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VwGH vom 30.01.2020, Ra 2018/11/0016

VwGH vom 30.01.2020, Ra 2018/11/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der S GmbH in G, vertreten durch die Strasser Huber Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Heinrichstraße 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W178 2119946-1/2E, betreffend Feststellung nach dem Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Schiedskommission des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit der unter Punkt 2. des Feststellungsbegehrens vom angeführte, in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde um das Datum "" ergänzte Antrag der Revisionswerberin zurückgewiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Wie sich aus der unbedenklichen Aktenlage ergibt, betreibt die Revisionswerberin eine der in Anlage 1 des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetz (PRIKRAF-G), BGBl. I Nr. 165/2004, aufgezählten Krankenanstalten, die auf Geburtshilfe und Gynäkologie spezialisiert ist. Bis 2015 arbeitete sie mit einem Beleghebammensystem (Begleitung der werdenden Mutter durch eine ihr vertraute Wahlhebamme). Nach einem Beschluss der PRIKRAF-Fondskommission waren für die ab 2016 beanspruchte Fondsfinanzierung Qualitätsnachweise anhand von Checklisten zu erbringen, die auf den Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) abstellten. Aufgrund einer Aufforderung des PRIKRAF, die Einhaltung der ÖSG-Strukturqualitätskriterien zur Aufrechterhaltung der Finanzierung nachzuweisen, und zwar konkret auch betreffend die Anwesenheit einer Hebamme rund um die Uhr, stellte die Revisionswerberin ihr bestehendes System ab auf ein Versorgungssystem mit Anwesenheit einer Hebamme rund um die Uhr um. Mit Antrag vom begehrte die Revisionswerberin jedoch gleichzeitig, festzustellen, dass

"1. durch das Versorgungssystem bei der (Revisionswerberin) (dargelegt wie oben ...) zumindest gleichwertige Ergebnisse, im Vergleich zu jenen, die bei der wörtlichen Einhaltung der Qualitätskriterien des ÖSG zu erwarten sind, erzielt werden, sowie

2. die Anwesenheit einer Hebamme rund um die Uhr bei der (Revisionswerberin), bei Einhaltung des dargelegten alternativen Versorgungssystems, auch ab dem keine zwingende Voraussetzung für Leistungen des PRIKRAF an die (Revisionswerberin) bzw. die Finanzierung darstellt, und

3. die (Revisionswerberin) sämtliche Nachweise für eine Fonds-Finanzierung über den hinaus erbracht hat."

In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am wurde Punkt 3. des Antrags erweitert wie folgt:

"... erbracht hat und eine solche auch gewährleistet wird ohne dass das Kriterium der Hebamme rund um die Uhr im wörtlichen Sinn erfüllt wird",

und darüber hinaus beantragt festzustellen, dass

"die Anwesenheit einer Hebamme rund um die Uhr bei der (Revisionswerberin), bei Einhaltung des dargelegten alternativen Versorgungssystems, auch ab dem keine zwingende Voraussetzung für Leistungen des PRIKRAF an die (Revisionswerberin) bzw. die Finanzierung darstellt, und

die (Revisionswerberin) sämtliche Nachweise für eine Fondsfinanzierung über den hinaus erbracht hat". 1 Diese Anträge (die Feststellungsbegehren Pkt. 1. bis 3. in der Fassung, die sie durch die Antragsänderungen vom erhalten hatten) wurden mit Bescheid der belangten Behörde vom "abgewiesen". Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, die zu Punkt 1. beantragte Tatsachenfeststellung sei unzulässig und mit den weiteren Feststellungsanträgen entferne sich die Revisionswerberin vom außer Streit stehenden Sachverhalt. Für die Beurteilung eines hypothetischen Sachverhalts sei kein Rechtsschutzbedürfnis gegeben.

