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VwGH vom 20.12.2012, 2012/23/0013

VwGH vom 20.12.2012, 2012/23/0013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Sulzbacher und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der D in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/471924/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, heiratete am in Serbien den österreichischen Staatsbürger Z. Im Hinblick darauf erhielt die Beschwerdeführerin, nachdem sie am mit einem Visum D nach Österreich gekommen war, antragsgemäß eine Niederlassungsbewilligung und in der Folge Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" (zuletzt gültig bis ). Den beiden Kindern der Beschwerdeführerin wurde Mitte 2005 der Nachzug gestattet; sie erhielten ebenfalls Aufenthaltstitel. Die Scheidung der Ehe erfolgte am .

Beginnend mit April 2008 wurden sodann - die Beschwerdeführerin hatte am einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht - Ermittlungen wegen des Verdachtes des Vorliegens einer sogenannten "Aufenthaltsehe" ("Scheinehe") vorgenommen, die dazu führten, dass die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom gegen die Beschwerdeführerin ein auf § 60 Abs. 1 und 2 Z 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gestütztes, mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erließ.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangten Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Die belangte Behörde gab im angefochtenen Bescheid zunächst das Verwaltungsgeschehen, insbesondere auch den Inhalt der Aussagen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes, wieder und zitierte zu Beginn ihrer eigenen Beurteilung die maßgeblichen Bestimmungen des FPG. Sodann nahm sie "aufgrund der oben dargelegten Aussagen und der Erhebungsergebnisse" als erwiesen an, dass Z. die Beschwerdeführerin "nur zum Zwecke der Erlangung von Aufenthaltsberechtigungen für sie und ihre Kinder geheiratet und mit ihr nie ein gemeinsames Familienleben geführt hat". Darauf würden schon die Umstände des Zustandekommens der Ehe, die Widersprüche in den Aussagen der Eheleute und die behördlichen Erhebungsergebnisse hindeuten. Der "Ex-Ehemann" der Beschwerdeführerin habe nicht einmal das genaue Datum der Hochzeit, hingegen die genauen Geburtsdaten seiner (unehelichen) Kinder angeben können. Die Gleichgültigkeit, mit der er seiner Ehe gegenübergestanden sei, wäre aus seiner Aussage deutlich zu erkennen. Er habe auch den Vorhalt nicht dezidiert ausgeschlossen, dass ihn die Beschwerdeführerin "nur wegen der Aufenthaltsberechtigung" geehelicht habe. Es könne kein Zweifel bestehen, dass das Verhalten der Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG "voll erfüllt", was den öffentlichen Interessen grob zuwiderlaufe.

In der daran anschließenden Interessenabwägung nach § 66 FPG berücksichtigte die belangte Behörde die etwa fünfjährige Dauer des Aufenthalts der Beschwerdeführerin in Österreich und ihre Berufstätigkeit sowie den Aufenthalt ihrer Kinder sowie ihrer Eltern und Geschwister. Das Gewicht der daraus ableitbaren persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin sei aber aufgrund der Scheinehe gemindert. Die belangte Behörde erachtete daher das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 EMRK genannten Ziele für dringend geboten, wobei sie in diesem Zusammenhang abschließend begründete, die "inländischen Bindungen" der Beschwerdeführerin zu ihren beiden Kindern seien "insoweit zu relativieren", als diese "unter einem aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - nach Aktenvorlage erwogen hat:

Der angefochtene Bescheid kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil er sich im Rahmen der Interessenabwägung entscheidungswesentlich auch auf die Annahme gründet, die Kinder der Beschwerdeführerin müssten ebenfalls das österreichische Bundesgebiet verlassen. Die Bescheide der belangten Behörde, mit denen die Ausweisung der Söhne der Beschwerdeführerin verfügt worden war, wurden allerdings mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Zlen. 2012/23/0014, 0015, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung des Umstandes, dass die Kinder der Beschwerdeführerin nicht "unter einem" ausgewiesen werden, zu einem anderen Bescheid - zumindest zu einer kürzeren Befristung des Aufenthaltsverbotes - gekommen wäre.

Im Übrigen ist zu bemängeln, dass die oben wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides keine schlüssige und nachvollziehbare Beweiswürdigung für die Annahme darstellt, die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann hätten - wie es der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG (idF vor dem FrÄG 2009: ausdrücklich) fordert - (nach der Eheschließung) nie eine gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/21/0391; siehe daran anschließend auch das Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0003). Die Aussagen der Beschwerdeführerin und des Z. stimmen nämlich zumindest darin überein, im Zeitraum November 2004 bis Jänner 2006 zusammengewohnt zu haben. Dass die diesbezüglichen Angaben des Z. (und der Beschwerdeführerin) unglaubwürdig wären und aus welchen Gründen dies anzunehmen sei, lässt sich dem angefochtenen Bescheid aber nicht entnehmen. Im Übrigen kommt es im gegebenen Zusammenhang allein auf die Absicht des Fremden an (vgl. aus der letzten Zeit etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0269, mwN). Daher ist aus der konstatierten "Gleichgültigkeit" des Z., mit der er der (damals schon geschiedenen) Ehe bei seiner Vernehmung am gegenübergestanden sei, nichts zu gewinnen. Die Feststellung, Z. habe den Vorhalt nicht dezidiert ausgeschlossen, dass ihn die Beschwerdeführerin nur wegen der Aufenthaltsberechtigung geehelicht habe, reicht aber für die Begründung einer von Anfang an vorliegenden Missbrauchsabsicht der Beschwerdeführerin nicht aus. Außerdem hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen betreffend die von ihr bei der Beweiswürdigung verwerteten "Umständen des Zustandekommens der Ehe" getroffen und nicht näher begründet, welche Widersprüche und (sonstigen) behördlichen Erhebungsergebnisse konkret für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe iSd § 60 Abs. 2 Z 9 FPG sprechen.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das über die dort genannten Pauschalsätze (für Schriftsatzaufwand: EUR 1.106,40) hinausgehende Mehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
EAAAE-77727