VwGH 29.06.2011, 2010/12/0213
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Im Falle eines unklaren Anbringens ist die Behörde nicht berechtigt, diesem eine für den Standpunkt der Partei nach Auffassung der Behörde günstige Deutung zu geben, erst recht fehlt der Behörde die Befugnis, einem solchen unklaren Anbringen einen ungünstigen Inhalt zu unterstellen, insbesondere, soweit die Deutung der Behörde einen Antrag als unzulässig erweisen würde. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2005/12/0011 E RS 5 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des KH in W, vertreten durch Mag. Thomas Nitsch und Dr. Sacha Pajor, Rechtsanwälte in 2340 Mödling, Hauptstraße 48, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport vom , Zl. P756302/28-PersC/2010, betreffend Zurückweisung eines Antrages i.A. Sonn- und Feiertagszulage nach § 17 Abs. 4 GehG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Berufsmilitärperson in der Verwendungsgruppe M BO 2 im militärischen Dienstgrad eines Majors in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und beim Kommando Luftraumüberwachung als Flugsicherungsoffizier und Flugverkehrsleiter im "Military Control Center - MCC" in Verwendung.
Zur Darstellung des Verwaltungsgeschehens wird zunächst in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das in dieser Sache bereits ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/12/0207, verwiesen, mit dem der im Instanzenzug ergangene Bescheid der belangten Behörde vom , der über das in der Eingabe vom erhobene Begehren auf bescheidmäßige Feststellung des Anspruches auf rechtmäßige Abgeltung der Sonn- und Feiertagsdienste nach dem Gehaltsgesetz 1956 abschlägig entschieden hatte, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde, weil - so die auf das Wesentliche zusammengefasste tragende Begründung - die von der belangten Behörde getroffenen bescheidförmigen Feststellungen mangels ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage unzulässig seien. Der Vollständigkeit halber - so die weitere Begründung dieses Erkenntnisses - bleibe anzumerken, dass das vom Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom erhobene Begehren vorerst einer näheren Konkretisierung nach Art und Umfang des Anspruches - gegebenenfalls nach Anleitung durch die Dienstbehörde erster Instanz - bedurft hätte, um einen konkreten bescheidförmigen Abspruch über die Gebührlichkeit bestimmter Nebengebühren für bestimmte Dienste zugänglich zu sein.
Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid wies die belangte Behörde den verfahrenseinleitenden Antrag vom wegen Unzulässigkeit zurück.
Nach Darstellung des Verfahrensganges und Zitierung der von ihr in Betracht gezogenen gesetzlichen Bestimmungen erwog sie (Schreibung im Original):
"Nach der ständigen Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines
Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im
Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche
Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen
Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt, oder wenn sie
insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei
ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
darstellt ... Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben,
wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung
zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft
klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers
zu beseitigen ... Ein wirtschaftliches, politisches oder
wissenschaftliches Interesse rechtfertigt nicht die Erlassung eines Feststellungsbescheides.
Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten
Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann ... Die
bescheidförmige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen ist überdies nur auf Grund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zulässig ...
Bei der Feststellung im Spruchpunkt 1 des erstinstanzlichen Bescheides, nämlich dem Vorliegen eines Schichtdienstes im Sinne des § 48 Abs. 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 handelt es sich um die Feststellung einer rechtserheblichen Tatsache. Eine solche ist im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nur bei Vorliegen einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage zulässig, die im vorliegenden Fall jedoch nicht existiert.
Die im Spruchpunkt 2 des Bescheides erfolgte allgemeine Feststellung hinsichtlich der rechtmäßigen Abgeltung der Sonn- und Feiertagsdienste nach dem Gehaltsgesetz 1956 erweist sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ebenso als nicht zulässig, weil diese strittige Rechtsfrage der Abgeltung von Sonn- und Feiertagsdiensten im besoldungsrechtlichen Streit durch einen Bescheid über die (Nicht-)Gebührlichkeit von bestimmten Nebengebühren auf Grund von konkreten an Sonn- und Feiertagen geleisteten Diensten zu klären ist. Eine getroffene allgemeine Feststellung über die Abgeltung geleisteter Dienste tritt somit als subsidiär und unzulässig zurück.
Es war somit der erstinstanzliche Bescheid sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung abzuändern und Ihr Antrag vom infolge Unzulässigkeit zurückzuweisen.
Eine nähere Erörterung Ihres sonstigen Berufungsvorbringens konnte im Hinblick auf die oben ausgeführten Erwägungen unterbleiben, zumal sie zu keiner anderen Entscheidung als zur Zurückweisung Ihres Antrages hätte führen können."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die vorliegende Beschwerde sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Ersatzbescheides u.a. darin, die belangte Behörde hätte gemäß § 13 Abs. 3 AVG den Antrag (vom ) auf Grund des offensichtlich mangelhaften Begehrens nicht zurückweisen dürfen. Vielmehr hätte sie unverzüglich das Verbesserungsverfahren einzuleiten gehabt und dem Beschwerdeführer die Konkretisierung seines Begehrens innerhalb einer angemessenen Frist auftragen müssen. Durch die Unterlassung der Einleitung eines Verbesserungsverfahrens habe sie sohin nicht nur die Bestimmungen des AVG unrichtig angewendet, sondern auch eindeutig das Parteiengehör verletzt.
