VwGH vom 26.01.2006, 2005/16/0249
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. Walter Fleissner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 21, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , Zl. Jv 1894-33a/05, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom erhob die Beschwerdeführerin vor dem Bezirksgericht Favoriten Klage gegen die Beklagte "V Verein " auf Zahlung von ausstehendem Mietzins für die Monate März und April 2000 im Betrag von S 96.801,-- samt Zinsen und auf Räumung des näher bezeichneten Bestandobjektes verbunden mit dem Antrag auf pfandweise Beschreibung der in dem Bestandgegenstand eingebrachten Einrichtungsgegenstände und Fahrnisse. Zu Beginn der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom dehnte die Beschwerdeführerin ihr Zahlungsbegehren um ausstehenden Mietzins für den Monat Mai 2000 sowie um ausstehenden Mietzins und Betriebskosten für den Monat Juni 2000 auf insgesamt S 197.076,02 samt Zinsen aus.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom schlossen die Streitteile den nachfolgenden, zur Gänze in Rechtswirksamkeit erwachsenen Vergleich:
"1. Die beklagte Partei verpflichtet sich, das Mietobjekt ... bis längstens von ihren Fahrnissen zu räumen und der Beschwerdeführerin geräumt zu übergeben, dies unter Verzicht auf Räumungsaufschub aus welchem Titel auch immer.
2. Die beklagte Partei verpflichtet sich, der Beschwerdeführerin den sich aus dem unter 1) genannten Mietvertrag sowie den sich aus dem Mietvertrag vom ergebenden Mietzins jeweils pünktlich zum Monatsersten sowie einen Betrag von S 11.475,02 als Betriebskosten für September 2000, einen Betrag von S 8.001,10 als Lagermiete für September 2000, einen Betrag von S 55.857,02 als Mietzins incl. BK + UST für Oktober 2000 bis längstens zu bezahlen.
3. Punkt 1) des Vergleiches tritt dann außer Kraft bzw. entfällt, wenn Punkt 2) des Vergleiches frist- und termingerecht erfüllt wird.
4. .......
5. ......."
Nach Erhebung von Einwendungen gegen die Zahlungsaufforderung schrieb die Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes Favoriten der Beschwerdeführerin ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 7,748.430,-- eine restliche Pauschalgebühr von EUR 7.214,38 zuzüglich einer Einhebungsgebühr vor.
In dem dagegen erhobenen Berichtungsantrag vertrat die
Beschwerdeführerin zusammengefasst den Standpunkt, dass mit dem
eingangs wiedergegebenen Vergleichswortlaut (" ... sowie den sich
aus dem Mietvertrag vom ergebenden Mietzins jeweils
pünktlich zum Monatsersten ... zu bezahlen.") keine zusätzliche
Leistungsverpflichtung begründet und kein Exekutionstitel geschaffen worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag nicht Folge. Werde in einem gerichtlichen Räumungsvergleich eine zeitlich nicht exakt begrenzte Verpflichtung zur Zahlung eines (wiederkehrenden) Betrages (hier: eines Mietzinses) übernommen, so richte sich die Bemessungsgrundlage für die zu zahlende "Ergänzungsgebühr" nach dem Zehnfachen des Jahreswertes. Sei eine zeitliche Begrenzung der wiederkehrenden Leistungen nicht vereinbart worden, so ergebe sich, dass die Beträge bis zur tatsächlichen Räumung zu bezahlen seien; in diesem Fall sei der tatsächliche Endtermin für die Bezahlung des Mietzinses im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses unbestimmt, sodass nach § 58 JN das Zehnfache der Jahresleistung als Bemessungsgrundlage heranzuziehen sei. Die Meinung der Beschwerdeführerin, dass mit dem Vergleich weder eine zusätzliche Leistungsverpflichtung begründet noch ein Exekutionstitel für eine solche geschaffen werde, könne nicht gefolgt werden, weil es für die Gebührenpflicht unerheblich sei, ob ein exekutionsfähiger Titel entstanden sei oder nicht. Ob ein Vergleich in gebührenrechtlicher Hinsicht vorliege, sei auch nicht danach zu beurteilen, wie er bezeichnet werde, sondern lediglich danach, ob Verfügungen über materielle Rechte getroffen würden. Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass der Verzicht auf die Räumung nicht höher bewertet werden könne als das Räumungsbegehren, gehe ins Leere, weil nicht der Räumungsverzicht (Lösungsbefugnis in Punkt 3. des Vergleiches), sondern die Leistungsverpflichtungen (Punkt 1. und 2. des Vergleiches) der Bewertung unterzogen würden.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterbleiben der Vorschreibung einer zusätzlichen Pauschalgebühr nach § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG verletzt; sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist der Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr nach § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt ein Vergleich auch dann zu einer Neubewertung des Streitgegenstandes, wenn er in Ansehung eines gar nicht (mehr) strittigen Anspruches geschlossen bzw. wenn darin eine vertraglich schon bestehende Verpflichtung neuerlich übernommen wird. Selbst ein Vergleichspunkt, der allenfalls nur der Klarstellung gedient hat, ist dabei gebührenrechtlich von Bedeutung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/16/0166, mwN).
