VwGH vom 23.11.2010, 2008/11/0065
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des M W in V, vertreten durch Dr. Michael Goller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Edith-Stein-Weg 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 260230/2- III/7/07, betreffend Aufhebung eines Bescheides iA. Feststellung von vermögensrechtlichen Ansprüchen eines Zivildieners (mitbeteiligte Partei: Österreichisches Rotes Kreuz, Landesverband Tirol, in 6020 Innsbruck, Sillufer 3a), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Zuweisungsbescheid der Zivildienstverwaltungsges.m.b.H. vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 und 2, erster Satz, sowie § 9 Abs. 1 ZDG einer Einrichtung der mitbeteiligten Partei in Innsbruck zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zugewiesen. In der Folge leistete der Beschwerdeführer dort im Zeitraum vom 3. Feber 2003 bis seinen ordentlichen Zivildienst.
Im Akt erliegt ferner ein an den Beschwerdeführer gerichteter Bescheid der Zivildienstverwaltungsges.m.b.H vom , mit welchem ihm gegenüber ausgesprochen wird, dass das Verfahren über die Anträge des Beschwerdeführers auf Feststellung der Angemessenheit der Verpflegung nach § 28 ZDG, auf Gewährung einer Aushilfe gemäß § 28a ZDG und auf Verpflichtung "der Zivildiensteinrichtigung zur Auszahlung des Differenzbetrages zwischen angemessenem und tatsächlich ausbezahltem Verpflegsgeld" gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in einem näher genannten Verfahren ausgesetzt werde.
Mit Schreiben vom machte der Beschwerdeführer erneut geltend, dass ihm ein zu geringer Betrag an Verpflegungsgeld ausbezahlt worden sei und der ihm zustehende Betrag festgesetzt werden möge.
Mit Bescheid vom sprach die Zivildienstserviceagentur als Behörde erster Instanz - unter anderem - Folgendes aus:
"Über den in der Zivildienstserviceagentur am eingelangten Antrag gemäß § 1 Abs. 3 des Zivildienstgesetz-
Übergangsrechtes 2006 ... ergeht ... folgender
Spruch
1) Es wird gemäß § 1 Abs. 3 des Zivildienstgesetz-Übergangsrechtes 2006, BGBl. I Nr. 40/2006, festgestellt, dass die Höhe der vermögensrechtlichen Ansprüche des Antragstellers gegen den Rechtsträger EUR 1.966,92 beträgt.
..."
Mit dem angefochtenen Bescheid vom sprach die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers Folgendes aus:
"Aufgrund der Berufung des (Beschwerdeführers) ... gegen den
Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom ... ergeht folgender
Spruch:
Der Bescheid wird gemäß § 66 Absatz 4 des (AVG) und § 1 Absatz 3 des Zivildienstgesetz-Übergangsrechtes 2006 ersatzlos aufgehoben."
In der Begründung des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde darauf, dass mit dem - oben erwähnten - Bescheid der Zivildienstverwaltungsges.m.b.H. "im Jahr 2004" (gemeint "vom ") das Verfahren ausgesetzt worden sei und somit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zivildienstgesetz-Übergangsrechts 2006 noch anhängig gewesen sei. Gemäß § 3 leg.cit. gelte ein solches Verfahren als fristgerecht geltend gemachter Anspruch im Sinne des § 1 leg.cit. Die diesen Verfahren zu Grunde liegenden Unterlagen seien von den verfahrensführenden Stellen den jeweiligen Rechtsträgern zu übermitteln. Die Zivildienstserviceagentur habe diese Unterlagen am an den Rechtsträger weitergeleitet, wo sie am eingelangt seien. Die Weiterleitung sei in die Liste auf der Homepage der Zivildienstserviceagentur mit Datum aufgenommen worden. Der vom Beschwerdeführer nach seinen Angaben am beim Rechtsträger eingebrachte Antrag auf Nachzahlung des ihm zustehenden Verpflegungsgeldes sei deshalb nicht als Erstantrag im Sinne des Zivildienstgesetz-Übergangsrechts 2006 zu werten. Der Beschwerdeführer hätte den Antrag auf bescheidmäßige Feststellung seiner Ansprüche gemäß § 1 Abs. 3 leg. cit. binnen vier Wochen nach Ablauf der Frist nach § 1 Abs. 2 leg. cit. () stellen müssen, somit bis zum . Im Hinblick auf den erst am gestellten Antrag hätte die erstinstanzliche Behörde somit den Antrag infolge Fehlens der gemäß § 1 Abs. 3 leg. cit. erforderlichen Voraussetzungen als "verspätet" zurückweisen müssen und habe zu Unrecht eine Sachentscheidung getroffen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet. Der Beschwerdeführer hat sich in einem weiteren Schriftsatz dazu geäußert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Von folgender Rechtslage ist auszugehen:
Die maßgebenden Bestimmungen des Zivildienstgesetzes, BGBl. Nr. 679/1986, in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2006, lauten (auszugsweise) wie folgt:
"§ 27. (1) Der Rechtsträger der Einrichtung hat für die Unterbringung des Zivildienstleistenden zu sorgen,
1. wenn für die täglichen Fahrten des Zivildienstleistenden die fahrplanmäßige Fahrzeit eines Massenbeförderungsmittels für die Strecke von dem seiner Wohnung nächstgelegenen für die Fahrt in Betracht kommenden Bahnhof zum Dienstort und zurück zusammen mehr als zwei Stunden beträgt - bei mehreren Wohnsitzen des
Zivildienstleistenden ... ist zur Bestimmung der Wegstrecke die
jeweils nächstgelegene Wohnung heranzuziehen - oder
2. wenn es die Art der Dienstleistung oder die des Einsatzes erfordert, zB. bei Einsätzen nach § 8a und § 21 Abs. 1.
