VwGH vom 24.10.2018, Ra 2018/10/0049
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der Stadtapotheke M KG in E, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in 4470 Enns, Bräuergasse 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zlen. LVwG-050098/21/Gf/Mu - 050099/2 und LVwG-050102/8/Gf/Mu, betreffend Apothekenkonzession (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Bezirkshauptmannschaft Linz-Land; mitbeteiligte Partei: A W in S, vertreten durch die Krüger/Bauer Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Graben 14-15/B21), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang des Spruchpunktes I.a) (Abweisung der Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid der belangten Behörde vom ) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wurde - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren relevant - eine Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid der belangten Behörde vom abgewiesen, mit dem der Mitbeteiligten die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (im sog. "Gesundheitszentrum E") erteilt worden war.
2 Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen zugrunde, dass nach einem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom infolge der Erteilung der Konzession an die Mitbeteiligte die bereits bestehenden öffentlichen Apotheken der P KG und der revisionswerbenden Partei, welche nur 200 Meter voneinander entfernt seien, insgesamt weniger als 11.000 - nämlich jeweils nur 4.259 - Personen zu versorgen haben würden.
3 Ergänzend stellte das Verwaltungsgericht fest, das genannte Gesundheitszentrum sei mit sechs Ärzten für Allgemeinmedizin, sieben Fachärzten, einem Institut für Physiotherapie sowie einem Institut für Heilmassage bereits in Betrieb. Die Mitbeteiligte habe für die in Aussicht genommenen Betriebsräumlichkeiten der zu errichtenden Apotheke bereits einen (Unter-)Mietvertrag abgeschlossen und erfülle die Zahlungsverpflichtungen daraus. Im Verfahren sei "nichts hervorgekommen", was darauf hindeute, dass die zum Versorgungsgebiet der von der Mitbeteiligten beantragten öffentlichen Apotheke zählenden Einwohner nicht auch schon bisher zufriedenstellend durch die beiden bestehenden Apotheken versorgt gewesen wären.
4 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, bei einer Betrachtung nur nach § 10 Abs. 2 Z 3 Apothekengesetz (ApG) bestehe kein Bedarf an der von der Mitbeteiligten beabsichtigten neuen Apotheke. Mit Blick auf die ergänzende Bedarfsbestimmung des § 10 Abs. 6a ApG entwickelte das Verwaltungsgericht ein eigenes "Prüfungsschema" und bejahte im Ergebnis die Anwendbarkeit dieser Bestimmung:
5 Als Beispiel für die hier zugrunde liegenden "besonderen örtlichen Verhältnisse" habe der zu jener Bestimmung führende Initiativantrag von Abgeordneten des Nationalrates auch angeführt, dass die neu zu errichtende öffentliche Apotheke sich im näheren Umkreis "größerer medizinischer Einrichtungen" oder eines "Krankenhauses mit mehreren Anstaltsambulatorien" befinde. Mit Blick auf die festgestellte Größe des Gesundheitszentrums handle es sich dabei um eine "größere medizinische Einrichtung" in diesem Sinne.
6 Das Verwaltungsgericht nahm schließlich eine Abwägung des für die Patienten des Gesundheitszentrums verbundenen "Zeitersparnis- und Bequemlichkeitsvorteils", die "verordneten Medikamente unmittelbar vor Ort, also im Gesundheitszentrum selbst, erhalten zu können", mit den für die P KG und die revisionswerbende Partei verbundenen finanziellen Einbußen infolge der Errichtung der beantragten Apotheke vor. Mit Blick auf das den beiden bestehenden Apotheken unstrittig verbleibende gemeinsame Versorgungspotential von 8.518 Personen ließ das Verwaltungsgericht diese Abwägung zugunsten der beantragten neuen Apotheke ausschlagen. Die bestehenden Apotheken hätten nicht konkret nachgewiesen, weshalb ihnen bei einem solchen Kundenpotential eine betriebswirtschaftlich rentable Führung eines Apothekenunternehmens künftig nicht möglich sein solle.
7 Die Revision gegen diese Entscheidung ließ das Verwaltungsgericht nicht zu.
8 2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
9 Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
10 1. Die Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision sprechen als "Kernfrage" die Auslegung der "besonderen örtlichen Verhältnisse" im Sinn des § 10 Abs. 6a ApG an und befassen sich kritisch mit dem vom Verwaltungsgericht entwickelten Prüfungsschema sowie damit, ob die "Vorteilhaftigkeit und Bequemlichkeit" für Kunden einer größeren medizinischen Einrichtung allein ausreiche, um besondere örtliche Verhältnisse im Sinn des § 10 Abs. 6a ApG zu begründen, oder ob nicht Patienten eines Primärversorgungszentrums durch eine bereits bestehende öffentliche Apotheke in der Entfernung von 850 m (vom Primärversorgungszentrum) ausreichend mit Arzneimittel versorgt würden.
