VwGH vom 21.03.2005, 2005/17/0001

VwGH vom 21.03.2005, 2005/17/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des M H und der A H, beide in Wiener Neustadt und vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte in 2700 Wr. Neustadt, Hauptplatz 32, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Statutarstadt Wiener Neustadt vom , Zl. 8A/670/04, betreffend Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühren für die Jahre 2000 bis 2004, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

1.1. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom wurde den beschwerdeführenden Parteien für eine näher bezeichnete Liegenschaft in Wiener Neustadt eine jährliche Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2000, 2001 sowie 2002 in der Höhe von EUR 353,05, für das Jahr 2003 in der Höhe von EUR 395,66 und für das Jahr 2004 in der Höhe von EUR 413,92 jeweils zuzüglich 10 % Umsatzsteuer vorgeschrieben.

1.2. In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachten die beschwerdeführenden Parteien vor, die der Berechnung zu Grunde gelegte Berechnungsfläche sei unrichtig ermittelt. Im Beschwerdefall weise das Gebäude eine Nettogeschossfläche von insgesamt 228 m2 als Summe der Flächen für das erste Obergeschoss und das Erdgeschoss auf, wobei alle Nebenräume, Stiegen und Verkehrsflächen miteinbezogen worden seien, jedoch nicht die Wandstärken. Das Kellergeschoss wie auch das übrige Gebäude werde nicht gewerblich genützt. Der Berechnung seien die Geschossflächen und nicht die bebaute Fläche, und zwar nur die Nettogeschossflächen, zu Grunde zu legen; hier sei aber die Behörde zu Unrecht von einer Berechnungsfläche von 304,35 m2 (unter Einbeziehung der Wandstärken) ausgegangen.

1.3. Mit ihrem Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Parteien ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid "vollinhaltlich".

Das Kellergeschoss sei zutreffend nicht in die Berechnungsfläche der laufenden Kanalbenützungsgebühr miteinbezogen worden. Diese ergebe sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschossflächen. Die Geschossfläche selbst werde wie die bebaute Fläche, also aus dem äußersten Umriss des jeweiligen Geschosses, gebildet. Die Geschossfläche sei entsprechend der Begriffsbestimmung des § 1a des Niederösterreichischen Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230-6 (in der Folge: NÖ KanalG 1977), die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschosses ergebende Fläche. Eine diesbezüglich von der Berufungsbehörde veranlasste "Überprüfung der Sachverhaltslage" habe keinerlei Abweichungen der Flächen und Größen vom ursprünglichen Zustand, welcher dem erstinstanzlichen Bescheid zu Grunde gelegen sei, ergeben; die Berechnungsfläche von 132,99 m2 für das Erdgeschoss sowie 171,36 m2 für das Obergeschoss seien somit als richtig anzusehen, die im Erdgeschoss befindliche umbaute Garage sei berücksichtigt.

1.4. Mit Beschluss vom , B 1391/04-3, lehnte der gegen diesen Bescheid zunächst mit Beschwerde angerufene Verfassungsgerichtshof deren Behandlung ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung im Sinne des Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.

Die Beschwerde rügte - so der Verfassungsgerichtshof in der Begründung seines Ablehnungsbeschlusses u.a. - die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums. Die gerügte Rechtsverletzung wäre aber im vorliegenden Fall nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

1.5. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die beschwerdeführenden Parteien in ihrer - ergänzten - Beschwerde in ihrem Recht verletzt, eine dem Niederösterreichischen Kanalgesetz 1977 entsprechende Vorschreibung zu erhalten; sie machen (ausschließlich) Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die Vorschreibung von (jährlichen) Kanalbenützungsgebühren regelt näher das Niederösterreichische Kanalgesetz 1977 (Wiederverlautbarung), LGBl. 8230-0 in der Fassung LGBl. 8230-6.

Nach § 5 Abs. 1 leg. cit. ist für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat. Nach § 5 Abs. 2 erster Satz NÖ KanalG 1977 errechnet sich die Kanalbenützungsgebühr aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Die Berechnungsfläche ergibt sich nach § 5 Abs. 3 erster Satz leg. cit. aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschossflächen.

§ 1a NÖ KanalG 1977 definiert in seiner Z 1 die bebaute Fläche als diejenige Grundrissfläche, die von der lotrechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt wird, wobei bauliche Anlagen, welche die Geländeoberfläche nicht oder nicht wesentlich überragen, nicht konstruktiv bedingte Außenwandvorsprünge und untergeordnete Bauteile unberücksichtigt bleiben.

Die Geschossfläche ist nach der Begriffsbestimmung des § 1a Z 6 leg. cit.:

"die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschosses ergebende Fläche".

