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VwGH vom 26.09.2019, Ra 2018/10/0104

VwGH vom 26.09.2019, Ra 2018/10/0104

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer, Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der Salzburger Landesregierung, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom , Zlen. 405-9/465/1/13-2018, 405-9/473/1/13-2018 und 405-9/497/1/10-2018, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Salzburg; mitbeteiligte Partei: R H in S),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Spruchpunktes I.3. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Mit Spruchpunkt I.3. des angefochtenen Erkenntnisses vom wurden dem Mitbeteiligten - im Beschwerdeverfahren - für den Bedarfsmonat Jänner 2018 gemäß § 5, 6, 9 und 10 Salzburger Mindestsicherungsgesetz (Sbg. MSG) Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Höhe von EUR 68,04 zuerkannt.

2 Die weiteren Spruchpunkte I.1 und I.2. betreffen Anträge des Mitbeteiligten auf Gewährung von Mindestsicherungsleistungen für die Monate Oktober bis Dezember 2017.

3 Die Revision gegen diese Entscheidung wurde nicht zugelassen (Spruchpunkt II.).

4 Soweit für das Revisionsverfahren von Interesse führte das Verwaltungsgericht - anders als die belangte Behörde in ihrem vor dem Verwaltungsgericht bekämpften, den Gegenstand des Spruchpunktes I.3. des angefochtenen Erkenntnisses bildenden Bescheid vom - begründend aus, dass eine dem Mitbeteiligten von seinem Bruder im Jänner 2018 gewährte "Unterstützungszahlung" nach der am in Kraft getretenen Neufassung des § 5 Abs. 3 Sbg. MSG (gemeint: § 5 Abs. 1 Sbg. MSG; vgl. LGBl. Nr. 124/2017) nicht bei der Berechnung der diesem zustehenden Mindestsicherungsleistungen zu berücksichtigen sei.

5 Die Leistungen des Bruders seien nämlich nicht regelmäßig erfolgt (vgl. § 5 Abs. 1 Z 2 Sbg. MSG). Eine Anrechnung der Unterstützungszahlung sei jedoch auch nicht unter dem Aspekt des § 5 Abs. 1 Z 3 Sbg. MSG geboten. Nach der nunmehrigen Gesetzessystematik sollten "einmalige freiwillige Leistungen Dritter offenbar nur in der Konstellation Berücksichtigung finden, dass sie ein Ausmaß, also eine Höhe, erreichen, dass Leistungen nach dem MSG überhaupt nicht mehr erforderlich sind". Die einmalige freiwillige Zuwendung müsste sohin zumindest die Höhe des jeweiligen Mindeststandards erreichen, um nach § 5 Abs. 1 Z 3 Sbg. MSG (überhaupt) Berücksichtigung zu finden. Dies sei bei der Einmalzahlung im Jänner 2018 in der Höhe von EUR 300,-- nicht der Fall, sodass sich eine Anrechnung nach der Neufassung des § 5 Sbg. MSG verbiete.

6 2. Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Salzburger Landesregierung gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG iVm § 16 Salzburger Landesverwaltungsgerichtsgesetz. 7 Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 1. § 5 Abs. 1 Sbg. MSG, LGBl. Nr. 63/2010 in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 124/2017, hatte folgenden Wortlaut:

"Berücksichtigung von Leistungen Dritter§ 5

(1) Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind nur soweit zu erbringen, als der Bedarf der Hilfe suchenden Personen für den Lebensunterhalt, den Wohnbedarf und den Bedarf bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt ist. Dabei haben freiwillige Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen, die von Dritten ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, außer Betracht zu bleiben, es sei denn, sie sind nach Abs 2 anzurechnen oder erreichen ein Ausmaß oder eine Dauer, dass keine Leistungen nach diesem Gesetz mehr erforderlich sind."

9 Die im vorliegenden Fall in den Blick zu nehmenden Bestimmungen des Sbg. MSG, LGBl. Nr. 63/2010 in der zeitraumbezogen maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 124/2017, lauten auszugsweise:

"Grundsätze

§ 2

(...)

(2) Die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind subsidiär. Soweit im Folgenden nicht Anderes bestimmt ist, sind die Leistungen vom Fehlen einer ausreichenden Deckung des jeweiligen Bedarfs durch eigenes Einkommen oder Vermögen oder durch Leistungen Dritter einschließlich des Bundes oder anderer Staaten sowie von der Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft abhängig.

(...)

Berücksichtigung von Leistungen Dritter

§ 5

(1) Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind nur soweit zu erbringen, als der Bedarf der Hilfe suchenden Personen für den Lebensunterhalt, den Wohnbedarf und den Bedarf bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt ist. Dabei haben freiwillige Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen, die von Dritten ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, außer Betracht zu bleiben; dies gilt nicht für Leistungen, die

  1. nach Abs 2 anzurechnen sind,

  2. regelmäßig erbracht werden, sodass nur reduzierte Leistungen nach diesem Gesetz erforderlich sind, oder

  3. 3.ein Ausmaß erreichen, das keine Leistungen nach diesem Gesetz erforderlich macht.

