VwGH vom 26.09.2019, Ra 2018/10/0087
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des R P in N, vertreten durch MMag. Dr. Nikola Leitner-Bommer, Rechtsanwältin in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 36, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-350334/47/KLi/JB, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Mit dem (in der vorliegenden Revision ausschließlich bekämpften) Spruchpunkt A. des angefochtenen Erkenntnisses vom wurde - im Beschwerdeverfahren - der Antrag des Revisionswerbers vom auf Gewährung von Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs für den Zeitraum von bis abgewiesen. Die Revision gegen diese Entscheidung wurde nicht zugelassen. 2 Das Verwaltungsgericht stellte - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Interesse - fest, der Revisionswerber habe vom Arbeitsmarktservice (AMS) im Jänner und Februar 2017 Nachzahlungen in der Höhe von insgesamt EUR 6.352,45 erhalten. Beweiswürdigend stützte sich das Verwaltungsgericht dabei auf den "Akteninhalt".
3 Rechtlich kam das Verwaltungsgericht - anders als die belangte Behörde in ihrem vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid - zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung der Bemühungsbzw. Mitwirkungspflicht durch den Revisionswerber für den Zeitraum " zumindest bis September 2017" nicht festgestellt werden könne. Aufgrund der Nachzahlungen des AMS habe jedoch in diesem Zeitraum keine Notlage bestanden; insoweit sei die Beschwerde daher abzuweisen.
4 2. Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt hat.
5 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
6 1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es die vom Revisionswerber mithilfe der Nachzahlung des AMS vorgenommene Begleichung von Rückständen aus der Wohnungsmiete nicht berücksichtige (Hinweis u. a. auf ).
7 Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass nach der hg. Judikatur Mietschulden aus früheren Perioden nur dann bei der Entscheidung über die Hilfegewährung zu berücksichtigen sind, wenn infolge der offenen Schuld eine Notlage in Ansehung des Unterkunftsbedarfs droht (vgl. gerade auch das vom Revisionswerber angeführte hg. Erkenntnis 2011/10/0095). Das Vorliegen einer derartigen Notlage wird vom Revisionswerber aber nicht substantiiert behauptet.
8 2. In den Zulässigkeitsgründen wird darüber hinaus ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt sei (Hinweis auf ), weil es festgestellt habe, dass der Revisionswerber vom AMS eine Nachzahlung in der Höhe von EUR 6.352,45 erhalten habe, obwohl nur eine Nachzahlung in der Höhe von EUR 3.838,11 erfolgt sei. Dies ergebe sich aus näher bezeichneten, im Akt erliegenden Unterlagen.
2.1. Die Revision ist in Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.
2.2. Im vorliegenden Fall führte der Revisionswerber bereits in seiner (selbst verfassten) Beschwerde an das Verwaltungsgericht vom - unter Vorlage eines Screenshots seines "eAMS-Kontos" - aus, dass er vom AMS lediglich eine Rückerstattung in Höhe von EUR 3.838,11 erhalten habe. Auch in der weiteren (durch seinen Rechtsvertreter eingebrachten) Stellungnahme vom wies der Revisionswerber - bezugnehmend auf einen gleichzeitig vorgelegten Kontoauszug vom - auf diesen Umstand hin.
Das angefochtene Erkenntnis gibt zwar in seiner Darstellung des Verfahrensgangs (vgl. Seite 9) die entsprechenden Passagen der Stellungnahme des Revisionswerbers vom wieder, stellte jedoch sodann (vgl. Seite 25) den Erhalt von EUR 6.352,45 durch den Revisionswerber fest, ohne sich in der Beweiswürdigung mit dem dargestellten Vorbringen des Revisionswerbers und den dazu vorgelegten Beweismitteln auch nur ansatzweise auseinander zu setzen.
9 2.3. Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit einer im Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (vgl. etwa bis 0363, mwN, und darauf verweisend , sowie , mwN). 10 2.4. Die Beweiswürdigung des angefochtenen Erkenntnisses ist als grob fehlerhaft in diesem Sinn zu beurteilen, weil das Verwaltungsgericht trotz ausdrücklichen Vorbringens des Revisionswerbers und trotz Vorlage entsprechender Beweismittel auf die Frage der Höhe der Nachzahlung des AMS überhaupt nicht eingegangen ist. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei Annahme einer betragsmäßig geringeren Nachzahlung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, was das Bestehen einer Notlage im fraglichen Zeitraum anlangt. 11 3. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
12 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 201
4.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018100087.L00 |
Schlagworte: | Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt |
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Fundstelle(n):
LAAAE-77755