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VwGH vom 21.03.2013, 2012/23/0033

VwGH vom 21.03.2013, 2012/23/0033

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Robl, Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 18/1/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/464.445/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.128,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Die belangte Behörde stellte in ihrer Begründung dazu v. a. auf eine im angefochtenen Bescheid näher beschriebene Verurteilung des Beschwerdeführers vom nach dem Suchtmittelgesetz (Tatzeitraum ab September 2007) ab.

Nach Wiedergabe des - wegen der am in Wien geschlossenen und nach wie vor aufrechten Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin gemäß § 87 FPG hier anzuwendenden - § 86 Abs. 1 FPG führte die belangte Behörde rechtlich aus, dass aufgrund der Verurteilung der als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehende Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei. Angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers lägen "(auch) die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 FPG" vor.

Die belangte Behörde ging des Weiteren von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff (bloß) in das Privatleben des Beschwerdeführers aus, den sie jedoch mit näherer Begründung als im Grunde des § 66 FPG für zulässig erachtete.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Jänner 2010) geltende Fassung.

Der Beschwerdeführer wendet sich der Sache nach gegen die Gefährdungsprognose und auch gegen den dafür herangezogenen Maßstab. Er verweist in diesem Zusammenhang dafür auf seine Ehe mit einer Österreicherin und auf seinen langen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Beschwerde ist damit im Ergebnis im Recht.

Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer Österreicherin, die ihr Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen hat, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Bei einer ununterbrochenen Aufenthaltsdauer von zehn Jahren vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots jedenfalls (nur dann) zulässig, wenn - im Sinn des fünften Satzes dieser Bestimmung - aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

In diesem Zusammenhang hätte die belangte Behörde im Hinblick auf das bereits in der Berufung erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers, er befinde sich seit 1996 durchgehend im Bundesgebiet, zunächst konkrete Feststellungen zur Dauer des tatsächlichen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Inland zu treffen gehabt. Dies wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil danach nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG erfüllt sein könnten. Die belangte Behörde hätte in diesem Fall die Erlassung des Aufenthaltsverbots an diesem Maßstab - und nicht an dem auf einen wesentlich niedrigeren Gefährdungsmaßstab abstellenden § 60 Abs. 1 FPG - zu prüfen gehabt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0519; siehe auch das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0301).

Da die belangte Behörde dies in Verkennung der Rechtslage nicht beachtete, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war somit schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des ziffernmäßig Begehrten - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
GAAAE-77787