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VwGH vom 10.12.2013, 2012/22/0267

VwGH vom 10.12.2013, 2012/22/0267

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Guido Kollmann in 1010 Wien, Elisabethstraße 24, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 160.281/3-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den (im Verwaltungsverfahren in zulässiger Weise geänderten) Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, vom , auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 20 Abs. 4 und § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei aufgrund eines am gestellten Antrages "erstmals" ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" erteilt worden.

Gegenüber der Behörde erster Instanz habe der Beschwerdeführer angegeben, von 1994 bis 2007 ohne Unterbrechung in Österreich gelebt zu haben, wobei er von 1994 bis 2001 Asylwerber gewesen wäre. Von 2007 bis Juni 2010 hätte er sich in Indien aufgehalten, weil seine Mutter erkrankt wäre und er für sie hätte sorgen müssen. Er wäre - den Ausführungen in der Berufung zufolge - am nach Österreich zurückgekehrt.

Am habe der Beschwerdeführer persönlich bei der Behörde erster Instanz einen Antrag auf "Übertrag" des ihm früher erteilten Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" gestellt. Diesen Antrag habe der Beschwerdeführer am im Zuge einer Vernehmung vor der erstinstanzlichen Behörde dahingehend modifiziert, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 43 Abs. 5 NAG, was nach der im Entscheidungszeitpunkt anzuwendenden Rechtslage § 41a Abs. 6 NAG entspreche, gerichtet werde. Des Weiteren sei ein Zusatzantrag auf Zulassung der Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 3 NAG gestellt worden. Mit Schreiben vom habe der rechtsfreundliche Vertreter "diese Antragstellungen" wiederholt.

In der Folge sei der - geänderte - Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom gemäß § 21 Abs. 1 iVm § 20 Abs. 4 NAG abgewiesen worden. Der dagegen eingebrachten Berufung habe allerdings die belangte Behörde unter Behebung der erstinstanzlichen Entscheidung mit Bescheid vom stattgegeben, weil die Behörde erster Instanz auf die Bestimmung des § 21 Abs. 3 NAG nicht Bedacht genommen habe.

Der Landeshauptmann von Wien habe den Antrag des Beschwerdeführers sodann mit Bescheid vom gemäß § 21 Abs. 1 iVm § 20 Abs. 4 iVm § 41a Abs. 6 NAG neuerlich abgewiesen. Begründend habe die erstinstanzliche Behörde ausgeführt, der dem Beschwerdeführer früher erteilte Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" wäre ex lege erloschen. Zur Antragstellung im Inland wäre er nicht berechtigt gewesen.

In der dagegen erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen eingewendet, er wäre "aus Gründen des Privat- und Familienlebens (schwere Erkrankung Ihrer Mutter) aus Österreich ausgereist". Wegen eines Rechtsirrtumes hätte er vergessen, die österreichischen Behörden von seiner Ausreise, "die mit Sicherheit gemäß § 8 EMRK gerechtfertigt ist", zu verständigen. Auch wäre er niemals zur Frage vernommen worden, ob er in Kenntnis oder in entschuldbarer Unkenntnis darüber gewesen wäre, dass er den österreichischen Behörden seine Ausreise nach Indien zwecks Pflege seiner schwer erkrankten Mutter hätte bekanntgeben müssen. Aufgrund seiner finanziellen Situation könnte sich der Beschwerdeführer eine Ausreise nach Indien zur Antragstellung nicht leisten.

Der Beschwerdeführer habe sich - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung - etwa zweieinhalb Jahre außerhalb des EWR-Gebietes aufgehalten. Er habe dies der Behörde nicht - wie in § 20 Abs. 4 NAG verlangt - vorher mitgeteilt. Der ihm früher erteilte Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" sei erloschen.

Auf Grund dessen, dass der Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers erloschen sei, liege ein Erstantrag vor. Ein Erstantrag sei gemäß § 21 Abs. 1 NAG vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung sei im Ausland abzuwarten. Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag entgegen § 21 Abs. 1 NAG im Inland gestellt. Es sei kein Fall des § 21 Abs. 2 NAG gegeben, wonach der Beschwerdeführer, der sich im Zeitpunkt der Antragstellung unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, zur Inlandsantragstellung berechtigt gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer habe einen Antrag auf Zulassung der Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 3 NAG gestellt. Entgegen seiner Auffassung sei es ihm aber möglich und zumutbar gewesen, "die nötigen Rechtskenntnisse vor Ihrer erfolgten Ausreise nach Indien bei der zuständigen Behörde erster Instanz oder bei Rechtskundigen einzuholen". Er sei der ihm zumutbaren "Sorgfaltspflicht" nicht nachgekommen.