11 2. Die Revision erweist sich aufgrund dieser Ausführungen als zulässig. Sie ist auch berechtigt.
12 2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/10/0103, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird (vgl. insbes. Rz 17 bis 24), geklärt, unter welchen Voraussetzungen "besondere örtliche Verhältnisse" im Sinne des § 10 Abs. 6a ApG (idF BGBl. I Nr. 103/2016) vorliegen, die die Erteilung einer beantragten Apothekenkonzession in Abweichung der Bedarfskriterien des § 10 Abs. 2 Z 3 ApG gebieten.
13 2.2. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass bei Errichtung der von der Mitbeteiligten beantragten öffentlichen Apotheke das Mindestversorgungspotential der bestehenden öffentlichen Apotheken - nämlich jener der revisionswerbenden Partei und der P KG - unter die in § 10 Abs. 2 Z 3 ApG normierte Grenze von je 5.500 Personen fiele.
14 Die vom Verwaltungsgericht festgestellte Lage der Betriebsstätte der beantragten öffentlichen Apotheke in einem sog. Gesundheitszentrum, in dem mehrere Ärzte und Fachärzte, ein Institut für Physiotherapie sowie ein Institut für Heilmassage situiert seien, führt nach dem zitierten Erkenntnis Ra 2017/10/0103 - entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes - noch nicht zur Anwendung des § 10 Abs. 6a ApG.
15 Vielmehr ist, wenn die Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke in einem Gebiet liegt, das nach der Struktur seines Bevölkerungsbestandes geeignet ist, eine besondere Bedarfssituation hinsichtlich der sicheren und qualitativ hochwertigen Versorgung mit Arzneimitteln zu indizieren (etwa im näheren Umkreis einer "größeren medizinischen Einrichtung"), als zweite Voraussetzung zu prüfen, ob die konkret vorliegenden demographischen Besonderheiten zu einem (bestehenden oder unmittelbar bevorstehenden) Mangel in der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimittel führen, dem durch die beantragte Apotheke begegnet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ansonsten - d.h. bei Nichterrichtung der neuen Apotheke - eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung unter Berücksichtigung des Versorgungsangebots durch bestehende Apotheken (einschließlich Filialapotheken und ärztlichen Hausapotheken) nicht gewährleistet ist, weil die bestehenden Apotheken infolge der konkreten örtlichen Gegebenheiten und Verkehrsverhältnisse nicht ausreichend rasch bzw. nur unzumutbar erreichbar sind (Rz 22 des Erkenntnisses Ra 2017/10/0103).
16 Eine Bejahung dieser Voraussetzung ist der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu entnehmen; vielmehr geht das Verwaltungsgericht selbst davon aus, dass im Verfahren "nichts hervorgekommen" sei, was darauf hindeute, dass die zum Versorgungsgebiet der von der Mitbeteiligten beantragten öffentlichen Apotheke zählenden Einwohner nicht auch schon bisher zufriedenstellend durch die beiden bestehenden Apotheken versorgt gewesen wären.
17 Die revisionswerbende Partei weist in diesem Zusammenhang in der Revision - wie schon in ihrer Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom - auf die geringe Entfernung zwischen der neu zu errichtenden Apotheke der Mitbeteiligten und den Apotheken der revisionswerbenden Partei und der P KG hin. So betrage die Distanz zwischen der neu beantragten Apotheke und jener der revisionswerbenden Partei lediglich 850 Meter.
18 2.3. Im Übrigen liegt eine im Sinn des § 10 Abs. 6a APG maßgebliche "Verbesserung" der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung nur dann vor, wenn im Falle der Nichterrichtung der beantragten Apotheke eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln nicht gewährleistet wäre (vgl. (Rz 27)). Der vom Verwaltungsgericht in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses hervorgehobene "Zeitersparnis- und Bequemlichkeitsvorteil" für die Patienten des Gesundheitszentrums infolge der Errichtung der von der Mitbeteiligten beantragten Apotheke reicht hiefür nicht aus.
19 3. Nach dem Gesagten erweist sich das angefochtene Erkenntnis als inhaltlich rechtswidrig. Es war daher im Umfang der darin ausgesprochenen Abweisung der Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid der belangten Behörde vom gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018100049.L00.1 |
Schlagworte: | Besondere Rechtsgebiete |
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