2 Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Begründend führte das Verwaltungsgericht - nach Wiedergabe der § 19 ff PRIKRAF-G, die das Schiedsverfahren über Streitigkeiten zwischen dem Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF) und den PRIKRAF-Krankenanstalten regeln - unter zahlreichen Hinweisen auf die hg. Judikatur im Wesentlichen aus, dass im Spruch eines Feststellungsbescheides nicht über die Anwendbarkeit von Gesetzesbestimmungen oder deren Auslegung oder über einzelne Tatbestandselemente "entschieden" werden könne, dass ein bloß wissenschaftliches, wirtschaftliches oder politisches Interesse die Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht rechtfertige, und dass ein Feststellungsbescheid unzulässig sei, wenn ein anderes gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Klärung der strittigen Rechtsfrage bestehe.

Die Anträge der Revisionswerberin bezögen sich auf die Auslegung der für die Auszahlung von Fondsmitteln erforderlichen Voraussetzungen, "konkret der Anwendung der Qualitätskriterien nach dem ÖSG entsprechend § 3 Abs. 3 GQG iVm § 6 PRIKRAF-G", womit die Revisionswerberin eine Entscheidung lediglich über ein einzelnes Tatbestandsmerkmal begehre. Überdies seien die Anträge auf ein wirtschaftliches Interesse gestützt und es stehe ein Verwaltungsverfahren zur Klärung der Ansprüche der Revisionswerberin offen. Im Lichte der dargestellten Judikatur sei daher das Feststellungsbegehren nicht zulässig.

3 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , E 2458/2016-10, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

4 Die Revisionswerberin erhob daraufhin die vorliegende außerordentliche Revision, zu der die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete.

5 Zu ihrer Zulässigkeit wird in der Revision im Wesentlichen vorgebracht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes weiche von der (näher angeführten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Das rechtliche Interesse an einem Feststellungsbescheid sei im gegenständlichen Fall gegeben, da der Feststellungsbescheid das einzig taugliche Mittel darstelle, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung der Revisionswerberin zu beseitigen, ohne die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens zu gefährden. Der Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes folgend wäre es einer privaten Krankenanstalt unmöglich, die Voraussetzungen für eine Fondsfinanzierung einer abschließenden rechtlichen Klärung zuzuführen, ohne gleichzeitig die eigene wirtschaftliche Existenz in Gefahr zu bringen. Vielmehr hätte eine private Krankenanstalt zunächst das Risiko einzugehen, ein für eine Fonds-Finanzierung nicht ausreichendes Versorgungssystem zu melden, wodurch "direkt absehbar" sei, dass eine Fondsfinanzierung bis zur rechtskräftigen Klärung nicht mehr erfolgen werde. Dies komme faktisch einer Vorenthaltung des gesetzlichen Richters gleich, und die bescheidmäßige Feststellung strittiger Rechte sei im gegenständlichen Fall notwendiges und faktisch einziges Mittel der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, weswegen ein Feststellungsinteresse im Sinne der (in der Revision zitierten) ständigen Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts jedenfalls bestehe.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die Revision ist aus den in ihr genannten Gründen zulässig.

Sie ist auch im Ergebnis begründet.

8 Gemäß § 3 Abs. 3 des Gesundheitsqualitätsgesetzes, BGBl. I Nr. 179/2004 idF BGBl. I Nr. 81/2013, setzt die Abgeltung von Leistungen durch (u.a.) den PRIKRAF voraus, dass insbesondere auch die in § 7 Abs. 3 und 4 des Bundesgesetzes zur partnerschaftlichen Zielsteuerung-Gesundheit (G-ZG) festgelegten essentiellen Qualitätsstandards eingehalten werden. Nach § 7 Abs. 4 G-ZG, BGBl. I Nr. 81/2013, werden im Bereich der Strukturqualität die Kriterien im ÖSG festgelegt. Punkt "2.4.6 Gynäkologie und Geburtshilfe (GGH)" des vorliegend relevanten ÖSG 2012 sieht als Strukturqualitätskriterium für gynäkologische und geburtshilfliche Einrichtungen, die nicht nur reduzierte Grundversorgung anbieten, die Anwesenheit mindestens einer Hebamme rund um die Uhr vor.

