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VwGH vom 24.04.2012, 2008/11/0046

VwGH vom 24.04.2012, 2008/11/0046

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl, Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der AK in S, vertreten durch die Sachwalterin EK, diese vertreten durch Dr. Otto Hauck, Rechtsanwalt in 4560 Kirchdorf/Krems, Dietlstraße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-521756/19/Br/Ps, betreffend Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom wurde der Beschwerdeführerin das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen bis zur behördlichen Feststellung der gesundheitlichen Eignung der Beschwerdeführerin verboten. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, ihren Mopedausweis unverzüglich bei der Behörde abzuliefern. Einer allfällig gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

In der Begründung führte die Erstbehörde aus, nach dem amtsärztlichen Gutachten vom bestehe bei der Beschwerdeführerin eine Trisomie 21, die Beschwerdeführerin sei zum Lenken der im Spruch genannten Kraftfahrzeuge gesundheitlich nicht geeignet. Das Reaktionsvermögen der Beschwerdeführerin erscheine deutlich verlangsamt, Fragen müssten mehrfach gestellt bzw. "nacherklärt" werden, Aufträge würden erst nach mehrfacher Aufforderung befolgt. Die Beschwerdeführerin sei auf Grund der durchgeführten Untersuchung den Anforderungen des Straßenverkehrs nicht gewachsen (mangelnde intellektuelle Fähigkeiten, mangelndes Reaktionsvermögen, mangelnde Überblicksgewinnung). Auch das Sehvermögen der Beschwerdeführerin erscheine nicht ausreichend.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid ab. In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst die Berufung der Beschwerdeführerin wieder. Diese habe (zusammengefasst) vorgebracht, dass sie seit dem Kauf eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges im Mai 2007 bereits 1.700 km in Begleitung ihrer Mutter zurückgelegt habe und bis zum Kontrollfahrten mit der Fahrschule G. im Ausmaß von mindestens 10 Stunden durchgeführt habe. Durch die Übung im Rahmen der Fahrstunden steige auch ihre Fähigkeit, die durch die Behinderung vorhandenen Schwächen durch umsichtiges und defensives Fahren zu kompensieren. Die Führerscheinbehörde hätte sich daher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob zumindest ein eingeschränktes Lenken der genannten Kraftfahrzeuge - entweder räumlich oder mit Begleitperson - möglich sei. Erst durch das Lenken eines Leichtkraftfahrzeuges könne die Beschwerdeführerin trotz ihres "Down-Syndroms" ihr eigenes Leben in die Hand nehmen, dazu einerseits einfache Arbeiten bei einem näher genannten Arbeitgeber verrichten und andererseits zur Wohnstätte für betreutes Wohnen gelangen. Die Führerscheinbehörde hätte daher die Erteilung von Auflagen bzw. Beschränkungen prüfen müssen und im Hinblick auf die Fahrpraxis der Beschwerdeführerin (zu deren Beweis sie auch ein Fahrtenbuch vorgelegt habe) eine Beobachtungsfahrt mit einem Leichtkraftfahrzeug durchführen müssen.

Auf Grund dieses Berufungsvorbringens, so die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides, habe die belangte Behörde eine Berufungsverhandlung durchgeführt, die Amtsärztin als Sachverständige gehört und einen technischen Sachverständigen beigezogen, der mit der Beschwerdeführerin eine ca. 50 Minuten dauernde Beobachtungsfahrt durchgeführt habe. Die Beobachtungsfahrt wurde außerdem durch die Sachwalterin (Mutter) der Beschwerdeführerin, deren Rechtsvertreter sowie durch den Verhandlungsleiter augenscheinlich nachvollzogen, indem sie dem Fahrzeug der Beschwerdeführerin nachgefahren seien.

