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VwGH vom 21.11.2019, Ra 2018/10/0192

VwGH vom 21.11.2019, Ra 2018/10/0192

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der Niederösterreichischen Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes

Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-583/001-2018, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mödling; mitbeteiligte Partei: J Z in M, vertreten durch Mag. Christian Puck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dorotheergasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom erkannte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich - in Abänderung eines abweisenden Bescheides der belangten Behörde vom - dem Mitbeteiligten für den Zeitraum vom 1. Mai bis jeweils monatlich festgelegte Leistungen der Mindestsicherung zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs zu.

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Interesse - zugrunde, der (unter anderem) an Suchtmittelabhängigkeit leidende Mitbeteiligte habe zuletzt bis etwa Ende April 2018 in einer Haushalts- und Wohngemeinschaft mit seiner Mutter und seinen vier Geschwistern gelebt. Da wegen näher beschriebener Erkrankungen des Mitbeteiligten ein weiteres Zusammenleben im selben Haushalt auf engem Raum nicht mehr möglich gewesen sei, habe die Mutter des Mitbeteiligten für diesen ein Appartement für die Monate Mai bis Juli 2018 angemietet, in dem der Mitbeteiligte zunächst bis zum (dem Beginn eines stationären Aufenthaltes in einer Krankenanstalt) allein gelebt habe; dafür seien "Mietkosten in der Höhe von EUR 880,-- monatlich zu bezahlen" gewesen. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus am habe der Mitbeteiligte bis zum wiederum allein in diesem Appartement gewohnt. "In diesen Zeiten des Wohnens im Appartement" sei er von seiner Mutter versorgt worden.

3 Da die "Versorgung des (Mitbeteiligten) durch seine Mutter in diesem Sinne vor allem in finanzieller Hinsicht nicht weiter machbar" gewesen sei, habe sich der Mitbeteiligte vom bis Ende August 2018 in einer bestimmten Notschlafstelle in St. Pölten aufgehalten. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Mitbeteiligte in diesem Zeitraum für Wohnkosten habe aufkommen müssen. Aufgrund näher beschriebener Verhaltensweisen und Schwierigkeiten des Mitbeteiligten sei dieser Ende August 2018 zunächst für kurze Zeit wieder bei der Mutter aufgenommen worden; daran hätten sich im Wesentlichen Krankenhausaufenthalte angeschlossen.

4 An Einkommen verfüge der Mitbeteiligte über EUR 97,30 monatlich aus Pflegegeld der Stufe 1 und monatlich EUR 169,-- aus Unterhaltszahlungen des Vaters. Die Mutter des Mitbeteiligten beziehe ein Einkommen in der Höhe von EUR 2.600,-- monatlich zuzüglich Sonderzahlungen; sie habe außer für den Mitbeteiligten auch für die übrigen vier Kinder zu sorgen. 5 Im Weiteren führte das Verwaltungsgericht (unter der Überschrift "5. Beweiswürdigung") aus, die Mutter des Mitbeteiligten habe "glaubwürdig dargelegt", dass sie in dieser Zeit (bis Juli 2018) nicht nur für die Mietkosten des angemieteten Appartements (in der Höhe von EUR 880,-- monatlich), sondern überhaupt für die gesamten Kosten des Lebensunterhaltes des Mitbeteiligten (mit Ausnahme dessen festgestellten Einkommens) aufkommen habe m��ssen.

6 Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung erkannte das Verwaltungsgericht dem Mitbeteiligten den "gesamten Mindeststandard zur Deckung des Wohnbedarfes" (im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 NÖ Mindeststandardverordnung idF LGBl. Nr. 104/2017) für den Zeitraum von Mai bis Juli 2018 zu.

7 Als im Leistungszeitraum auf den Mindestsicherungsanspruch des Mitbeteiligten anzurechnendes Einkommen berücksichtigte das Verwaltungsgericht einerseits die Unterhaltsleistung des Vaters (in der Höhe von EUR 169,-- monatlich) sowie andererseits den (fiktiven) Unterhaltsanspruch des Mitbeteiligten gegen dessen Mutter in der Höhe von EUR 425,--, welchen das Verwaltungsgericht unter Berufung auf Judikatur des OGH errechnete.

8 2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die auf § 34 NÖ Mindestsicherungsgesetz - NÖ MSG gestützte Revision der Niederösterreichischen Landesregierung.

9 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der er die Zurückweisung bzw. Abweisung der Revision beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

10 1. Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht sei sowohl bei der Beurteilung des Wohnbedarfes des Mitbeteiligten als auch hinsichtlich der Anrechenbarkeit von Einkommen gemäß § 6 Abs. 2 NÖ MSG von der hg. Rechtsprechung abgewichen. 11 So habe das Verwaltungsgericht dem Mitbeteiligten unrichtigerweise den gesamten Mindeststandard zur Deckung des Wohnbedarfs zugesprochen, obwohl dieser durch die Anmietung des Appartements durch die Mutter gedeckt gewesen sei. Außerdem habe das Verwaltungsgericht mit Blick auf das Einkommen des Mitbeteiligten im Sinn des § 6 Abs. 2 NÖ MSG zu Unrecht nur auf den "fiktiven" Unterhaltsanspruch des Mitbeteiligten gegenüber dessen Mutter, statt auf die von dieser tatsächlich geleisteten Unterhaltsleistungen und Zahlungen abgestellt.