(2) Dauern die täglichen Fahrten des Zivildienstleistenden nach Abs. 1 Z 1 nicht mehr als zwei Stunden, so hat der Zivildienstleistende die eigene Wohnung zu benützen. In diesem Falle gebührt ihm eine Fahrtkostenvergütung nach § 31 Abs. 1 Z 7.
§ 28. (1) Die Rechtsträger der Einrichtungen haben dafür Sorge zu tragen, dass die Zivildienstleistenden angemessen verpflegt werden, sie die für die Leistung des Zivildienstes erforderliche Ausbildung, Bekleidung samt deren Reinigung erhalten, die Beiträge für Kranken- und Unfallversicherung im Umfang der nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, vorgesehenen Leistungen entrichtet werden und ihnen die Pauschalvergütung gemäß § 25a geleistet wird.
(2) Die Rechtsträger der Einrichtungen haben dem Bund eine monatliche Vergütung von 150 Euro je Zivildienstleistendem zu leisten.
(3) Rechtsträger von Einrichtungen, die Dienstleistungen im Rettungswesen, in der Katastrophenhilfe, in der Sozial- und Behindertenhilfe, in der Altenbetreuung, in der Krankenbetreuung, in der Betreuung von Drogenabhängigen, Vertriebenen, Asylwerbern und Flüchtlingen sowie von Menschen in Schubhaft erbringen, sind von der Vergütungsleistung nach Abs. 2 ausgenommen, es sei denn, es handelt sich um eine Einrichtung einer Gebietskörperschaft oder eines Rechtsträgers, den eine Gebietskörperschaft durch finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen beherrscht. Als solche Beherrschung gilt nicht, wenn der Rechtsträger die Dienstleistung - ohne sonst an die Gebietskörperschaft gebunden zu sein - für diese auf Grund eines Vertrages erbringt ...
§ 31. (1) Dem Zivildienstpflichtigen sind die notwendigen Fahrtkosten für folgende Reisen zu ersetzen:
1. Bei Antritt des Zivildienstes die Anreise von der Wohnung oder Arbeitsstelle des Zivildienstpflichtigen im Inland, sofern aber diese im Ausland gelegen sind, von der Staatsgrenze zur Einrichtung (Dienstverrichtungsstelle), ...
6. die täglichen Fahrten zwischen der Unterkunft (Wohnung) im Dienstort und der Einrichtung (Dienstverrichtungsstelle),
...
7. die täglichen Fahrten nach § 27 Abs. 2,
..."
Der Art. 2 des am kundgemachten Bundesgesetzes, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden und das Zivildienst-Übergangsrecht 2006 erlassen wird, BGBl. I Nr. 40/2006 (Zivildienst-Übergangsrecht 2006), hat folgenden Wortlaut:
"Artikel 2
Zivildienstgesetz-Übergangsrecht 2006
§ 1. (1) Vermögensrechtliche Ansprüche, die auf Grund des § 28 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG), BGBl. Nr. 679, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 106/2005, vor In-Kraft-Treten der Verpflegungsverordung, BGBl. II Nr. 43/2006, entstanden sind, sind bis zum Ablauf von sechs Monaten nach In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes vom Anspruchsberechtigten in nachvollziehbarer Weise beim jeweiligen Rechtsträger bei sonstiger Verjährung geltend zu machen.
(2) Der Rechtsträger hat Ansprüche nach Abs. 1 unter Heranziehung der in der Verpflegungsverordnung festgelegten Grundsätze bis zu einem Höchstbetrag von EUR 13,60 pro Tag binnen drei Monaten ab Geltendmachung abzugelten.
