VwGH vom 28.11.2014, 2013/01/0012

VwGH vom 28.11.2014, 2013/01/0012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Beschwerde des Mag. H T in L, vertreten durch die AGMBH R T in L, gegen den Bescheid des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom , Zl. VH 1051/12, betreffend Enthebung und Umbestellung eines Verfahrenshelfers, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Rechtsanwaltskammer Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist in die Liste der Rechtsanwälte mit dem Kanzleisitz in L eingetragen (Rechtsanwaltskammer Oberösterreich).

Mit Beschluss vom hat das Landesgericht L in einer Strafsache einem näher bezeichneten rumänischen Staatsangehörigen in L einen Rechtsanwalt als Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben. Der zuständige Ausschuss (II) der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer hat den Beschwerdeführer mit Bescheid vom im Rahmen dieser Beigebung zum Verfahrenshelfer (gemäß § 61 Abs. 2 StPO) bestellt.

Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom beantragt, diesen Bestellungsbescheid dahin abzuändern, dass (an seiner Stelle) die "AGmbH Mag. H T" zum Verfahrenshilfeverteidiger bestellt werde; hilfsweise erhob er gegen den Bestellungsbescheid eine Vorstellung. Darin brachte er vor, er habe "seine einzelanwaltliche Tätigkeit beendet", seine Kanzlei in die "AGmbH Mag. H T" eingebracht, er übe keine einzelanwaltliche Tätigkeit (mehr) aus.

Mit dem (nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof) angefochtenen Bescheid vom hat die belangte Behörde den Antrag auf Änderung des Bescheides vom (dahin, dass die AGmbH Mag. H T bestellt werde) bzw. die Vorstellung des Beschwerdeführers abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der nach § 45 RAO bestellte Rechtsanwalt habe die Vertretung oder Verteidigung (nach Maßgabe des Bestellungsbescheides) zu übernehmen. Aus der Regelung der Vergütung der Leistungen der Verfahrenshilfe ergebe sich eindeutig, dass ausschließlich Rechtsanwälte in der Verfahrenshilfe bestellt werden könnten. Die Bestellung einer Rechtsanwalts-Gesellschaft sei (gesetzlich) nicht vorgesehen und auch im Hinblick auf den Versorgungsanspruch denkunmöglich.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 1049/12-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer seine Beschwerde mit Schriftsatz vom ergänzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der beantragt wird, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da die vorliegende Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof noch vor dem dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurde, sind gemäß § 8 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des B-VG und des VwGG jeweils in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. Nr. 96/1868 idF BGBl. I Nr. 141/2009, lauteten auszugsweise:

"§ 1. (1) Zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in der Republik Österreich bedarf es keiner behördlichen Ernennung, sondern lediglich der Nachweisung der Erfüllung der nachfolgenden Erfordernisse und der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte. (§§ 5 und 5a)

(1a) Soweit in diesem Bundesgesetz auf natürliche Personen bezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung der Bezeichnung auf bestimmte natürliche Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.

...

§ 1a. (1) Die Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist auch in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in der Rechtsform der offenen Gesellschaft oder der Kommanditgesellschaft (Rechtsanwalts-Partnerschaft) und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zulässig. Die Ausübung der Rechtsanwaltschaft darf nur im Einklang mit den berufsrechtlichen Vorschriften erfolgen. Sie bedarf der Eintragung in die Liste der Rechtsanwalts-Gesellschaften bei der Rechtsanwaltskammer, in deren Sprengel die Gesellschaft ihren Kanzleisitz hat. Für die Rechtsanwalts-Partnerschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die Eintragung in das Firmenbuch Voraussetzung für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwalts-Gesellschaften. Sie ist dem Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer nachzuweisen.

...

6) Die Rechtsanwälte betreffenden Vorschriften gelten sinngemäß auch für Rechtsanwalts-Gesellschaften.

...

§ 5. (1) Wer die Rechtsanwaltschaft erlangen will, hat unter Nachweis aller gesetzlichen Erfordernisse bei dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer, in deren Sprengel er seinen Kanzleisitz nimmt, unter Angabe des letzteren seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu erwirken.

...

§ 45. (1) Hat das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwalts beschlossen oder schließt die Bewilligung der Verfahrenshilfe eine solche Beigebung ein, so hat die Partei Anspruch auf die Bestellung eines Rechtsanwalts durch die Rechtsanwaltskammer.

...

(4) Kann der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung aus einem der im § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz angeführten Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen, so ist er auf seinen Antrag, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen zu entheben und ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen. Im Fall des Todes des bestellten Rechtsanwalts oder des Verlustes seiner Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist von Amts wegen ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen.