9 Das PRIKRAF-G, BGBl. I Nr. 165/2004 idF BGBl. I Nr. 81/2013,

lautet auszugsweise:

"1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Errichtung des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds

§ 1. (1) Zur Finanzierung aller Leistungen i.S. des § 149 Abs. 3 ASVG von bettenführenden privaten Krankenanstalten Österreichs wird ein Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet. Er führt die Bezeichnung "Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds - PRIKRAF" und wird im Folgenden als PRIKRAF bezeichnet. Der Sitz des PRIKRAF ist Wien.

(2) Soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt wird, umfasst der Begriff "PRIKRAF-Krankenanstalten" jene Krankenanstalten, die von der Regelung des § 149 Abs. 3 ASVG erfasst und in der Anlage 1 dieses Gesetzes aufgelistet sind.

...

Aufgaben des PRIKRAF

§ 2. (1) Der PRIKRAF hat insbesondere folgende Aufgaben:

1. Die Abgeltung aller Leistungen von PRIKRAF-Krankenanstalten im stationären und tagesklinischen Bereich einschließlich der aus dem medizinischen Fortschritt resultierenden Leistungen, für die eine Leistungspflicht der Krankenversicherungsträger besteht. Während der stationären Pflege werden alle intra- oder extramuralen Untersuchungen oder Behandlungen durch die Fondsverrechnung abgegolten.

2. Die Leistung von Pflegekostenzuschüssen an Versicherte gemäß § 150 Abs. 2.

3. Die Festlegung von Qualitätskriterien sowie die Mitwirkung an der Umsetzung und Kontrolle der Einhaltung von Qualitätsvorgaben und die Abstimmung mit der gesamtösterreichischen Gesundheitsplanung.

4. Sonstige Aufgaben, die dem PRIKRAF durch Gesetze und Verordnungen übertragen werden.

...

Abschnitt 4

Schiedsverfahren

Allgemeines

§ 19. (1) Zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen dem PRIKRAF und PRIKRAF-Krankenanstalten über die in diesem Gesetz begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten ist die am Sitz des PRIKRAF einzurichtende Schiedskommission zuständig.

(2) Die Schiedskommission entscheidet über einen schriftlichen Antrag des PRIKRAF oder einer PRIKRAF-Krankenanstalt mit Bescheid.

...

Verfahrensbestimmungen

§ 21. ...

(7) Gegen Entscheidungen der Schiedskommission kann Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden."

10 Vorauszuschicken ist, dass es sich bei dem Bescheid der belangten Behörde, dessen - vom Verwaltungsgericht bestätigter - Spruch auf Abweisung der Anträge lautet, angesichts der oben erwähnten Bescheidbegründung bei verständiger Würdigung nicht um eine Versagung der beantragten Feststellungen als unbegründet handelt, sondern um eine Zurückweisung der Feststellungsanträge als unzulässig.

11 Findet sich im Gesetz eine eigene Bestimmung, die als Grundlage für einen Feststellungsbescheid herangezogen werden kann, kommt es nicht darauf an, ob die durch die Feststellung zu klärende Frage auch in einem anderen, im Gesetz vorgesehenen Verfahren als Vorfrage geklärt werden könnte (vgl. etwa ).

12 Im Revisionsfall kommt als Bestimmung, die als Grundlage für einen Feststellungsbescheid herangezogen werden kann, von vornherein nur § 19 PRIKRAF-G in Betracht.

13 Der Verfassungsgerichtshof hat zur ähnlich textierten Bestimmung des § 345a Abs 2 Z 1 ASVG (nunmehr: § 345 Abs. 2 Z 1 ASVG) in seinem Erkenntnis vom , VfSlg. 18.943, im Zusammenhang mit einem Feststellungsantrag der Salzburger Gebietskrankenkasse zur Leistungsverrechnung Folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 345a Abs 2 Z 1 ASVG ist die Landesschiedskommission zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages über die Auslegung oder die Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrages zuständig. Gegen die Entscheidungen der Landesschiedskommission kann Berufung an die Bundesschiedskommission erhoben werden (§ 345a Abs 3 ASVG).