Als entscheidungsrelevanten Sachverhalt stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführerin sei nach Absolvierung der Schulung nach § 31 Abs. 1 Z. 2 FSG von der Fahrschule G. am ein Mopedausweis ausgestellt worden. Laut Aktenvermerk vom habe die Beschwerdeführerin zusätzlich sechs Fahrlektionen absolviert. Mit Aufforderungsbescheid vom sei die Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihre gesundheitliche Eignung zum Lenken der genannten Fahrzeuge zur Amtsärztin vorgeladen worden. Im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung sei unter Hinweis auf die bestehende Trisomie 21 eine deutliche Verlangsamung festgestellt worden, dies im Hinblick auf die Erfassung von Fragen und die Ausführung von Aufgabenstellungen. Die Amtsärztin sei zur gutachterlichen Schlussfolgerung gelangt, dass dieser Mangel die Beschwerdeführerin für die im Straßenverkehr erforderliche Überblicksgewinnung und Reaktionsfähigkeit nicht gewachsen erscheinen lasse. Im Übrigen habe die Sachverständige auch weitere Untersuchungen zur Feststellung der erforderlichen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit (u.a. Stellungnahme eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie und eine verkehrspsychologische Untersuchung) für notwendig erachtet.

Nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides habe die Beschwerdeführerin eine fachärztliche Stellungnahme des DDr. K., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom beigebracht. Dieser habe unter der Bedingung der Beibringung einer befürwortenden verkehrspsychologischen Stellungnahme und der positiven Absolvierung einer Testfahrt aus nervenfachärztlicher Sicht die Auffassung vertreten, dass keine Einwände gegen die Erteilung einer Lenkberechtigung bestehen würden. Auch in dieser Stellungnahme sei auf die bestehende Intelligenzminderung und eine psychomotorische Verlangsamung hingewiesen worden, wobei laut Gutachter die Fahrlizenz auf den regionalen Bereich beschränkt bleiben solle.

In der Verhandlung habe die Sachwalterin (Mutter) der Beschwerdeführerin auf die problemlos zurückgelegten Fahrten im Ausmaß von ca. 1.700 km mit einem vierrädrigen Leichtkraftfahrzeug verwiesen und darüber detaillierte Aufzeichnungen (Fahrtenbuch) vorgelegt. Der als sachverständiger Zeuge einvernommene Fahrlehrer habe einen durchaus positiven Eindruck bei den Ausbildungsfahrten bestätigt, bei denen er nie hätte eingreifen müssen.

Dem stünden die zu Protokoll gegebenen Angaben des technischen Sachverständigen Ing. A. betreffend die mit der Beschwerdeführerin durchgeführte Beobachtungsfahrt gegenüber. Nach diesen (im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen) Angaben des Sachverständigen seien u.a. Eingriffe seinerseits durch Anziehen der Handbremse erforderlich gewesen, weil die Beschwerdeführerin an einer Kreuzung einen von links kommenden Fahrzeuglenker nicht beachtet habe, in einer Bahnunterführung zu weit links gefahren sei und weil sich eine eklatante Gefahrensituation ergeben habe, als die Beschwerdeführerin trotz eines herannahenden Pkw beabsichtigt habe, in eine Bundesstraße einzufahren. Der Sachverständige sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beschwerdeführerin bei komplexeren Situation vollständig überfordert gewesen sei.

In der (im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen) Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin u.a. darauf hingewiesen, dass den Aussagen des Fahrlehrers der Beschwerdeführerin mehr Gewicht beizumessen sei, weil dieser 18 Fahrstunden mit ihr absolviert habe, wohingegen der Sachverständige mit der Beschwerdeführerin nur eine 45 Minuten dauernde Beobachtungsfahrt durchgeführt habe. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei auch die Frage der Befristung bzw. die Frage der Erteilung von Auflagen zeitlicher, örtlicher oder sachlicher Art zu prüfen. So sei nach der 3. EU-Führerscheinrichtlinie eine Auflage der beschränkten Gültigkeit dahingehend möglich, dass die Beschwerdeführerin nur mit einem Beifahrer fahren dürfe, der im Besitz eines Führerscheins sein müsse. Auch die Frage der Beschränkung der Fahrten auf einen bestimmten Umkreis müsse nach Ansicht der Beschwerdeführerin geprüft werden.

