VwGH vom 26.11.2014, 2010/13/0075

VwGH vom 26.11.2014, 2010/13/0075

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der I GmbH in O, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Petrusgasse 2/15, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zlen. RV/2344-W/06, RV/2345-W/06 und RV/2346- W/06, betreffend u.a. Körperschaftsteuer für die Jahre 1994 bis 1999 sowie Kapitalertragsteuer für die Jahre 1995 bis 1998 und 2000, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er die Körperschaftsteuer für die Jahre 1994 und 1995 sowie die Kapitalertragsteuer für die Jahre 1995 und 1996 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der im März 1994 gegründeten beschwerdeführenden GmbH begann am eine u.a. die Körperschaft- und Kapitalertragsteuer für die Jahre 1994 bis 2000 betreffende Betriebsprüfung.

Auf Grund des Berichts darüber vom erließ das Finanzamt zunächst fünf mit datierte Bescheide, mit denen die Beschwerdeführerin für die Jahre 1995 bis 1998 sowie 2000 zur Haftung für Kapitalertragsteuer herangezogen wurde.

Mit sechs Bescheiden vom nahm das Finanzamt die Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 1994 (Erstbescheid: ), 1995 (Erstbescheid: ), 1996 (Erstbescheid: ) sowie 1997 bis 1999 wieder auf und setzte die Körperschaftsteuer neu fest.

Streitpunkte der von der Beschwerdeführerin u.a. gegen die Bescheide über Haftung für Kapitalertragsteuer sowie gegen die neuen Sachbescheide betreffend die Körperschaftsteuer erhobenen Berufung waren zwei im Prüfungsbericht behandelte Sachverhaltskomplexe. Erstens waren, dem Bericht nach, von der Beschwerdeführerin für die Jahre 1995, 1996 und 1998 geltend gemachte Rechts- und Beratungsaufwendungen (Anwaltskosten) in Wahrheit nicht für die Beschwerdeführerin, sondern für ihren Geschäftsführer getätigt worden, was zu einer Nachbelastung mit Körperschaftsteuer auch für das Jahr 1994 (Auflösung einer Rückstellung) und nach Maßgabe der Begleichung der Rechnungen zur Haftung für Kapitalertragsteuer u.a. für die Jahre 1995 und 1996 führte. Im Bericht wurde zweitens die Auffassung vertreten, ein behaupteter Kauf von Kundenadressen um S 870.000,-- im Mai 1994 habe nicht stattgefunden, was sich mit Rücksicht auf die Aktivierung und Abschreibung der "Ablöse Kundenstock" in allen Streitjahren auf die Körperschaftsteuer auswirkte und nach Maßgabe vom Halbbruder des Geschäftsführers quittierter Zahlungen zur Haftung für Kapitalertragsteuer in den Jahren 1995, 1998 und 2000 führte.

In der Berufungsverhandlung am erklärte der Vertreter der Beschwerdeführerin zum ersten dieser beiden Sachverhaltskomplexe, die strittigen Honorarnoten hätten den Zeitraum vor Gründung der Beschwerdeführerin betroffen und er schränke "hiermit die Berufung betreffend die Rechts- und Beratungsaufwendungen der Jahre 1995, 1996 und 1998 ein. Dieser Punkt wird nicht weiter bekämpft".

Mit den angefochtenen Spruchpunkten wies die belangte Behörde die Berufung gegen die Bescheide über Haftung für Kapitalertragsteuer sowie gegen die neuen Sachbescheide betreffend Körperschaftsteuer ab, ohne sich mit den Honorarnoten weiter auseinanderzusetzen. In Bezug auf den behaupteten Kauf von Kundenadressen ging sie - wie schon das Finanzamt - davon aus, dass er nicht stattgefunden habe. Die Rechnung darüber sei "zum Schein erstellt" worden, es sei auf diese Weise "versucht" worden, "das Betriebsergebnis durch nicht getätigte Aufwendungen zu vermindern", die damit zusammenhängenden Entnahmen von Mitteln seien "unter Vorschiebung eines bloß behaupteten Verkaufes" erfolgt und die Zuwendungen an den Halbbruder "privat veranlasst" gewesen. Sie seien als Vorteilsgewährung an den Geschäftsführer zu werten.

Zur Frage einer (teilweisen) Verjährung der Abgabenansprüche, die im Verwaltungsverfahren auch von der Beschwerdeführerin nicht thematisiert wurde, enthält der angefochtene Bescheid keine Ausführungen.

Die Beschwerde macht einerseits Verjährung geltend und wendet sich andererseits gegen die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit dem behaupteten Kauf von Kundenadressen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Zum behaupteten Kauf von Kundenadressen:

Die belangte Behörde hat umfangreich begründet, weshalb der Behauptung der Beschwerdeführerin, zu Beginn ihrer Tätigkeit habe sie auf dem Umweg über eine Gesellschaft des Halbbruders des Geschäftsführers in Südafrika Kundenadressen gekauft, die in Wahrheit aus Dänemark gekommen seien und dem Aufbau des neu gegründeten Unternehmens gedient hätten, nicht zu folgen sei. Zu den dafür im angefochtenen Bescheid dargelegten Gründen zählen das Fehlen von Unterlagen über das Zustandekommen des Geschäftes und - abgesehen von einer nicht mehr lesbaren CD, auf der sie mit anderen Adressen vermischt sein sollen - der Adressen selbst, die Weigerung des Halbbruders des Geschäftsführers, über das Geschäft Auskunft zu geben, ein Vergleich der Umsätze mit denen einer früheren, bei Gründung der Beschwerdeführerin gerade insolvent gewordenen Gesellschaft mit u.a. demselben Geschäftsführer und auch die Tatsache, dass die Gesellschaft, an die die unbeglichene Restforderung aus dem Kaufvertrag zediert worden sein soll, am angegebenen Ort in Südafrika nicht bekannt ist.

