Suchen Hilfe
VwGH 19.10.2011, 2010/13/0142

VwGH 19.10.2011, 2010/13/0142

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm
BAO §273 Abs1 litb;
RS 1
Die Abgabenbehörde hat gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht fristgerecht eingebracht wurde. Die Erlassung von Zurückweisungsbescheiden obliegt sowohl der Abgabenbehörde erster Instanz als auch jener zweiter Instanz (vgl. Ritz, BAO3, § 273, Tz 26).
Normen
BAO §115 Abs2;
BAO §245 Abs1;
BAO §273 Abs1 litb;
VwGG §42 Abs2;
RS 2
Nach ständiger Rechtsprechung zu § 273 Abs. 1 lit. b BAO hat die Rechtsmittelbehörde das Risiko einer Bescheidaufhebung zu tragen, wenn sie von der Versäumung der Berufungsfrist ausgeht, diese Feststellung aber dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat. Daher hat die Behörde vor Zurückweisung der Berufung als verspätet entweder von Amts wegen zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, wenn nämlich Umstände auf einen solchen hinweisen, oder dem Rechtsmittelwerber die offenbare Verspätung des Rechtsmittels vorzuhalten; unterlässt sie dies, so kann der Rechtsmittelwerber ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot die zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte Zustellung des angefochtenen Bescheides in seiner Beschwerde dartun (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2006/15/0097, mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2010/16/0033 E RS 2 (hier nur erster Satz)

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2010/13/0143 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der F GmbH in Wien, vertreten durch die Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH, in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1300- W/10, miterledigt RV/1299-W/10, betreffend Zurückweisung einer Berufung hinsichtlich Kammerumlage gemäß § 122 Wirtschaftskammergesetz 1998 für den Zeitraum Juli bis September und Oktober bis Dezember 2009, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde Berufungen der Beschwerdeführerin gegen Bescheide des Finanzamtes über die Festsetzung der Kammerumlage Juli bis September und Oktober bis Dezember 2009 als verspätet zurück. Begründend dazu führte sie aus, dass die angeführten Bescheide der Beschwerdeführerin am zugestellt worden seien und die Berufungsfrist am abgelaufen sei. Die mit Schriftsätzen vom (Datum der Postaufgabe) erhobenen Berufungen seien nach Ablauf der Berufungsfrist und damit verspätet eingebracht worden.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Berufungsfrist einen Monat. Die Berufungsfrist kann nach § 245 Abs. 3 BAO aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, verlängert werden. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt.

Die Abgabenbehörde hat gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht fristgerecht eingebracht wurde. Die Erlassung von Zurückweisungsbescheiden obliegt sowohl der Abgabenbehörde erster Instanz als auch jener zweiter Instanz (vgl. Ritz, BAO3, § 273, Tz 26).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde das Risiko einer Bescheidaufhebung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist ausgeht, diese Feststellung aber dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. z.B. die bei Ritz, BAO3, § 273 Tz 18 zitierte hg. Rechtsprechung).

In der Beschwerde wird vorgebracht, dass die Zustellung der erstinstanzlichen Bescheide betreffend Festsetzung der Kammerumlage Juli bis September und Oktober bis Dezember 2009 am erfolgte und die Berufungsfrist am abgelaufen wäre. Die Beschwerdeführerin habe aber "am - und sohin: binnen offener Berufungsfrist - über FinanzOnline hinsichtlich der Berufung gegen die beiden erstinstanzlichen Bescheide jeweils Anträge auf Verlängerung der Berufungsfrist bis eingebracht". Über diese Fristerstreckungsanträge sei weder seitens der erstinstanzlichen noch seitens der belangten Behörde eine Erledigung ergangen, sodass die Berufungen schließlich am innerhalb offener Frist eingebracht worden seien.

Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung von einer Versäumung der Berufungsfrist aus. Dass sie diese Feststellung der Beschwerdeführerin vorgehalten hätte, geht aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht hervor und wird in der Gegenschrift nicht behauptet. Dort räumt die belangte Behörde vielmehr ein, sie habe "übersehen, dass die (Beschwerdeführerin) per FinanzOnline am rechtzeitig die Verlängerung der Berufungsfrist beantragt hatte".

Die am zur Post gegebene Berufung erweist sich somit - nach übereinstimmendem Parteienvorbringen - als rechtzeitig. Es trifft daher zu, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt wurde. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BAO §115 Abs2;
BAO §245 Abs1;
BAO §273 Abs1 litb;
VwGG §42 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:2010130142.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAE-77850