Dem hielt die belangte Behörde das negative Gutachten der Amtsärztin und die Ergebnisse der Beobachtungsfahrt, die auch das entscheidende Organ der belangten Behörde mitverfolgt habe, entgegen. Die bei der Beschwerdeführerin unstrittig bestehende Verlangsamung würde zu nicht vertretbaren Gefahren, insbesondere in Vorrangsituationen führen. Damit wäre die Beschwerdeführerin als Lenkerin in ihrer Gesundheit akut gefährdet, ebenso die übrigen Verkehrsteilnehmer. Die belangte Behörde übersehe zwar nicht das beachtliche Bemühen der als Sachwalterin tätigen Mutter, die Tochter möglichst umfassend in das Berufsleben zu integrieren und ihr dazu autonome Mobilität zu verleihen. In Abwägung der rechtlich geschützten Interessen (Verkehrssicherheit und Eigensicherheit) müssten jedoch die öffentlichen Interessen und jene der eigenen Sicherheit der Beschwerdeführerin höher gewertet werden als deren selbständige Mobilität. Durch eine "Umkreisbeschränkung bzw. eine Auflage der Fahrerlaubnis nur in Begleitung" würde "die Ausgangslage in kein anderes Licht gerückt, weil das in der Verlangsamung der Beschwerdeführerin liegende Handicap nur am objektiven Maßstab der Verkehrsanforderungen zu beurteilen" sei.

Nach Wiedergabe des § 32 Abs. 1 FSG sowie des § 13 Abs. 1 und Abs. 2 FSG-GV (unter fettgedruckter Hervorhebung des § 13 Abs. 2 Z. 4 FSG-GV) vertrat die belangte Behörde erkennbar die Ansicht, dass weder das ärztliche Gutachten noch die von der Beschwerdeführerin vorgelegte fachärztliche (psychiatrische) Stellungnahme als befürwortend angesehen werden könnten, weil auch letztere auf eine Beobachtungsfahrt verweise, deren Ergebnis aber gerade im vorliegenden Fall nicht positiv verlaufen sei. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage und des Ergebnisses des Beweisverfahrens erweise sich das ausgesprochene Fahrverbot als rechtmäßig. Schließlich vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass eine Auflage, nur in Begleitung eines Erwachsenen (ein Kraftfahrzeug) lenken zu dürfen, "dem Gesetz fremd" sei. Die Berufung habe daher erfolglos bleiben müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bestimmungen des Führscheingesetzes in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 31/2008 lauten auszugsweise:

"§ 31.

...

(3a) Für das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen ist, sofern der Lenker nicht über eine Lenkberechtigung verfügt, erforderlich:

1. der Nachweis der Absolvierung einer theoretischen Schulung im Ausmaß von acht Unterrichtseinheiten in einer gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 lit. b ermächtigten Einrichtung;

2. eine praktische Schulung im Ausmaß von sechs Unterrichtseinheiten in einer gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 lit. b ermächtigten Einrichtung auf einem derartigen Kraftfahrzeug sowie

3. die Eintragung der Bestätigung der Absolvierung dieser Schulung auf Seite 1 des Mopedausweises durch den Vermerk 'vierrädriges Leichtkraftfahrzeug'.

...

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26, 29 sowie 30a und 30b entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges


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1.
ausdrücklich zu verbieten,
2.
nur zu gestatten, wenn vorgeschriebene Auflagen eingehalten werden, oder
3.
nur für eine bestimmte Zeit oder nur unter zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen zu gestatten.
Ebenso hat die Behörde einem Lenker eines der im ersten Satz genannten Fahrzeuge bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 30b besondere Maßnahmen aus dem Vormerksystem anzuordnen. Das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges entgegen einer behördlichen Verfügung nach Z 1, 2 oder 3 ist unzulässig. Eine solche Verfügung ist aufzuheben, wenn der Grund für ihre Erlassung nicht mehr gegeben ist.

(2) Besitzer eines Mopedausweises haben diesen für die Dauer der Maßnahmen gemäß Abs. 1 Z 1 oder für Eintragungen gemäß Abs. 1 Z 2 und 3 bei der Behörde abzuliefern."

Die hier maßgebenden Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung idF BGBl. II Nr. 427/2002 lauten:

"§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften


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1.
die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,
2.
die nötige Körpergröße besitzt,
3.
ausreichend frei von Behinderungen ist und
4.
aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt. Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.