Der Einbeziehung des Bestandszinses in die Bemessungsgrundlage der Pauschalgebühr steht nicht entgegen, dass der Bestandzins im Vergleich selbst nicht angeführt ist, sondern aus dem Zusammenhalt mit dem Bestandvertrag zu entnehmen ist. Es genügt, dass sich der Bestandnehmer neuerlich zur Entrichtung des Bestandszinses in der schon vorher vereinbarten Höhe verpflichtet hat. Für die Gebührenpflicht eines Vergleiches ist es überdies unbeachtlich, ob ein exekutionsfähiger Titel entstanden ist oder nicht (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom mwN).
Wird in einem Vergleich, in dem sich der Beklagte zur Räumung des Bestandobjektes bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verpflichtet, die Zahlung des Benützungsentgelts ohne datumsmäßige Fixierung eines Endtermins vereinbart, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Bemessungsgrundlage für die Verpflichtung zur Leistung des Benützungsentgelts der zehnfache Wert der Jahresleistung heranzuziehen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom mwN).
Die Beschwerdeführerin sieht die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vorerst darin, dass sie im Punkt 2. des eingangs wiedergegebenen Vergleiches lediglich über ihren Räumungsanspruch aus Punkt 1. des Vergleiches disponiert habe. Es habe sich nur um eine Lösungsbefugnis und nicht um eine Leistungsverpflichtung gehandelt, weshalb dieser Vergleichspunkt unter Beachtung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1176/01, nicht in die Bemessungsgrundlage hätte einbezogen werden dürfen.
Dem genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, VfSlg. 16.701, lag der Fall zu Grunde, dass sich eine beklagte Partei zur ratenweisen Zahlung restlichen Mietzinses und zur Räumung des Bestandobjektes verpflichtete; wenn die eingeräumten Ratenzahlungen neben dem laufenden monatlichen Mietzins pünktlich bezahlt würden, verpflichtete sich der Kläger, vom Räumungstitel keinen Gebrauch zu machen. Der Verfassungsgerichtshof führte in dem zitierten Erkenntnis - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Relevanz - aus, entscheidend sei, dass der damalige Kläger durch seinen Verzicht darauf, vom zuvor geschaffenen Exekutionstitel Gebrauch zu machen, allenfalls über jenen Anspruch disponiert habe, den auch dieser Exekutionstitel betroffen habe, offenkundig aber über keinen anderen Anspruch. Der Anspruch, den jener Exekutionstitel betroffen habe, sei aber der Anspruch auf Räumung, den der damalige Kläger bereits mit seiner Klage geltend gemacht und für den er die Pauschalgebühr entrichtet gehabt habe. Dass mit dem letzten Satz des Vergleiches über den Anspruch auf Zahlung des Mietzinses disponiert worden wäre, sei nicht zu erkennen. Die bloß beiläufige Erwähnung des laufenden Mietzinses genüge diesem Erfordernis jedenfalls nicht; eine Verpflichtung des dort Beklagten, den Mietzins zu zahlen, lasse sich daraus nicht ableiten. Vielmehr sei auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/16/0131, zu verweisen, nach welchem die in einem Vergleich vereinbarte Lösungsbefugnis keine Verpflichtung auferlege und damit für die Berechnung des Streitwertes nicht herangezogen werden könne.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausführte, unterzog die Kostenbeamtin nicht Punkt 3. des nun vorliegenden Vergleiches einer Vergebührung, sondern ausschließlich die Punkt 1. und 2. dieses Vergleiches, in denen sich die Beklagte sowohl zur Räumung als auch zur Zahlung des laufenden Mietzinses samt Betriebskosten jeweils "bis längstens " verpflichtete, sodass die Beschwerdeführerin mit Ablauf dieses Tages sowohl über einen Räumungs- als auch über einen Zahlungstitel verfügte, aus denen sich die restliche Pauschalgebühr errechnete.
Weiters leitet die Beschwerdeführerin aus § 575 Abs. 3 ZPO (richtig: § 575 Abs. 2 ZPO) ab, dass eine allfällige indirekte Verpflichtung zur laufenden Mietzinszahlung allerhöchstens bis zum begründet worden sei, weil dieser Vergleichspunkt danach nicht mehr exekutiv hätte durchgesetzt werden können. Eine allenfalls zeitlich begrenzte Vollstreckbarkeit des Räumungstitels lässt jedoch entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin die Zahlungsvereinbarung laut Punkt 2. des Vergleiches unberührt, sodass der zehnfache Wert der Jahresleistung an Mietzins heranzuziehen war.
Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am