2. Das gesetzliche Erfordernis des Bestehens von 'Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages' als Zuständigkeitsvoraussetzung für die Entscheidung einer Frage der Auslegung des Gesamtvertrages soll offensichtlich rein theoretische Auslegungsfragen des Gesamtvertrages von einer Entscheidung durch die Landesschiedskommission, die diesfalls einer Gutachtertätigkeit gliche, fernhalten. Insoweit ähnelt die Zuständigkeit der Landesschiedskommission gemäß § 345a Abs 2 Z 1 ASVG jener der Gerichte zur Entscheidung im besonderen Feststellungsverfahren im Sinne des § 54 Abs 2 ASGG, jedoch mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Bedeutsamkeit der Frage für eine bestimmte Anzahl von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern hier das Bestehen einer Streitigkeit zwischen den Partnern des Gesamtvertrages tritt, die gleichsam die Bedeutsamkeit der Frage für (eines oder mehrere) Rechtsverhältnisse, die der Gesamtvertrag regelt, indiziert.

Die Entscheidung einer Auslegungsstreitigkeit über den Inhalt des Gesamtvertrages setzt demnach aber das Bestehen eines bestimmten Sachverhaltes voraus, dessen anhand des Gesamtvertrages vorzunehmende rechtliche Beurteilung zwischen den Parteien des Gesamtvertrages strittig ist, mit der Folge, dass diese Auffassungsdivergenz über die Auslegung des Gesamtvertrages zu einer 'Gefährdung der Rechtssphäre'(so zutreffend BSK SSV-NF 7/A2 mwH) der antragstellenden Partei führt. Der hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung strittige Sachverhalt, der Anlass zur Antragstellung gibt, ist daher vom antragstellenden Vertragspartner konkret darzulegen und bestimmt in der Folge den Verfahrensgegenstand.

Es kann hingegen nicht Aufgabe der Landesschiedskommission (ihr nachfolgend der Bundesschiedskommission) sein, auf Grund einer globalen, undifferenziert eine oder mehrere Bestimmungen des Gesamtvertrages betreffenden Fragestellung sich von Amts wegen alle möglichen, unter eine Bestimmung subsumierbaren Sachverhalte vorzustellen und die in jedem Einzelfall relevanten Fragestellungen von sich aus zu erarbeiten und zu lösen (ähnlich zu Feststellungsverfahren nach § 54 ASGG: (SZ 2006/49)). Die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Landesschiedskommission. Insoweit dient das Verfahren nach § 345a Abs 2 Z 1 ASVG zB mit Blick auf Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Vertragsärzten und Gebietskrankenkassen vor der paritätischen Schiedskommission und der Landesberufungskommission der Prävention und der Prozessökonomie."

14 Der Verfassungsgerichtshof geht somit davon aus, dass die gesetzlich vorgesehene Zuständigkeit der Landesschiedskommission zur "Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages über die Auslegung oder die Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrages" auch die Zuständigkeit zur Entscheidung von Feststellungsbegehren umfasst, soweit diese aufgrund eines konkret dargelegten Sachverhalts gestellt werden, dessen anhand des Gesamtvertrages vorzunehmende rechtliche Beurteilung zwischen den Parteien des Gesamtvertrages strittig ist, mit der Folge, dass diese Auffassungsdivergenz über die Auslegung des Gesamtvertrages zu einer Gefährdung der Rechtssphäre der antragstellenden Partei führt.

15 § 19 Abs. 1 PRIKRAF-G beruft die Schiedskommission zur "Entscheidung von Streitigkeiten zwischen dem PRIKRAF und PRIKRAF-Krankenanstalten über die in diesem Gesetz begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten". Was unter Streitigkeiten iSd.

§ 19 Abs. 1 PRIKRAF-G zu verstehen ist, lässt sich weder nach dem Wortlaut noch nach den - unergiebigen - Materialien zum PRIKRAF-G alleine beurteilen. Auch ein Rückgriff auf die Vorgängerbestimmung, § 15 Abs. 1 PRIKRAF-G, BGBl. I Nr. 42/2002, sowie die dazu vorliegenden Materialien (578/A 21. GP, AB 980 BlgNR 21. GP, 1) bietet für sich keine Anhaltspunkte dafür, was unter "Streitigkeiten" zu verstehen ist.