(2) Die ärztliche Untersuchung ist in der Regel mit den einem Arzt für Allgemeinmedizin üblicherweise zur Verfügung stehenden Untersuchungsbehelfen durchzuführen. Die Untersuchung umfasst jedenfalls

...

(3) Ergibt sich aus der Vorgeschichte oder anlässlich der Untersuchung der Verdacht auf das Vorliegen eines Zustandes, der die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, so ist gegebenenfalls die Vorlage allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen zu verlangen. ...

§ 13. (1) Als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 gelten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt.

(2) Personen, bei denen

1. eine angeborene oder infolge von Krankheiten, Verletzungen oder neurochirurgischen Eingriffen erworbene schwere psychische Störung,


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2.
eine erhebliche geistige Behinderung,
3.
ein schwerwiegender pathologischer Alterungsprozess oder
4.
eine schwere persönlichkeitsbedingte Störung des Urteilsvermögens, des Verhaltens und der Anpassung
besteht, darf eine Lenkberechtigung nur dann erteilt oder belassen werden, wenn das ärztliche Gutachten auf Grund einer psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme, in der die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt wird, die Eignung bestätigt."
Die Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung idF BGBl. II Nr. 66/2006 lautet auszugsweise:

"§ 2. (1) Der Führerschein enthält:

...

2. auf Seite 2 mit der aus Anlage 1 (Anm.: Anlage nicht darstellbar) ersichtlichen Nummerierung

...

d) gegebenenfalls Zusatzangaben oder Einschränkungen mittels der in Abs. 3 genannten Zahlencodes; Zahlencodes, die für alle Klassen gelten, können auch unter der für Klasse F bestimmten Reihe gedruckt werden.

...

(3) Für Eintragungen in den Führerschein stehen folgende durch Gemeinschaftsrecht harmonisierte Zahlencodes und Untercodes zur Verfügung:

...

05.05 Fahren nur mit Beifahrer, der im Besitz eines Führerscheins sein muss

..."

Zunächst wendet sich die Beschwerde gegen die Ansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin verfüge nicht über die ausreichende gesundheitliche Eignung zum Lenken u.a. von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen. Die Beschwerde nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf einzelne Situationen der durchgeführten Beobachtungsfahrt und meint, nicht zuletzt auf Grund der vorgelegten fachärztlichen (neurologisch/psychiatrischen) Stellungnahme des DDr. K. hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Beschwerdeführerin sehr wohl geeignet und fähig sei, ein Fahrzeug im Sinne des § 32 FSG zu lenken.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 2004/11/0149, ausgeführt, dass die in der Führerscheingesetz- Gesundheitsverordnung aufgestellten Kriterien für die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen grundsätzlich - unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten beim Lenken der im § 32 Abs. 1 FSG genannten Kraftfahrzeuge - für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung (§ 8 FSG) zum Lenken der hier in Rede stehenden Kraftfahrzeuge herangezogen werden können. Dabei seien jedoch - zumal die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 oder Gruppe 2 auch anders beurteilt werden könnte als die Eignung zum Lenken der im § 32 Abs. 1 FSG genannten Kraftfahrzeuge - Ausführungen dazu erforderlich, inwieweit der Betreffende zum Lenken des hier in Rede stehenden Fahrzeuge geeignet sei.

Im vorliegenden Beschwerdefall hat die Führerscheinbehörde, ausgehend von der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Trisomie 21, zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung nicht nur ein amtsärztliches Gutachten eingeholt, sondern im Sinne des § 3 Abs. 3 FSG-GV auch auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegte fachärztliche (neurologisch/psychiatrische) Stellungnahme des DDr. K. Bedacht genommen. Nach der genannten, im Akt enthaltenen Stellungnahme bestehe aus fachärztlicher Sicht kein Einwand gegen die bedingte und befristete Erteilung einer Lenkberechtigung an die Beschwerdeführerin, wenn (u.a.) eine Testfahrt (Beobachtungsfahrt) seitens der Beschwerdeführerin positiv absolviert werde. Diese Beobachtungsfahrt hat die belangte Behörde angeordnet und ist im Hinblick auf das dargestellte Ergebnis dieser Beobachtungsfahrt zu dem Ergebnis gelangt, dass die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin zum Lenken der im § 32 Abs. 1 FSG genannten Kraftfahrzeuge bei der Beschwerdeführerin nicht im erforderlichen Ausmaß vorliege. Konkret spricht die belangte Behörde von einer "bestehenden Verlangsamung", die zu "nicht vertretbaren Gefahren, insbesondere bei Vorrangsituationen" führe.

Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden, ist sie doch nachvollziehbar aus dem - mit den Ergebnissen der Beobachtungsfahrt übereinstimmenden - amtsärztlichen Gutachten abzuleiten, das sich insoweit auch mit der von der Beschwerdeführerin vorgelegten fachärztlichen Stellungnahme des DDr. K. (in dieser ist u.a. von einer "psychomotorischen Verlangsamung" die Rede) deckt.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Teilnahme der ärztlichen Amtssachverständigen im Berufungsverfahren wendet, weil diese bereits im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich tätig gewesen sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof mit Blick auf seine ständige Rechtsprechung eine Rechtswidrigkeit nicht zu erkennen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 unter E. 26 zu § 53 AVG referierte hg. Judikatur).

Ausgehend von der (insbesondere auch im amtsärztlichen Gutachten) festgestellten "Verlangsamung" des Reaktionsvermögens der Beschwerdeführerin und unter Bedachtnahme auf die Ergebnisse der Beobachtungsfahrt hätte sich die belangte Behörde jedoch - in Anbetracht der möglichen Rechtsfolgen, die in den Z. 1 bis 3 des § 32 Abs. 1 FSG genannt sind - nachvollziehbar mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob bei der gegebenen gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin ausschließlich die Verhängung eines Lenkverbotes in Betracht kommt, oder ob (gleichsam als gelinderes Mittel) bestimmte Auflagen bzw. Beschränkungen im Sinne des § 32 Abs. 1 Z. 2 und 3 FSG ausreichen. Für die letztgenannten Maßnahmen spricht nämlich nicht nur, dass auch die fachärztliche Stellungnahme des DDr. K. eine "Beschränkung auf den regionalen Bereich" vorschlägt, sondern insbesondere der von der belangten Behörde nicht angezweifelte Umstand, dass die Beschwerdeführerin im Beisein ihrer Mutter bereits 1.700 km mit dem Leichtkraftfahrzeug zurückgelegt hat. Die Beschwerde wendet daher zutreffend ein, dass sich die belangte Behörde in nachvollziehbarer Weise insbesondere mit der Frage auseinander setzen hätte müssen, ob mit der Auflage des Lenkens der genannten Fahrzeuge nur in Begleitung geeigneter (ihr vertrauter) Personen und/oder an bestimmten Örtlichkeiten das Auslangen gefunden werden kann (vgl. das - ebenfalls zu einem Lenkverbot ergangene - hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/11/0104).

Die belangte Behörde hat eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Frage unterlassen, weil sie (unzutreffend) die Auffassung vertrat, eine solche Auflage sei "dem Gesetz fremd". Sie übersieht dabei, dass § 32 FSG eine solche Auflage für das Lenken der dort genannten Kraftfahrzeuge nicht ausschließt. Außerdem geht aus der Richtlinie des Rates über den Führerschein 91/439/EWG in ihrer siebenten Begründungserwägung hervor, dass besondere Bestimmungen zu erlassen seien, um Personen mit Behinderung den Zugang zum Führen von Kraftfahrzeugen zu erleichtern, wobei die Richtlinie 2000/56/EG unter Anhang I Codenummer 05.05 als mögliche Einschränkung der Fahrerlaubnis das "Fahren nur mit Beifahrer, der im Besitz eines Führerscheins sein muss", vorsieht. Auch in § 2 Abs. 3 der zitierten Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung ist eine entsprechende Einschränkungsmöglichkeit der Lenkberechtigung ausdrücklich vorgesehen. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass eine solche Einschränkung nicht auch in Bezug auf das Lenken vierrädriger Leichtkraftfahrzeuge gemäß § 32 Abs. 1 FSG in Betracht kommt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
AAAAE-77763