§ 46. (1) Die Ausschüsse der Rechtsanwaltskammern haben bei der Bestellung nach festen Regeln vorzugehen; diese haben eine möglichst gleichmäßige Heranziehung und Belastung der der betreffenden Kammer angehörenden Rechtsanwälte unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zu gewährleisten. Diese Regeln sind in den Geschäftsordnungen der Ausschüsse festzulegen.

(2) Die Geschäftsordnungen können jedoch allgemeine Gesichtspunkte festlegen, nach denen Rechtsanwälte aus wichtigen Gründen von der Heranziehung ganz oder teilweise befreit sind. Als wichtige Gründe sind besonders die Ausübung einer mit erheblichem Zeitaufwand verbundenen Tätigkeit im Dienst der Rechtsanwaltschaft oder persönliche Umstände anzusehen, die die Heranziehung als besondere Härte erscheinen ließen. Die Mitglieder des Präsidiums des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags sind jedenfalls von der Heranziehung befreit."

Der Beschwerdeführer, der in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen ist, wurde vom (zuständigen) Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Oberösterreich ordnungsgemäß zum Verfahrenshelfer bestellt. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde sein Antrag, an seiner Stelle eine Rechtsanwalts-Gesellschaft zu bestellen, bzw. seine auf die Umbestellung des Verfahrenshelfers gerichtete Vorstellung abgewiesen.

Der Beschwerdeführer bringt dagegen im Wesentlichen vor, "auf die Rechtsform der anwaltlichen Vertretung" komme es bei der Bestellung des Verfahrenshelfers nicht an. Dafür käme auch eine nach § 1a RAO für zulässig erklärte Gesellschaft in Betracht. Die Fehlinterpretation der Behörde verletze ihn in seinem Recht auf Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Dass zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ein Einzelunternehmen aufrechterhalten werden müsse, sei nicht zwingend. Vorliegend sei es ihm nicht zumutbar, weiterhin als Einzelunternehmer aufzutreten. Dass die Pauschalvergütung aus der Verfahrenshilfe der anwaltlichen Pensionskasse gutgeschrieben werde, sei nicht zwingend. Die Rechtsanwälte könnten auch eine andere Art der Verwendung beschließen. Die in § 47 RAO vorgesehene Pauschalvergütung müsse nicht zwingend durch eine natürliche Person erwirtschaftet werden. Auf die Pauschalentschädigung bzw. den Pensionsbeitrag komme es vorliegend nicht an, sondern es gehe um den Bestellungsmodus. Er könne als Rechtsanwalt nicht gezwungen werden, das Einzelunternehmen aufrecht zu erhalten. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde zwinge ihn aber dazu, um seine Pflichten als Verfahrenshilfeverteidiger erfüllen zu können.

Sein Antrag auf Umbestellung sei zu Unrecht abgewiesen worden.

Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des

angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass bei seiner

Bestellung zum Verfahrenshelfer die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt wurden. Insbesondere bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass er ein der betreffenden Rechtsanwaltskammer angehörender Rechtsanwalt ist (vgl. § 46 Abs. 1 RAO). Er wurde daher im Recht, nur bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen zum Verfahrenshilfeverteidiger bestellt zu werden, durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt.

Die für seine Enthebung als Verfahrenshilfeverteidiger bzw. Umbestellung (nämlich die AGmbH Mag. H T an seiner Stelle zu bestellen) vorgebrachten Argumente stellten keinen der im § 45 Abs. 4 RAO (taxativ) aufgeführten Umbestellungsgründe dar. Die begehrte Enthebung bzw. Umbestellung wurde daher zu Recht abgewiesen.

Im Recht auf Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bzw. als Rechtsanwalt einen Einzelunternehmerbetrieb betreiben zu müssen, wurde der Beschwerdeführer nicht verletzt, weil über die Ausübung der Rechtsanwaltschaft - sei es in Form einer Gesellschaft oder als Einzelunternehmen - mit dem angefochtenen Bescheid nicht abgesprochen wurde.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil es ausschließlich um die Lösung einer Rechtsfrage geht: Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom , Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2) und vom , Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände hat der EGMR angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen. Art. 6 EMRK steht dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung daher nicht entgegen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/06/0280, und vom , Zl. 2008/06/0238).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die zusätzlich verzeichnete Umsatzsteuer in den Pauschbeträgen der genannten Verordnung enthalten ist.

Wien, am