Die belangte Behörde tritt dem in ihrer Gegenschrift mit der Ansicht entgegen, sie habe dem zitierten Erkenntnis vom folgend den erstinstanzlichen Bescheid abgeändert und den Antrag vom wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen. Die von der Beschwerde vertretene Rechtsauffassung, die Zurückweisung wäre nicht berechtigt gewesen, könne seitens der belangten Behörde nicht geteilt werden. Infolge dessen, dass mit dem angefochtenen Ersatzbescheid kein bescheidmäßiger Abspruch erfolgte, sondern im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Feststellungsantrag wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen worden sei, und im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer darüber hinaus rechtsfreundlich vertreten gewesen sei, habe sich die belangte Behörde nicht dazu veranlasst gesehen, dem Beschwerdeführer aufzutragen, seinen Antrag zu konkretisieren. Darüber hinaus stehe es ihm nach wie vor frei, einen neuerlichen - diesmal konkretisierten - Antrag nach Art und Umfang seines Anspruches bei der erstinstanzlichen Dienstbehörde einzubringen.
Wenn der Inhalt eines von einer Partei gestellten Anbringens unklar ist, ist die Behörde entsprechend den ihr gemäß § 37 iVm § 39 AVG obliegenden Aufgaben verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern. Im Falle eines unklaren Anbringens ist die Behörde nicht berechtigt, diesem eine für den Standpunkt der Partei nach Auffassung der Behörde günstige Deutung zu geben; erst recht fehlt der Behörde die Befugnis, einem solchen unklaren Anbringen einen ungünstigen Inhalt zu unterstellen, insbesondere, soweit die Deutung der Behörde einen Antrag als unzulässig oder in der Sache unbegründet erweisen würde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/12/0105).
In diesem Sinn ist der Hinweis im Vorerkenntnis vom zu verstehen, dass das in der Eingabe vom (verfahrenseinleitender Antrag) erhobene Begehren vorerst einer näheren Konkretisierung nach Art und Umfang des Anspruchs bedurft hätte. Dieser Antrag, der die bescheidförmige Feststellung des Anspruchs auf "rechtmäßige Abgeltung der Sonn- und Feiertagsdienste" nach dem GehG begehrt, ist nämlich unklar und auslegungsbedürftig, enthält er doch keine konkrete besoldungsrechtliche Forderung. Eine solche Klarstellung des Inhalts des Antrags ist aber Voraussetzung für einen konkreten bescheidförmigen Abspruch (hier: über die Gebührlichkeit bestimmter Nebengebühren für bestimmte Dienste). Im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen in diesem Antrag lässt sich ihm (derzeit) nur entnehmen, dass diese Forderung im Zusammenhang mit dem Dienst des Beschwerdeführers beim Kommando Luftraumüberwachung als Flugsicherungsoffizier steht und offenbar auf eine Abgeltung seiner (von ihm geleisteten) Sonn- und Feiertagsdienste durch eine Sonn- und Feiertagsvergütung nach § 17 Abs. 1 bis 3 GehG anstelle der ihm ausbezahlten Sonn- und Feiertagszulage nach § 17 Abs. 4 GehG abzielt, weil er die von den Dienstbehörden für ihre Einordnung der besoldungsrechtlichen Ansprüche zugrunde liegende Auffassung, diese Sonn- und Feiertagsdienste würden aufgrund eines Schicht- und Wechseldienstplanes erbracht, als unzutreffend ansieht. Bereits die Dienstbehörde erster Instanz hätte den Beschwerdeführer zu dieser Präzisierung des Rechtsgrundes seines von ihm in seinem verfahrenseinleitenden Antrag vom geltend gemachten besoldungsrechtlichen Anspruchs auffordern müssen. Die Aufforderung zur Klarstellung hat durch die Berufungsbehörde zu ergehen, wenn die erste Instanz ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist. Nach den bisherigen Unterlagen läge eine derartige (wie oben angedeutete) Konkretisierung auch innerhalb des Verfahrensgegenstands des bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides bei der belangten Behörde anhängig gewesenen Berufungsverfahrens. Dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren rechtsfreundlich vertreten war, entbindet die Behörde nicht von ihrer nach §§ 37 iVm 39 AVG bestehenden Verpflichtung, ihn zu dieser Klarstellung aufzufordern. Auswirkungen hat dies lediglich für die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG.
Die belangte Behörde hat dadurch, dass sie - ausgehend von einer verfehlten Rechtsauffassung - den Beschwerdeführer nicht zur Klarstellung seines verfahrenseinleitenden Antrags aufgefordert hat, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet, weshalb er nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, dass die belangte Behörde bei einer nach Aufforderung hinreichenden Klarstellung des Inhalts des verfahrenseinleitenden Antrags des Beschwerdeführers vom im Rahmen des Verfahrensgegenstandes eine Sachentscheidung nach § 66 Abs. 4 AVG zu treffen haben wird. Bei Vorliegen der Voraussetzungen käme auch allenfalls eine Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG in Betracht. Wird aufgrund der Präzisierung des Antrags klargestellt, dass im Beschwerdefall die Gebührlichkeit der Sonn- und Feiertagsvergütung nach § 17 Abs. 1 bis 3 GehG oder der Sonn- und Feiertagszulage nach § 17 Abs. 4 GehG für konkrete Dienstleistungen des Beschwerdeführers strittig ist, ist die für die Lösung dieser allein strittigen besoldungsrechtlichen Frage maßgebende rechtliche Klärung, ob die den Sonn- und Feiertagsdiensten des Beschwerdeführers zugrunde liegenden Dienstpläne als Schicht- oder Wechseldienstpläne im Sinne des § 48 Abs. 4 BDG 1979 einzustufen sind oder eine derartige Einordnung nicht möglich ist, in der Begründung des zu erlassenden Bescheides näher darzulegen. Auf die dazu ergangenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Vorerkenntnis vom , Zl. 2009/12/0207, die auf den in diesem Verfahren übereinstimmenden Angaben der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufbauen, wird hingewiesen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
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Schlagworte | Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des Parteiwillens Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2010120213.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAE-77650