VwGH vom 26.02.2014, 2010/13/0052
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1394-W/08, betreffend Nachfeststellung gemäß § 22 Abs. 1 BewG (mitbeteiligte Partei: W Fonds in W, vertreten durch Dr. Christine Fädler, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Alser Straße 43/16), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte, ein gemeinnütziger Fonds, dessen Zweck unter anderem in der Bereitstellung des für den sozialen Wohnbau in X erforderlichen Bodens durch dessen angemessenen Erwerb und Baureifmachung sowie durch dessen entgeltliche Überlassung an geeignete Dritte besteht, erwarb am ein im Flächenwidmungsplan von X als "Ländliches Gebiet" ausgewiesenes Grundstück, dessen Kaufpreis 197 EUR pro m2, somit 4.523.317 EUR für 22.961 m2 betrug. In Punkt V. des Kaufvertrages stellten die Parteien übereinstimmend fest, "dass der (Mitbeteiligte) das Kaufobjekt unter anderem zum Zwecke der Errichtung eines unterkellerten Bauwerkes unter Ausnutzung der maximalen Baudichte erwirbt".
Am schloss der Mitbeteiligte mit Johann W, einem Landwirt, "auf unbestimmte Zeit gegen jederzeitigen Widerruf" ein prekaristisches Benützungsübereinkommen betreffend das in Rede stehende Grundstück ab, welches am in Kraft trat. Anschließend (Eingabe vom ) gab der Mitbeteiligte dem Finanzamt bekannt, dass er ein Grundstück erworben, mit Stichtag übernommen und Johann W zur prekaristischen Nutzung überlassen habe. Er ersuche um "Zurechnungsfortschreibung ab und Bewertung als wirtschaftlicher Betrieb". Der Eingabe lagen der Kaufvertrag vom , das Übergabeprotokoll und das Nutzungsübereinkommen mit Johann W vom bei.
Das Finanzamt führte im Februar 2005 einen Ortsaugenschein durch und stellte fest, dass das in Rede stehende Grundstück aus 40 zusammenhängenden Parzellen bestehe, die im Norden von der Y Straße und im Süden von der Z Straße begrenzt würden. Die Parzellen stellten aufgrund ihrer Größe und Anordnung typische Bauparzellen dar. Die umgebenden Grundstücke seien teilweise landwirtschaftlich bzw. gartenbaulich genutzt, wobei die rege Bautätigkeit der vergangenen Jahre die Landwirtschaft stark zurückgedrängt habe. In der näheren Umgebung seien großflächige Siedlungen entstanden, die zum größten Teil aus Einfamilienhäusern bestünden. Das Grundstück sei als landwirtschaftliches Gebiet gewidmet und werde derzeit landwirtschaftlich genutzt. Bei Berücksichtigung des Kaufpreises von 197 EUR je m2, der Form der Parzellen und der regen Bautätigkeit in der näheren Umgebung des Grundstückes sei aber anzunehmen, dass es trotz der momentan noch landwirtschaftlichen Widmung in absehbarer Zeit anderen als landwirtschaftlichen Zwecken dienen werde.
Im Anschluss an den Ortsaugenschein erließ das Finanzamt einen Einheitswertbescheid zum (Nachfeststellung gemäß § 22 Abs. 1 BewG), in welchem es das in Rede stehende Grundstück als Betriebsgrundstück (unbebautes Grundstück) bewertete.
Der Mitbeteiligte berief gegen den Einheitswertbescheid und brachte in der Berufung vor, dass er schon mit Schreiben vom bekannt gegeben habe, mit Johann W ein prekaristisches Benützungsübereinkommen abgeschlossen zu haben, aus dem hervorgehe, dass das Grundstück landwirtschaftlich genutzt werde. Weiters sei die Liegenschaft "laut Plandokument Nr. 4055 mit 'L' (Anm: 'Ländliche Gebiete') bewertet".