(3) Besteht zwischen dem Anspruchsberechtigten und dem Rechtsträger keine Übereinstimmung über die Höhe der nach Abs. 2 abzugeltenden Ansprüche, hat der Rechtsträger auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Kommt eine solche nicht zu Stande und nimmt der Rechtsträger eine Abgeltung nicht vor, stellt die Zivildienstserviceagentur auf Antrag des Anspruchsberechtigten die Höhe fest. Ein solcher Antrag ist bis zu vier Wochen nach Ablauf der Frist nach Abs. 2 zu stellen. Dem Rechtsträger kommt in diesem Verfahren Parteistellung im Sinne des § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004, zu. Im Falle einer rechtskräftigen Feststellung hat der Rechtsträger die festgestellten Ansprüche binnen sechs Wochen abzugelten.
§ 2. Die Zivildienstserviceagentur ersetzt Rechtsträgern, die Ansprüche gemäß § 1 abgegolten haben, den nach den Grundsätzen der Verpflegungsverordnung berechneten und geleisteten Betrag bis zu einer Höhe von höchstens EUR 4,20 pro Tag und Anspruchsberechtigten, wenn sie diesen innerhalb von weiteren drei Monaten nach der Auszahlung bei sonstiger Verjährung geltend gemacht haben. Dies gilt nicht für Rechtsträger, bei denen es sich um eine Einrichtung einer Gebietskörperschaft oder eines Rechtsträgers, den eine Gebietskörperschaft durch finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen beherrscht, handelt. § 28 Abs. 3 letzter Satz ZDG gilt. Der Rechtsträger hat der Zivildienstserviceagentur alle im Zusammenhang mit der Abgeltung stehenden Unterlagen vorzulegen.
§ 3. Zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren auf Feststellung der Angemessenheit der Verpflegung oder auf Gewährung von Geldaushilfe gelten als fristgerecht geltend gemachte Ansprüche im Sinne des § 1. Die diesen Verfahren zu Grunde liegenden Unterlagen sind von den verfahrensführenden Stellen den jeweiligen Rechtsträgern zu übermitteln. Mit dieser Übermittlung gelten die Verfahren als eingestellt."
Der Beschwerdeführer bestreitet, dass sein Antrag verspätet gewesen sei und bringt insbesondere vor, weder aus einer schriftlichen Bestätigung der mitbeteiligten Partei noch sonst aus einer an ihn übermittelten Anlage sei von der Weiterleitung irgendwelcher Unterlagen durch die Zivildienstserviceagentur an die mitbeteiligte Partei die Rede gewesen. Ihm sei lediglich ein Bestätigungsschreiben des Rechtsträgers vom übermittelt worden, in dem dieser den fristgerechten Eingang des Antrages des Beschwerdeführers am 7. September sowie den Beginn des Fristenlaufes "im Sinne des § 1 Abs. 1 ZDÜ" zusichere, sodass der Beschwerdeführer seine Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht habe. Im Hinblick auf das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zivildienstgesetz-Übergangsrechts 2006 anhängige Verfahren sei eine Verjährung im Sinne des § 1 leg.cit. ausgeschlossen.
Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, dass das Verfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zivildienstgesetz-Übergangsrechts 2006 bereits anhängig gewesen sei (das diesbezügliche Anspruchschreiben des Beschwerdeführers befindet sich nicht im Verwaltungsakt) und dass als fristauslösender Umstand im Sinne des § 1 Abs. 2 des Zivildienstgesetz-Übergangsrechts 2006 die Übermittlung der "Unterlagen" an den Rechtsträger (die mitbeteiligte Partei) durch die Zivildienstserviceagentur anzusehen sei.
Damit gleicht dieser Beschwerdefall jedoch in den maßgebenden Fragen jenem, welcher bereits mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/11/0271, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, entschieden wurde.
Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, der Antrag des Beschwerdeführers vom sei verspätet, war daher verfehlt.
Der angefochtene Bescheid ist jedoch noch aus einem weiteren Grund rechtswidrig:
Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird der erstinstanzliche Bescheid "ersatzlos aufgehoben" und als Rechtsgrundlage insbesondere auch § 66 Abs. 4 AVG angeführt. Nach dieser Bestimmung hat die Berufungsbehörde außer in dem in § 66 Abs. 2 AVG genannten Fall - dieser ist hier nicht gegeben -, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den erstinstanzlichen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Daraus folgt, dass die Berufungsbehörde, wenn der meritorischen Entscheidung der Vorinstanz - wie hier - ein Antrag der Partei zugrunde lag, über diesen Antrag - gegebenenfalls auch durch dessen Zurückweisung - abzusprechen hat (vgl. zur näheren Begründung sowie hinsichtlich der weiteren Nachweise etwa auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0045, sowie auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/11/0277).
Die belangte Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die bereits im Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand enthaltene Umsatzsteuer.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-77794