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VwGH vom 21.11.2019, Ra 2018/10/0050

VwGH vom 21.11.2019, Ra 2018/10/0050

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen in Wien, vertreten durch Mag. Jürgen Spindlböck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/35, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zl. VGW-001/V/016/13446/2017-2, betreffend Übertretung nach dem Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: M B in S, vertreten durch Dr. Franz Amler, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Brunngasse 12/2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom legte die belangte Behörde dem Mitbeteiligten zur Last, er habe vorsätzlich im Fernabsatz mit einer Empfängeradresse in Kirchberg an der Pielach - und somit vom Inland aus - dem Anwendungsbereich des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 (AWEG 2010) unterliegende Arzneiwaren, nämlich 90 Stück Proscalpin 1 mg (Finasteride Tablets 1 mg), per Fernkommunikationsmittel bestellt, welche von einem näher genannten Unternehmen in Deutschland aufgrund der vom Mitbeteiligten getätigten Bestellung im Postversand-Flugverkehr am in das Bundesgebiet (Flughafen Wien-Schwechat) verbracht und vom Zollamt Wien entdeckt worden seien; damit habe der Mitbeteiligte zu verantworten, dass entgegen § 3 Abs. 1 AWEG 2010, wonach das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf nur zulässig sei, wenn beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen bis spätestens zwei Monate nach Verbringung der Arzneiwaren eine Meldung erstattet worden sei, die genannten Arzneiwaren ohne Vorliegen der erforderlichen Meldung in das österreichische Bundesgebiet verbracht worden seien. Dadurch habe der Mitbeteiligte § 3 Abs. 1 iVm § 21 Abs. 1 Z 2 AWEG 2010 verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 210,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) verhängt wurde.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom gab das Verwaltungsgericht Wien einer gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein.

3 Dem legte das Verwaltungsgericht zugrunde, der Mitbeteiligte habe von einem in Deutschland ansässigen Unternehmen via Internet an seine österreichische Wohnadresse 90 Stück der genannten Arzneiware bestellt. Die Ware sei am mittels Postversand in das österreichische Bundesgebiet eingeführt und sodann vom Zollamt Wien beschlagnahmt worden. Eine Meldung gemäß § 3 und 6 AWEG 2010 sei nicht erstattet worden. Dem Mitbeteiligten sei die im Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom ersichtliche Verwaltungsübertretung zur Last gelegt worden.

4 Zu der dem Mitbeteiligten von der belangten Behörde vorgeworfenen Übertretung des § 3 Abs. 1 AWEG 2010 führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dem Mitbeteiligten sei "bis zuletzt einzig zur Last gelegt" worden, dass er am Arzneiwaren ohne Vorliegen der erforderlichen Meldung gemäß § 3 AWEG 2010 aus einem EWR-Staat in das österreichische Bundesgebiet verbracht habe. Somit nehme die belangte Behörde als Zeitpunkt der dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Tat - die Unterlassung der besagten Meldung - den an. Eine "andere Datumsangabe" finde sich weder im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses noch in seiner Begründung. Es sei unstrittig, dass an jenem Tag die Verbringung der inkriminierten Ware in das österreichische Bundesgebiet erfolgt sei. Für eine Meldung sei dem Mitbeteiligten gemäß § 6 Abs. 3 AWEG 2010 - unabhängig von seiner Berechtigung hiezu - aber jedenfalls eine Frist von zwei Monaten ab der Verbringung verblieben. Daraus folge, dass der Mitbeteiligte die ihm zur Last gelegte Tat "denkmöglich nicht an besagtem Datum verwirklicht haben" könne. Das Verwaltungsgericht sei der Ansicht, dass "eine Korrektur der Tatzeit im gegenständlichen Fall über eine bloße Präzisierung derselben hinausgehen" müsste und eine unzulässige Erweiterung des Tatzeitraumes bzw. eine Auswechslung der Tat darstellen würde. Das angefochtene Straferkenntnis sei daher schon alleine aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit behaftet. Im Übrigen sei die Verfolgungsverjährungsfrist nach § 31 Abs. 1 VStG nunmehr bereits abgelaufen.

5 Eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen können, da bereits auf Grund der Aktenlage festgestanden sei, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben sei. Zudem sei die Durchführung einer Verhandlung von keiner Verfahrenspartei beantragt worden und seien bei unstrittigem Sachverhalt bloß Rechtsfragen ohne besondere Komplexität zu klären gewesen. 6 Die Revision gegen dieses Erkenntnis ließ das Verwaltungsgericht nicht zu.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen. 8 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. 9 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung. Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010, BGBl. I Nr. 79/2010 idF BGBl. I Nr. 163/2015 (AWEG 2010), lautet auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet:

...

5. Verbringen: Beförderung von Arzneiwaren oder Blutprodukten aus einer Vertragspartei des EWR in das Bundesgebiet mit Ausnahme der nachweislichen Durchfuhr;

...

Einfuhr, Verbringen, Behördenzuständigkeit§ 3. (1) Die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren

dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf, ist, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, nur zulässig, wenn im Fall der Einfuhr eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde oder im Falle des Verbringens eine Meldung erfolgt ist.

...

Meldung

§ 6. (1) Das Verbringen von in einer Vertragspartei des EWR zugelassenen oder hergestellten Arzneiwaren darf nur für Zwecke gemäß § 5 Abs. 1 und 2 erfolgen und bedarf - sofern Abs. 2 nicht anderes bestimmt - einer Meldung gemäß § 3.

...

(3) Eine Meldung gemäß Abs. 1 hat spätestens zwei Monate nach dem Verbringen zu erfolgen.

...

Strafbestimmungen

§ 21. (1) Wer

...