Nach Durchführung weiterer Erhebungen wies das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und begründete dies damit, dass sich der angefochtene Bescheid auf § 52 Abs. 2 BewG stütze. Die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstückes durch einen Prekaristen sei Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung und werde nicht bestritten. Nach den Erhebungen des Finanzamtes sei bereits im Jahr 2000 die Ausarbeitung eines Leitprojektes zur Erstellung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes zwecks Errichtung von Wohnbauten auf dem, das in Rede stehende Grundstück umfassenden, Areal beauftragt worden. Die Umsetzungswahrscheinlichkeit des im Jahr 2000 beauftragten Leitbildes sei laut schriftlicher Anfragebeantwortung der zuständigen Stelle bereits zum Bewertungsstichtag "sehr hoch" gewesen. Wenngleich die in Rede stehende Liegenschaft erst am in Bauland umgewidmet worden sei, "war für Zwecke der seitens der Abgabenbehörde zu treffenden Prognose einer in absehbarer Zeit anzunehmenden Änderung der Nutzung und der sich damit ergebenden Verwertungsmöglichkeit der gesetzliche Tatbestand der Zurechnung zum Grundvermögen bereits zum berufungsgegenständlichen Nachfeststellungszeitpunkt hinreichend erfüllt".
Vom Mitbeteiligten wurde die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt und im Vorlageantrag vorgebracht, dass die Widmung eines Grundstückes als Bauland nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein nicht ausreiche, ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück dem Grundvermögen zuzuordnen. Wenn selbst als Bauland gewidmete Grundstücke nicht dem Grundvermögen zuordenbar seien, müsse dies umso mehr für Grundstücke gelten, die zum Bewertungsstichtag keine Baulandwidmung aufwiesen. Bei einer "Umreihung" von land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücksflächen gemäß § 52 Abs. 2 BewG hätten die objektiven Gegebenheiten (Verwendungsmöglichkeit) Vorrang vor den subjektiven Intentionen (Verwendungsabsicht). Mangels entsprechender Umwidmung des Grundstückes zum Bewertungsstichtag entfalle die Möglichkeit, "dass die Liegenschaft anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werde und ist diese daher insbesondere weder als Bauland, Industrieland noch als Land für Verkehrszwecke anzusehen". Auch die am erfolgte Umwidmung in Bauland widerspreche der auf den Stichtag bezogenen Bewertung. Zum einen sei ein Zeitraum von zwei Jahren nicht als "absehbare" Zeit im Sinne des § 52 Abs 2 BewG zu beurteilen, zum anderen "kommt es nicht auf die Verwendungsabsicht an, zumal allfällige baubehördliche Verfahren durchzuführen sein werden".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung statt und führte begründend aus, die in Rede stehende Liegenschaft sei zum Stichtag im Flächenwidmungsplan als ländliches Gebiet ausgewiesen gewesen und landwirtschaftlich genutzt worden. Gebäude und Anlagen, die nicht der Land- und Forstwirtschaft dienten, hätten auf der Liegenschaft nicht errichtet werden dürfen. Im Jänner 2007 sei die Liegenschaft in Bauland umgewidmet worden. "Wenn der Verwaltungsgerichtshof u. a. in seinem Erkenntnis vom , 91/15/0089, von zur Baulandwidmung hinzutretenden objektiven Umständen spricht, so ist dazu zu sagen, dass in gegenständlichem Fall keine Baulandwidmung vorgelegen ist, die Liegenschaft also zum streitgegenständlichen Stichtag - abgesehen von den o. a. Ausnahmen - gar nicht bebaut werden hätte dürfen. Die rechtskräftige Flächenwidmung erfolgte immerhin erst zwei Jahre später. Somit fehlte die objektive Möglichkeit der Bebaubarkeit, womit zu diesem Zeitpunkt auch keine Prognose abgegeben werden konnte, dass die Liegenschaft in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen wird." Es sprächen zwar einige Punkte für eine mögliche spätere Verwendung als Bauland, auf Grund der fehlenden Widmung sei aber "bezogen auf den nicht mit ausreichender Bestimmtheit feststellbar, dass auf die Wahrscheinlichkeit einer Verwendung des Grundstückes in absehbarer Zeit zu anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken geschlossen werden könnte". Eine Zuordnung zum Grundvermögen "erscheint daher nach dem oben gesagten zum verfrüht".
Dagegen richtet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde sowie den Mitbeteiligten erwogen:
Nach § 52 Abs. 2 BewG sind land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundflächen dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage und den sonstigen Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht auf die bestehenden Verwertungsmöglichkeiten, anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden, z.B., wenn sie hienach als Bauland, Industrieland oder als Land für Verkehrszwecke anzusehen sind.