Ebenso wie in dem vom Verfassungsgerichtshof dargelegten System des § 345a ASVG ist auch im System der PRIKRAF-Finanzierung eine Klärung von Streitigkeiten, die auf Auffassungsunterschieden über die Auslegung einzelner Bestimmungen über Anspruchsvoraussetzungen beruhen, auf einem rechtsstaatlich einwandfreien Weg geboten. Deshalb ist - in Anlehnung an das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes - einer Auslegung dahin der Vorzug zu geben, dass eine "Streitigkeit" iSd. § 19 Abs. 1 PRIKRAF-G auch dann vorliegt, wenn anhand eines konkret dargelegten Sachverhalts derartige Auffassungsunterschiede im Rahmen eines Feststellungsbegehrens an die Schiedskommission herangetragen werden.

16 Für den Revisionsfall ergibt sich daraus Folgendes: Ob eine Zuständigkeit der Schiedskommission für Feststellungsanträge wie die gegenständlichen vorliegt, hängt davon ab, dass diese Anträge bestimmte inhaltliche Voraussetzungen erfüllen. Zunächst muss ein bestimmter Sachverhalt vorliegen, dessen rechtliche Beurteilung zwischen dem PRIKRAF und der PRIKRAF-Krankenanstalt strittig ist. Weiters muss der Auffassungsunterschied zwischen diesen Parteien durch die Unsicherheit über die Auslegung - hier: der Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen des PRIKRAF - so beschaffen sein, dass er im Falle seines Fortbestehens eine Gefährdung der Rechtssphäre der Antragstellerin auslöst. Deshalb ist schließlich der der Streitigkeit zugrunde liegende Sachverhalt von der Antragstellerin konkret darzulegen.

17 Diese Voraussetzungen sind im Revisionsfall vor dem Hintergrund des eingangs dargestellten und in der Revision konkret beschriebenen Sachverhalts durch den unter Punkt 2. des Feststellungsbegehrens angeführten, in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde ergänzten Antrag erfüllt. Darin wird begehrt festzustellen, dass "die Anwesenheit einer Hebamme rund um die Uhr bei Einhaltung des dargelegten alternativen

Versorgungssystems ... keine zwingende Voraussetzung für

Leistungen des PRIKRAF an die (Revisionswerberin) bzw. die Finanzierung darstellt". Mit diesem Feststellungsantrag soll die die Rechtsspähre der Revisionswerberin gefährdende Unsicherheit darüber beseitigt werden, ob das Recht der Revisionswerberin auf Fondsfinanzierung auch bei Umstellung auf ein Beleghebammensystem bestehen bleibt. Diesbezüglich liegt somit eine Zuständigkeit der Schiedskommission iSd. § 19 Abs. 1 PRIKRAF-G vor, über das Feststellungsbegehren in der Sache zu entscheiden.

18 Die unter Punkt 1. und 3. des Feststellungsbegehrens angeführten, in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde ebenfalls ergänzten Anträge sind jedoch zu wenig konkret, um die oben dargelegten Voraussetzungen zu erfüllen. Weder der Frage, ob durch ein Beleghebammensystem zumindest gleichwertige Ergebnisse im Vergleich zu jenen, die bei der wörtlichen Einhaltung der Qualitätskriterien des ÖSG zu erwarten sind, erzielt werden, noch der Frage, ob die Revisionswerberin sämtliche Nachweise für eine Fondsfinanzierung erbracht hat, liegt ein konkreter Streitfall iSd. § 19 PRIKRAF-G zugrunde.

19 Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit es sich auf den unter Punkt 2. des Feststellungsbegehrens angeführten und in der Verhandlung insoweit ergänzten Antrag bezieht, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 20 Soweit hingegen mit dem Erkenntnis die unter Punkt 1. und 3. des Feststellungsbegehrens angeführten, in der Verhandlung ebenfalls ergänzten Anträge zurückgewiesen wurden, war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. 21 Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff, insbesondere § 50 VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018110016.L00
Schlagworte:
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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