  4. (...)"

  5. 10 2. Die Revision wendet sich (bereits) in ihren Zulässigkeitsausführungen gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, der zufolge eine einmalige Leistung Dritter die Höhe des jeweiligen Mindeststandards erreichen müsse, um gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 Sbg. MSG bei der Berechnung von Mindestsicherungsleistungen berücksichtigt zu werden. 11 3. Die Revision ist zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.

  6. 12 3.1. Die § 2 Abs. 2 und 5 Abs. 1 erster Satz Sbg. MSG bringen zum Ausdruck, dass Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nur subsidiär zu erbringen sind, wenn der jeweilige Bedarf nicht (u.a.) durch Leistungen Dritter gedeckt wird. Maßgeblich ist demnach, dass der Bedarf - wie im Revisionsfall - tatsächlich gedeckt wird. Darauf, ob Dritte diesen Aufwand aus jederzeit abänderbaren Gründen tragen, kommt es - unter dem allein maßgeblichen Gesichtspunkt des tatsächlich dem Hilfesuchenden erwachsenden Aufwandes - nicht an (vgl. etwa , mwN).

  7. 13 Zu § 5 Abs. 1 zweiter Satz Sbg. MSG in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 124/2017 hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung mit Blick auf den Grundsatz des § 2 Abs. 2 leg. cit. auszulegen ist, durch den der Nachrang der Mindestsicherung zum Ausdruck gebracht wird. Nach der somit gebotenen systematischen Auslegung stellt § 5 Abs. 1 leg. cit. auf sämtliche Zuwendungen von dritter Seite ab; diese sind jedenfalls insoweit anzurechnen, als sie Ausmaß oder Dauer aufweisen, die eine Gewährung von Mindestsicherung ausschließen bzw. einschränken (vgl. , mwN).

  8. 14 3.2. Nichts anderes gilt für die hier relevante Fassung des zweiten Satzes des § 5 Abs. 1 Sbg. MSG:

  9. 15 Den Materialien zur Novelle LGBl. Nr. 124/2017 (123 BlgLT 15. GP, S. 6) zufolge sollte § 5 Abs. 1 Sbg. MSG durch diese eine "Spezifizierung" erfahren. Dementsprechend wurde - "auf Grund der im Rahmen der Vollziehung des § 5 Abs 1 aufgetretenen Unklarheiten" - der bisher verwendete Begriff der "Dauer" (der von Dritten gewährten Leistungen) durch jenen der "Regelmäßigkeit" ersetzt und letzterer in den Materialien näher erläutert (vgl. die nunmehrige Z 2 leg. cit.). Die für den vorliegenden Fall entscheidende, nunmehr in Z 3 leg. cit. enthaltene Bestimmung betreffend das "Ausmaß" der von Dritten gewährten Leistungen entspricht in diesem Umfang inhaltlich unverändert der bisherigen Norm des § 5 Abs. 1 zweiter Satz Sbg. MSG in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 124/2017.

  10. 16 Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtes hat die in Rede stehende Novelle somit keine inhaltlichen Änderungen der genannten Bestimmungen gebracht, sondern sich - wie den oben zitierten Materialien eindeutig zu entnehmen ist - lediglich auf eine Klarstellung der bereits bis dahin geltenden Rechtslage beschränkt. § 5 Abs. 1 zweiter Satz Sbg. MSG ist somit auch in der hier maßgeblichen Fassung vor dem Hintergrund des in § 2 Abs. 2 und 5 Abs. 1 erster Satz Sbg. MSG verankerten Subsidiaritätsprinzips auszulegen und stellt demgemäß auf sämtliche Zuwendungen von dritter Seite ab; diese sind nach dem hier maßgeblichen § 5 Abs. 1 Z 3 Sbg. MSG jedenfalls insoweit anzurechnen, als sie ein Ausmaß aufweisen, das eine Gewährung von Mindestsicherung ausschließt bzw. einschränkt (vgl. dazu nochmals VwGH 2013/10/0181 sowie darauf verweisend VwGH Ro 2018/10/0007). 17 3.3. Nach dem Gesagten erweist sich die gegenständlich dem Mitbeteiligten gewährte "Unterstützungszahlung" in der Höhe von EUR 300,-- als eine Geldleistung, die bei der Zuerkennung Bedarfsorientierter Mindestsicherung jedenfalls zu berücksichtigen ist.

  11. 18 4. Aus diesem Grund war Spruchpunkt I.3. des angefochtenen Erkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

  12. 19 Hinsichtlich der weiteren - von Spruchpunkt I.3. trennbaren - Spruchpunkte I.1. und I.2. wirft die Revision, obgleich sie sich "vollumfänglich und vollinhaltlich" gegen das angefochtene Erkenntnis richtet, keine Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Die Revision war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

  13. Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018100104.L00
Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete

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