2. bei Arzneiwaren die nachträgliche Meldung des Verbringens gemäß § 6 unterlässt oder Arzneiwaren ohne Meldung entgegen § 7, 8 oder 9 verbringt, oder

...

begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3 600 Euro, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis zu 7 260 Euro zu bestrafen.

..."

11 Die vorliegende Amtsrevision macht in ihrer Zulässigkeitsbegründung geltend, das Verwaltungsgericht habe entgegen § 10 VwGVG dem revisionswerbenden Bundesamt keine Stellungnahme zur Beschwerde eingeräumt und entgegen § 44 Abs. 3 VwGVG keine Verhandlung anberaumt. Die revisionswerbende Partei sei daher in ihrem rechtlichen Gehör verletzt worden und habe ihren Standpunkt im Verfahren nicht vertreten können. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Mitbeteiligten nur das Verbringen von Arzneiwaren gemäß § 3 AWEG 2010 am vorgeworfen worden sei. Die belangte Behörde habe dem Mitbeteiligten auch zur Last gelegt, dass die Meldung nicht innerhalb der zweimonatigen Frist erstattet worden sei, sodass ihm die unterlassene nachträgliche Meldung des Verbringens vorgeworfen worden sei. Das Verwaltungsgericht sei in unvertretbarer Weise von einer Erweiterung des Verfahrensgegenstandes ausgegangen, welche nicht vorliege. 12 Die Revision ist zulässig und begründet:

13 Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten; dazu ist zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dieser Bestimmung genügt oder nicht genügt, wobei eine Ungenauigkeit bei der Konkretisierung der Tat in Ansehung von Tatzeit und Tatort dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides hat, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird (vgl. , mwN). Ein unzulässiges Austauschen des Tatvorwurfs stellt eine im Beschwerdeverfahren durch das Verwaltungsgericht vorgenommene Erweiterung des Tatvorwurfs bzw. die Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts dar. Ergänzt das Verwaltungsgericht den Tatvorwurf lediglich präzisierend, so liegt keine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs bzw. des Tatzeitraums vor (vgl. , mwN).

14 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes lässt sich dem Spruch des behördlichen Straferkenntnisses unmissverständlich entnehmen, dass dem Mitbeteiligten (auch) zur Last gelegt wurde, es zu verantworten zu haben, dass die in Rede stehenden Arzneiwaren, die am in das Bundesgebiet verbracht worden seien, entgegen § 3 Abs. 1 AWEG 2010, wonach das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf nur zulässig sei, wenn beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen bis spätestens zwei Monate nach Verbringung der Arzneiwaren eine Meldung erstattet worden sei, ohne Vorliegen der erforderlichen Meldung in das österreichische Bundesgebiet verbracht worden seien. Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, es sei dem Mitbeteiligten lediglich "als Zeitpunkt der zur Last gelegten Tat" die Unterlassung der besagten Meldung am vorgeworfen worden, trifft nicht zu. Auch einer weiteren - datumsmäßigen - Präzisierung bedurfte es angesichts des genannten Datums der Verbringung und der ausdrücklichen Nennung jener Frist, binnen der die nachträgliche Meldung zu erstatten ist, insoweit nicht. Dass im Straferkenntnis im Zusammenhang mit der Anführung der zweimonatigen Frist jene Norm, aus der sich diese Frist ergibt (§ 6 Abs. 3 AWEG 2010), nicht genannt wurde, wäre vom Verwaltungsgericht zu korrigieren gewesen. Die alleine auf eine unvollständige Tatanlastung gestützte Verfahrenseinstellung durch das Verwaltungsgericht stellt sich demnach als rechtswidrig dar.

15 Es bedarf im Revisionsfall allerdings weder eines näheren Eingehens auf den dem Mitbeteiligten vorgeworfenen Verwaltungsstraftatbestand noch einer Auseinandersetzung mit den in der Amtsrevision geltend gemachten Verfahrensmängeln, weil sich das angefochtene Erkenntnis überdies aus folgenden Gründen als rechtswidrig erweist:

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zur Bestimmung des Tatorts gemäß § 27 Abs. 1 VStG - und damit der örtlichen Zuständigkeit der belangten Behörde - bei einem Delikt wie dem vorliegenden auf den Ort der Bestellung abzustellen (vgl. , 0005; , Ra 2018/10/0175). Das Verwaltungsgericht hat sich im angefochtenen Erkenntnis zur örtlichen Zuständigkeit der belangten Behörde nicht geäußert. Durch seine abändernde Entscheidung bejahte das Verwaltungsgericht jedoch implizit die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde als Verwaltungsstrafbehörde, hätte es doch ansonsten das Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit aufzuheben gehabt (vgl. , VwSlg. 19289 A). Dass die Bestellung durch den Mitbeteiligten im Bereich der belangten Behörde erfolgt wäre, wurde allerdings nicht festgestellt. Aus welchen Gründen im Hinblick auf die im Straferkenntnis angeführte Empfängeradresse des Mitbeteiligten - die dem vorgelegten Akt der belangten Behörde zufolge dessen Hauptwohnsitz darstellt - von einer Bestellung in Wien auszugehen gewesen wäre, wurde nicht dargelegt.

17 Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und die Entscheidung der Behörde zu beheben. Eine anstelle dessen erfolgte Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache belastet diese mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. nochmals , VwSlg. 19289 A, mit Verweis auf ).

18 Da das Verwaltungsgericht demnach die Rechtslage verkannt bzw. in Verkennung der Rechtslage die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018100050.L00
Schlagworte:
Berufungsbescheid Berufungsverfahren Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Besondere Rechtsgebiete "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung ungenaue Angabe

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