2.2. In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde leiten die beschwerdeführenden Parteien aus der Definition der Geschossfläche im § 1a Z 6 NÖ KanalG 1977 ab, dass die Begrenzung durch die Innenseite des aufgehenden Mauerwerkes als äußerste Begrenzung der Geschossfläche gebildet werde, "weil bei richtiger Auslegung dieser Definition das Mauerwerk nicht umfasst" sei "und die Begrenzung einer Fläche wohl durch die Innenseite einer Wand, die innerhalb eines Gebäudes gelegen ist, gegeben" sei. Technisch bestehe eine Fläche im Mauerwerk nicht; die Innenseite einer Wand begrenze vielmehr die innerhalb eines Gebäudes gelegenen Flächen. Eine gesonderte Definition der Geschossfläche wäre sonst nicht erforderlich, weil auf die Grundrissfläche gemäß § 1a Z 1 leg. cit. sowohl für das Erdgeschoss eines Gebäudes als auch für die darüber liegenden Geschosse verwiesen hätte werden können, wonach die Grundrissfläche jedes Geschosses von der lotrechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt sei. Die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung beraube die Begriffsbestimmung in § 1a Z 6 NÖ KanalG 1977 ihres Sinnes.

2.3. Strittig ist vor dem Verwaltungsgerichtshof somit allein die Frage der Auslegung des Begriffes "Geschossfläche" insoweit, ob dieser Begriff die Wandstärken der Außenwände mit einschließt oder nicht.

Aus der Definition des § 1a Z 6 NÖ KanalG 1977 ergibt sich zunächst zweifelsfrei, dass der Gesetzgeber die Geschossfläche mit den "äußersten Begrenzungen jedes Geschosses" (und nicht mit etwa vorhandenen "inneren Begrenzungen") verbunden wissen wollte. Schon diese aus dem Wortlaut erschließbare Absicht des Gesetzgebers ist ein Indiz dafür, auch bei der Frage, wodurch jedes Geschoss, somit die Gesamtheit der in einer Ebene liegenden Räume eines Gebäudes (vgl. § 4 Z 7 NÖ BauO 1996, LGBl. 8200-0) begrenzt wird, die Außenseite einer Begrenzung als "äußerste" Begrenzung vom Gesetzgeber als gewollt anzusehen. Bereits dieses Auslegungsergebnis würde gegen die Ansicht der beschwerdeführenden Parteien sprechen, dass die Wandstärken bei der Berechnung der Geschossflächen außer Betracht zu bleiben hätten.

Dieses Auslegungsergebnis wird aber noch durch die Bedachtnahme auf die Definition der "Grundrissfläche" in § 4 Z 8 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 8200-5, gestützt, wonach die Grundrissfläche die Fläche innerhalb der äußeren Begrenzungen eines Gebäudes oder Geschosses ist. Aus dieser Bestimmung, auf die auch schon die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid verwies, lässt sich entnehmen, dass der Niederösterreichische Landesgesetzgeber in die Fläche eines Geschosses auch die Wand miteinbezogen hat, wäre doch sonst die Gleichsetzung der äußeren Begrenzungen eines Gebäudes, welches zweifellos die Außenseiten der Außenmauern sind, und eines Geschosses nicht verständlich. Von daher gesehen erscheint es nahe liegend, dass der Gesetzgeber mit den äußersten Begrenzungen jedes Geschosses gleichfalls die Außenseite der Außenmauern jedes Geschosses vor Augen hatte.

Dem zufolge kommt der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis, dass bei der Berechnung der "Geschossfläche" nach § 1a Z 6 NÖ KanalG 1977 die von den (Außen)wänden in Anspruch genommene Fläche eines Geschosses in die Berechnung der Kanalbenützungsgebühr mit einzubeziehen ist.

Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang darauf, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 9201, zur Benützungsgebühr nach dem Niederösterreichischen Kanalgesetz 1977 aussprach, es sei unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsprinzips nicht geboten, bei der Regelung über die Ermittlung der Berechnungsfläche nach dem Alter der Baulichkeiten, die sich auf den verbauten Flächen befinden, und der Stärke ihrer Mauern (Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof) zu differenzieren, und damit die Wandstärke gleichfalls in die Berechnungsfläche mit einbezog.

Soweit die Beschwerde auf die vom Gesetzgeber des NÖ Kanalgesetzes 1977 vorgenommene Differenzierung für die Begriffe "Geschossfläche" und "bebaute Fläche" verweist, geht das hiezu angezogene Argument, der Gesetzgeber hätte allenfalls Überflüssiges geregelt, ins Leere, weil es auf die "bebaute Fläche" bei der Berechnung der Kanaleinmündungsgebühr und nicht bei der Berechnung der Kanalbenützungsgebühr - hier ist eben auf die "Geschossfläche" abzustellen - ankommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/17/0341, und vom , Zl. 2003/17/0224). Darüber hinaus weisen auch bei der von der belangten Behörde (und dem Verwaltungsgerichtshof) vertretenen Auslegung des Begriffes "Geschossfläche" die beiden Begriffe entsprechend der jeweiligen Begriffsbestimmung durchaus verschiedenen Inhalt auf.

2.4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennt lässt, dass die von den beschwerdeführenden Parteien behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am