§ 52 Abs. 2 BewG legt den Abgabenbehörden die Verpflichtung auf, eine Tendenz ("in absehbarer Zeit") und eine Annahme ("wenn anzunehmen ist") zu erforschen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 81/17/0040, mwN). Dabei sind im Rahmen der Verwertungsmöglichkeiten nicht nur wirtschaftliche Gegebenheiten, sondern auch bestehende Rechtsvorschriften zu berücksichtigen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 17/0188/80), wobei zur Prüfung der Wahrscheinlichkeit nach objektiven Kriterien vorzugehen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 82/17/0079). Die Widmung eines Gebietes als Bauland oder als Gewerbegebiet im Rahmen der örtlichen Raum- oder Flächenwidmungsplanung rechtfertigt es beispielsweise für sich allein noch nicht, ein land- oder forstwirtschaftlich genutztes Grundstück dem Grundvermögen zuzurechnen. Ist jedoch aufgrund von zur Baulandwidmung hinzutretenden objektiven Umständen - insbesondere betreffend die örtliche Lage und Aufschließung der Liegenschaft, die bauliche Entwicklung in der Umgebung sowie die zum Bewertungsstichtag gegebene und für die Zukunft zu erwartende Marktlage - anzunehmen, dass eine landwirtschaftlich genutzte Fläche in absehbarer Zeit vom genannten Stichtag anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen wird, so rechtfertigt dies - ohne dass es hiebei auf die Absichten des jeweiligen Grundeigentümers ankommt - durchaus die Zuordnung der Liegenschaft zum Grundvermögen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 84/15/0089-0102, vom , 84/15/0010, 0011, vom , 91/15/0025, vom , 91/15/0089, 0090, vom , 2000/14/0189, und vom , 2006/14/0032).
Im Beschwerdefall ist strittig, ob das vom Mitbeteiligten im Oktober 2004 erworbene Grundstück über die Bestimmung des § 52 Abs. 2 BewG dem Grundvermögen zugerechnet werden kann.
Die belangte Behörde vertritt soweit ersichtlich den Standpunkt, dass § 52 Abs. 2 BewG von vornherein nicht zum Tragen komme, weil das in Rede stehende Grundstück zum Stichtag im Flächenwidmungsplan als ländliches Gebiet ausgewiesen und nicht bebaubar gewesen sei. Da die objektive Möglichkeit der Bebaubarkeit fehle, könne - so die belangte Behörde weiter - zu diesem Zeitpunkt auch keine Prognose abgegeben werden, dass die Liegenschaft in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werde.
Der Auffassung, dass nur als Bauland gewidmete Grundstücke für eine Anwendung des § 52 Abs. 2 BewG in Betracht kämen, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen, weil das Gesetz eine derartige Einschränkung nicht kennt. Sie ist auch aus der oben referierten und von der belangten Behörde für ihren Standpunkt ins Treffen geführten hg. Rechtsprechung zur so genannten "Baulücke" nicht ableitbar. Dort wurde zwar wiederholt darauf hingewiesen, dass es die Widmung eines Gebietes als Bauland oder als Gewerbegebiet im Rahmen der örtlichen Raum- oder Flächenwidmungsplanung für sich allein noch nicht rechtfertigt, ein land- oder forstwirtschaftlich genutztes Grundstück dem Grundvermögen zuzurechnen. Es wurde aber auch ausgeführt, dass selbst "mangels Parzellierung und mangels einzelner Strom-, Wasser- , und Kanalanschlüsse nicht sofort verwertbare Grundstücke schon dann als Bau- oder Industrieland im Sinne des § 52 Abs. 2 BewG anzusehen" sind, "wenn an der späteren endgültigen Verwertung der Grundstücke kein begründeter Zweifel besteht, auch wenn für diese Verwertung noch kein naher Zeitpunkt abzusehen ist" (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/15/0089, 0090, zur so genannten "Baulücke", mwN). Nichts anderes kann in Bezug auf eine noch fehlende Flächenwidmung gelten, die einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob das in Rede stehende Grundstück aufgrund seiner Lage und der sonstigen Verhältnisse in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werde, jedenfalls nicht entgegensteht. Dies gilt umso mehr, als die Verwertungsmöglichkeit als Bauland im Streitfall schon zum Stichtag bestand, was nicht zuletzt daraus erhellt, dass der Mitbeteiligte für das Grundstück einen Kaufpreis von 197 EUR pro m2, somit 4.523.317 EUR für 22.961 m2 bezahlt hat und die Parteien in Punkt V. des Kaufvertrages übereinstimmend festgestellt haben, "dass der (Mitbeteiligte) das Kaufobjekt unter anderem zum Zwecke der Errichtung eines unterkellerten Bauwerkes unter Ausnutzung der maximalen Baudichte erwirbt".
Die belangte Behörde hat demnach, was die Anwendbarkeit des § 52 Abs. 2 BewG im Streitfall betrifft, die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am