Eingabe nur unter Anführungszeichen so genannten, nach dem Erkenntnis vom aber wirksam erlassenen - Bescheid vom "aufzuheben und einen vom Bescheid des Finanzamtes für Körperschaften vom abgeleiteten Kommunalsteuerbescheid zu erlassen". Ein solcher Kommunalsteuerbescheid werde eine Steuerschuld von Null auszuweisen haben, und das Abgabenkonto des Bundes werde "nach Bescheiderlassung" ein Guthaben über etwa 184 Mio S ausweisen, dessen Rückzahlung ebenfalls beantragt werde.
Diese Anträge wies der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom zurück. Er führte zum Antrag auf Erlassung eines gemäß § 10 Abs. 6 KommStG 1993 vom Zuteilungsbescheid vom abgeleiteten Bescheides aus, das Antragsrecht könne nur dem Steuerschuldner zustehen, an den auch der Zuteilungsbescheid zu ergehen habe, und dies sei die Post und Telekom Austria AG (gewesen). Die Zurückweisung des Rückzahlungsantrages wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer auch nicht der Abgabenschuldner sei, "auf den das Abgabenkonto lautet".
In der Berufung gegen diesen Bescheid machte der Beschwerdeführer geltend, die "als 'Bescheid' bezeichnete Erledigung" vom sei an ihn gerichtet gewesen. Der Magistrat der Stadt Wien habe "- trotz der damals bereits in Kraft befindlichen organisatorischen und rechtlichen Änderungen durch das Poststrukturgesetz - offenbar den Bund (...) als Steuerschuldner und Unternehmer" angesehen und könne sich jetzt nicht darauf berufen, dass ihm die Antragslegitimation fehle. Auf dieses Vorbringen werde auch in Bezug auf den Rückzahlungsantrag verwiesen und zusätzlich geltend gemacht, dass der "Bescheid" vom ein Abgabenkonto des Bundes angeführt habe.
Im Dezember 2009 übermittelte der Beschwerdeführer dem Magistrat der Stadt Wien die neuen Zuteilungsbescheide vom mit dem Vorbringen, die Voraussetzungen für die Erlassung eines abgeleiteten Kommunalsteuerbescheides lägen "nun jedenfalls" vor.
Mit Berufungsvorentscheidung vom gab der Magistrat der Stadt Wien der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom statt und änderte diesen Bescheid dahingehend ab, dass sowohl der Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides als auch der Rückzahlungsantrag abgewiesen wurden. Begründend wurde dargelegt, der Rückzahlungsantrag müsse erfolglos bleiben, weil kein Guthaben bestehe, und der Antrag auf Erlassung eines Kommunalsteuerbescheides sei abzuweisen, weil "kein der geltenden Rechtsordnung unterliegender Grundlagenbescheid" vorliege. Der Zuteilungsbescheid (gemeint: die Zuteilungsbescheide) vom sei(en) "nichtig", ein Standpunkt, der auch in der mit Schriftsatz vom selben Tag erhobenen Berufung der Stadt Wien gegen diese Zuteilungsbescheide vorrangig vertreten wurde.
Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz über die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom . Im Vorlagebericht schlug der Magistrat der Stadt Wien die Aussetzung des Verfahrens vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde die Entscheidung über die Berufung nach Einräumung des Parteiengehörs gemäß § 281 Abs. 1 BAO bis zur Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates über die Berufung der Stadt Wien gegen die Zuteilungsbescheide vom aus.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
§ 281 Abs. 1 BAO lautet:
"§ 281. (1) Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann die Abgabenbehörde die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe aussetzen, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78) entgegenstehen."
Die belangte Behörde sieht die wesentliche Bedeutung der zur Geschäftszahl RV/0832 - W/10 abzuwartenden Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates für das vorliegende Verfahren darin, dass es einer Erlassung von den Zuteilungsbescheiden vom abgeleiteter Bescheide entgegenstünde, wenn diese Zuteilungsbescheide - wie in der gegen sie erhobenen Berufung der Stadt Wien behauptet - "nichtig" oder rechtswidrig wären. Die Aussetzung sei auch aus Gründen der Prozessökonomie "geboten, um auf Grund von unterschiedlichen Zuteilungen in Bescheiden nach § 10 Abs. 5 KommStG 1993 zu vermeiden, dass regelmäßig neue abgeleitete Bemessungsbescheide erlassen werden müssen".
Mit dieser Argumentation verkennt die belangte Behörde den Gegenstand des bei ihr anhängigen Berufungsverfahrens. Die Anträge des Beschwerdeführers wurden mit dem bei der belangten Behörde bekämpften Bescheid zurückgewiesen, weil der Beschwerdeführer nicht der Steuerschuldner und nicht derjenige sei, "auf den das Abgabenkonto lautet". Gegenstand der von der belangten Behörde zu treffenden Entscheidung wird die Frage sein, ob diese Zurückweisungen zu Recht erfolgten (vgl. zur "Sache" des Berufungsverfahrens nach erstinstanzlicher Zurückweisung eines Antrages etwa Ritz , BAO4, § 289 Tz 39;
Hengstschläger/Leeb , AVG § 66 Rz 62). Dass die Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates über die Berufung der Stadt Wien gegen die Zuteilungsbescheide vom von "wesentlicher Bedeutung" für die Entscheidung über die - in den Erwägungen der belangten Behörde überhaupt nicht vorkommende - Frage der Antragslegitimation des Beschwerdeführers im vorliegenden Verfahren sei, ist angesichts der Ausführungen über die Streitpunkte des Berufungsverfahrens vor dem unabhängigen Finanzsenat nicht zu erkennen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und hinsichtlich des Mehrbegehrens auf Ersatz der Eingabengebühr auf § 24 Abs. 3 Z 3 VwGG.
Wien, am