Was die Beschwerde dagegen vorbringt, geht auf die Ausführungen der belangten Behörde nicht konkret und gedanklich nachvollziehbar ein, lässt etwa das Argument, die Alarmanlagen, die von der früheren Gesellschaft noch nicht vertrieben worden seien und deren Vertrieb der behauptete Adressenkauf dienen sollte, schienen in den Umsätzen nicht auf, unbeantwortet und zeigt weder eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung noch einen anderen relevanten Verfahrensmangel auf. Soweit sich die Beschwerde gegen die Feststellung richtet, der Adressenkauf habe nicht stattgefunden, muss sie daher erfolglos bleiben.

2. Zur Verjährung:

Die Beschwerde argumentiert mit absoluter Verjährung gemäß § 209 Abs. 3 BAO, geht dabei von einer Verjährungsfrist von zehn Jahren aus und verkennt, dass für den vorliegenden Fall, in dem eine im Jahr 2002 begonnene Betriebsprüfung im Jahr 2005 zur Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide führte, gemäß § 323 Abs. 16 BAO noch die Frist von fünfzehn Jahren maßgeblich ist. Verjährung gemäß § 209 Abs. 3 BAO kann daher auch für die ältesten streitgegenständlichen Ansprüche nicht eingetreten sein.

Der Beschwerde ist auch nicht entnehmbar, woraus sich - mit Rücksicht auf die im Jahr 2002 begonnene Prüfung - für die Abgabenansprüche der Jahre 1997 bis 2000 ein Problem hinsichtlich der Verjährung gemäß § 207 BAO ergeben soll. Bei Bedachtnahme auf das Datum des Erstbescheides () als vorangegangener Unterbrechungshandlung gilt dies auch für den Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1996.

Bezüglich der Körperschaftsteuer für die Jahre 1994 und 1995 (Erstbescheide: 14. Februar und ) war die Fünfjahresfrist des § 207 Abs. 2 BAO bei Beginn der Prüfung im Jahr 2002 hingegen abgelaufen. Die belangte Behörde vermeint dazu in der Gegenschrift, die Abgaben seien hinterzogen gewesen, sodass die für diesen Fall vorgesehene längere Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO zur Anwendung komme.

Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Darauf, ob eine Verjährungseinrede erhoben wurde, kommt es in diesem Zusammenhang - wie auch für die Beachtung des Ablaufs der Fünfjahresfrist - nicht an (vgl. dazu die Nachweise bei Ritz , BAO5, § 207 Tz 3 und 15).

Ob die nicht der Verjährung geltenden Ausführungen der belangten Behörde über den Versuch, das Betriebsergebnis durch nicht getätigte Aufwendungen zu vermindern, und über die Entnahme von Beträgen unter Vorschiebung eines bloß behaupteten Kaufes den erwähnten Anforderungen in Bezug auf den behaupteten Adressenkauf genügen könnten, bedarf für die Körperschaftsteuer der Jahre 1994 und 1995 keiner Prüfung, weil Feststellungen zu einer Hinterziehung von Abgaben in Bezug auf die Anwaltskosten jedenfalls fehlen und sich die Aberkennung der Anwaltskosten in beiden Jahren in einer erhöhten Belastung mit Körperschaftsteuer niederschlug. § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO in der insoweit gemäß § 323 Abs. 16 BAO auch für den vorliegenden Fall schon maßgeblichen Fassung sieht eine Verlängerung der Verjährungsfrist nur vor, "soweit" eine Abgabe hinterzogen ist. Das Fehlen einer Auseinandersetzung mit der Verjährungsfrage belastet diese Spruchpunkte daher mit einem relevanten Begründungsmangel.

Nichts anderes gilt auch hinsichtlich der Haftung für Kapitalertragsteuer für das Jahr 1995, in die ebenfalls Anwaltskosten einbezogen sind.

Die Haftung für Kapitalertragsteuer für das Jahr 1996 betraf ausschließlich Anwaltskosten. Die in der Berufungsverhandlung abgegebene Erklärung, die Berufung "betreffend die Rechts- und Beratungsaufwendungen" einzuschränken und diesen "Punkt" nicht weiter zu bekämpfen, hat die belangte Behörde - anders als hinsichtlich der damit zusammenhängenden, nicht beschwerdegegenständlichen Umsatzsteuerbescheide - in Bezug auf die Kapitalertragsteuer für das Jahr 1996 aber nicht als Zurücknahme der Berufung gedeutet. Dies führt, da eine solche Deutung auch nicht zwingend ist, zum selben Ergebnis wie hinsichtlich der Haftung für Kapitalertragsteuer für das Jahr 1995.

Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als er die Körperschaftsteuer für die Jahre 1994 und 1995 sowie die Kapitalertragsteuer für die Jahre 1995 und 1996 betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am