Bei der Beurteilung im Sinn des Art. 8 EMRK seien keine besonderen Umstände ersichtlich, wonach es dem Beschwerdeführer unzumutbar wäre, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen. Der Argumentation, der Beschwerdeführer könnte sich eine Ausreise nach Indien zur Antragstellung nicht leisten, sei nicht zu folgen, zumal für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "vorweg die allgemeinen Voraussetzungen, u.a. die finanziellen Mittel, erfüllt" sein müssten. Die belangte Behörde gelange somit zum Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der Einwanderungsbestimmungen höher zu werten seien als die privaten Interessen des Beschwerdeführers. Dass er sich infolge des Erlöschens seines früher erteilten Aufenthaltstitels von Beginn der Wiedereinreise an unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, habe er "ausschließlich selbst zu verantworten".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles angesichts des Zeitpunktes der Zustellung des angefochtenen Bescheides () nach den Bestimmungen des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 38/2011 richtet.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vorgenommene Beurteilung nach § 21 Abs. 3 Z 2 NAG mit dem Hinweis auf die durch die schwere Erkrankung seiner Mutter bedingte Abwesenheit von Österreich. Aufgrund eines Rechtsirrtumes habe er die österreichischen Behörden nicht von seiner Ausreise nach Indien verständigt. Er habe seine "Zelte in Österreich Hals über Kopf abgebrochen". Daher habe er sich auch nicht "im Detail erkundigen können", welche Auswirkung seine Ausreise auf seinen Aufenthaltstitel haben würde. Erst nachdem sich der Gesundheitszustand seiner Mutter stabilisiert habe und diese auch "einen halbwegs gangbaren Zugang zu seiner Frau gefunden habe", sei der Beschwerdeführer wieder nach Österreich zurückgekehrt.

Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Drittstaatsangehörigen kann gemäß § 41a Abs. 6 NAG ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen (Z 1) und über einen Aufenthaltstitel gemäß § 45 NAG verfügt haben und dieser gemäß § 20 Abs. 4 oder 4a NAG erloschen ist (Z 2).

Gemäß - der im 1. Teil des NAG enthaltenen Vorschrift des - § 21 Abs. 1 NAG sind Erstanträge - dass hier ein solcher vorliegt, wird in der Beschwerde nicht weiter in Frage gestellt - vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.

Abweichend von § 21 Abs. 1 NAG kann die Behörde gemäß § 21 Abs. 3 Z 2 NAG auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3 NAG) nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren.

Der Beschwerdeführer, der seinen Erstantrag unstrittig entgegen § 21 Abs. 1 NAG im Inland gestellt hat, führte im Verwaltungsverfahren zur Begründung des von ihm nach § 21 Abs. 3 NAG gestellten Antrages auf Zulassung der Inlandsantragstellung die bereits oben wiedergegebenen Umstände ins Treffen.

Diese stellen sich aber nicht als von solchem Gewicht dar, dass es geboten wäre, dem Beschwerdeführer einen aus Art. 8 EMRK resultierenden Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels einzuräumen. Zu Recht hat die belangte Behörde entscheidungswesentlich darauf abgestellt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen, gegen die der Beschwerdeführer durch seine unrechtmäßige Einreise und den seit der Einreise unrechtmäßigen Aufenthalt verstoßen hat, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/22/0220, mwN). Dass im vorliegenden Fall das erwähnte öffentliche Interesse gegenüber dem privaten Interesse des Beschwerdeführers in den Hintergrund zu treten hätte, ist fallbezogen selbst dann nicht zu sehen, wenn - wie der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren noch vorgebracht hat, worauf die Beschwerde aber gar nicht mehr zurückkommt - seine Ausreise zur Antragstellung im Ausland und eine Wiedereinreise nach Erteilung des Aufenthaltstitels Kosten mit sich bringt.

Dem auf § 45 Abs. 2 und Abs. 3 NAG Bezug nehmenden Vorbringen war nicht näherzutreten, weil die in § 45 NAG enthaltenen Bestimmungen die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG", was hier aber nicht Gegenstand des Verfahrens war, regeln.

Schließlich ist mit Blick auf die Beschwerdeausführungen noch festzuhalten, dass ein Irrtum über die Vorschriften des § 20 Abs. 4 NAG den Eintritt der dort genannten Rechtsfolgen nicht zu hindern vermag.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
JAAAE-77653