12 2. Die Revision ist zulässig. Sie erweist sich auch als berechtigt.

13 2.1. Für den vorliegenden Revisionsfall sind die folgenden - im relevanten Zeitraum maßgebenden (vgl. etwa , mwN) - Bestimmungen des NÖ Mindestsicherungsgesetz es - NÖ MSG in den Blick zu nehmen:

"§ 2

Leistungsgrundsätze

(1) Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist Hilfe suchenden Personen nur soweit zu gewähren, als Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft besteht, die Hilfe suchende Person darüber hinaus bereit ist alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind die Notlage zu verbessern oder zu beenden und der jeweilige Bedarf nicht durch eigene Mittel oder durch Leistungen Dritter tatsächlich gedeckt wird (Subsidiaritätsprinzip).

(...)

§ 6

Einsatz der eigenen Mittel

(1) Die Bemessung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach dem 3. Abschnitt hat unter Berücksichtigung des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der Hilfe suchenden Person zu erfolgen.

(2) Als Einkommen gelten alle Einkünfte, die der Hilfe suchenden Person tatsächlich zufließen.

(...)

§ 8

Berücksichtigung von Leistungen Dritter

(1) Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind nur soweit zu erbringen, als der jeweilige Bedarf nicht durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt ist.

(...)

Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung

§ 9

Allgemeines

(1) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung umfasst folgende Leistungen:

  1. Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes,

  2. Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes,

  3. (...)"

  4. 14 2.2. Nach der hg. Rechtsprechung - auf welche die Revision zutreffend hinweist - ist zufolge des im NÖ MSG geltenden Grundsatzes der Subsidiarität die Bedarfsorientierte Mindestsicherung Hilfe suchenden Personen nur soweit zu gewähren, als Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft besteht und der jeweilige Bedarf nicht durch eigene Mittel oder durch Geld- oder Sachleistungen Dritter maßgeblich gedeckt wird (vgl. insbesondere § 2 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 NÖ MSG sowie etwa , oder = VwSlg. 19.175 A).

  5. 15 Unter den nach § 8 Abs. 1 NÖ MSG bei der Bemessung der Leistungen der Mindestsicherung in Anschlag zu bringenden Geld- oder Sachleistungen Dritter sind grundsätzlich alle Maßnahmen zu verstehen, durch die eine zumindest teilweise Deckung von Bedürfnissen im Rahmen der materiellen Existenzsicherung möglich ist. Der Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass Leistungen von dritter Seite - ungeachtet der Formulierung des § 2 Abs. 1 Z 1 der Verordnung der NÖ Landesregierung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln (Eigenmittelverordnung) - jedenfalls insoweit anzurechnen sind, als sie ein Ausmaß oder eine Dauer aufweisen, die eine Gewährung von Mindestsicherung ausschließen bzw. einschränken (, Punkt 3.1.).

  6. 16 Dies hat das Verwaltungsgericht allerdings verkannt, indem es - trotz des Umstandes, dass die Mutter des Mitbeteiligten die im Zeitraum von Mai bis Juli 2018 anfallenden Mietkosten getragen hat - dem Mitbeteiligten den Mindeststandard zur Deckung des Wohnbedarfes im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 NÖ Mindeststandardverordnu ng zuerkannt hat; das angefochtene Erkenntnis ist daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

  7. 17 2.3. Auch das weitere Vorbringen der Revisionswerberin gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Berücksichtigung (lediglich) des "fiktiven" Unterhaltsanspruchs des Mitbeteiligten gegen dessen Mutter als Leistung Dritter erweist sich als zutreffend, weil das NÖ MSG bei der Beurteilung der durch Leistungen der Mindestsicherung abzudeckenden Bedarfe auf die dem Hilfe Suchenden (u.a.) von dritter Seite tatsächlich zufließenden Leistungen abstellt (vgl. § 6 Abs. 1 und 2 sowie § 8 Abs. 1 NÖ MSG sowie etwa wiederum VwGH Ra 2015/10/0030).

  8. 18 Indem das Verwaltungsgericht demgegenüber zur Frage allfälliger Geld- oder Sachleistungen der Mutter des Mitbeteiligten lediglich auf deren (zivilrechtliche) Unterhaltspflicht und nicht auf die von dieser tatsächlich erbrachten Leistungen abgestellt hat, hat es das Gesetz wiederum verkannt.

  9. 19 3. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

  10. Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018100192.L00
Schlagworte:
Besondere Rechtsgebiete

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