VwGH vom 23.02.2006, 2005/16/0243

VwGH vom 23.02.2006, 2005/16/0243

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des Zollamtes Wien gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Zollsenat 2, vom , Zl. ZRV/0216-Z2L/02, betreffend Eingangsabgaben (mitbeteiligte Partei: W GmbH in W, Teichweg 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei stellte mit Schriftsatz des Bevollmächtigten - einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Speditionswesen, Warenverpackung, Fracht- und Tarifwesen, Lagerhauswesen - gemäß Art. 236 Abs. 1 und 2 Zollkodex (ZK) den Antrag auf Erstattung der mit Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom vorgeschriebenen Eingangsabgaben, weil der Betrag zum Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet gewesen sei. Die Vorschreibung sei für eine Lieferung Kängurufleisch erfolgt, das im Versandverfahren nach Belgien verbracht und dort nicht gestellt worden sei. Die Zollschuld sei in Belgien entstanden und dieser Staat sei zur Erhebung der Eingangsabgaben zuständig.

Mit Bescheid vom wies das beschwerdeführende Zollamt den Antrag der mitbeteiligten Partei ab.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das beschwerdeführende Zollamt die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung als unbegründet ab.

Die mitbeteiligte Partei brachte mit Schriftsatz des genannten Bevollmächtigten vom Folgendes vor:

"... in offener Frist berufe ich gegen den Bescheid des HZA Wien vom und begründe dies wie folgt:

Gegenständliche Berufung erfolgt ausnahmslos zur Aufrechterhaltung des Verfahrens, da das von mir mit Berufung vom vorgebrachte Begehren zur behördlichen Beischaffung der Unterlagen zum Zeitpunkt Ihrer Abweisung vom keine Berücksichtigung fand.

Die behördliche Beischaffung der Unterlagen wurde erst nach eingehender telef. Besprechung zugesagt und mit Schreiben vom Ihrerseits bei der zuständigen Zollbehörde Tilburg veranlasst.

Nach Erhalt der holl. Stellungnahme wird erst eine sachgemäße Entscheidung zu treffen sein.

In weiterer Folge wird auf mein Vorbringen betreffend Zuständigkeit der ausl. Zollbehörde gem. meiner Berufungen vom und verwiesen."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Beschwerde statt, ohne im Spruch eine weitere Entscheidung zu treffen. In der Begründung dieses Bescheides vertrat die belangte Behörde die Ansicht, für die mitbeteiligte Partei (Hauptverpflichtete) sei auf Grund der ergangenen Mitteilungen des Zollamtes keinesfalls erkennbar gewesen, dass sie auch Nachweise betreffend des tatsächlichen Ortes der Zuwiderhandlung innerhalb der gesetzten Frist der Zollbehörde vorzulegen gehabt hätte. Durch dieses Versäumnis sei die Befugnis des Abgangsmitgliedstaates zur Erhebung der Eingangsabgaben verwirkt worden. Der Abgangsmitgliedstaat könne daher die Erstattung von Beträgen nicht verweigern, zu dessen Einhebung er nicht zuständig gewesen sei, wobei kein Unterschied zwischen den als eigene Einnahmen der Gemeinschaft erhobenen und anderen Abgaben zu machen sei.

Es könne daher im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob sich durch die vom beschwerdeführenden Zollamt noch nach Erlassung der Berufungsvorentscheidung eingeleiteten und bis dato noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen bei den niederländischen Behörden die Vorbringen der mitbeteiligten Partei im bisherigen Verfahren bestätigten oder nicht, weil sich die österreichische Zollbehörde auf Grund der vorliegenden Aktenlage keine Zuständigkeit für die Abgabenvorschreibung ergäbe. Es sei daher, ohne auf die im Rechtsmittelverfahren vorgebrachten Gründe näher einzugehen, spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des Hauptzollamtes Wien, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Berufungsentscheidung wird durch das beschwerdeführende Zollamt zur Gänze bekämpft.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 85c Abs. 8 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) gelten für die Einbringung der Beschwerde, das Verfahren des unabhängigen Finanzsenates sowie dessen Entscheidungen die diesbezüglichen Bestimmungen der BAO, soweit die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Regelungen nicht entgegenstehen, sinngemäß.

Die BAO enthält zwar keine Regelungen über die "Einbringung der Beschwerde", im 7. Abschnitt Rechtsschutz, A. Ordentliche Rechtsmittel, 2. Einbringung, ist in den §§ 245 bis 249 BAO aber die "Einbringung von Berufungen" geregelt, die im Hinblick auf die Verweisung im Zollverfahren auch für Beschwerden sinngemäß anzuwenden sind, weil es sich dabei um einen der Berufung ähnlichen Rechtsbehelf handelt.

Die Bestimmung des § 250 BAO über "Inhalt und Wirkung" der Berufung ist danach von der Regelung des § 85c Abs. 8 ZollR-DG für Beschwerden nach dem ZollR-DG jedoch nicht ausdrücklich erfasst.

Die Beschwerde nach § 85c ZollR-DG ist ein Rechtsbehelf, mit dem Rechte geltend gemacht werden. Welche Rechte geltend gemacht werden, ist in der Beschwerde unmissverständlich zu erklären, weil die angerufene Behörde darüber zu entscheiden hat. In der Beschwerde wird daher schon nach den Regeln eines rechtsstaatlichen Verfahrens insbesondere zum Ausdruck zu bringen sein, welche Punkte eines Bescheides mit diesem Rechtsbehelf angefochten werden und welche Änderungen gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz beantragt werden. Eine Entscheidung über die Beschwerde hat nämlich nicht von Amts wegen zu ergehen, sondern ist ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt. Eine inhaltliche Rechtsbehelfsentscheidung kann dann noch nicht ergehen, wenn zwar ein als "Berufung" oder "Beschwerde" bezeichnetes Schreiben eingebracht wird, dieses aber kein klar erkennbares Begehren auf eine bestimmte Entscheidung enthält, über die von der Rechtsbehelfsbehörde abzusprechen ist. Ein Rechtsbehelfswerber hat in seinem Rechtsbehelf Anträge zu stellen, über die von der Rechtsbehelfsbehörde zu entscheiden ist.

Der eingebrachte Schriftsatz vom enthält keinen Antrag, über den die belangte Behörde abzusprechen hatte.

Die Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes ohne Vorliegen eines Antrages belastet den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0387, mit angeführter Rechtsprechung).

Ungeachtet dessen, hat die belangte Behörde mit dem

angefochtenen Bescheid entschieden:

"Der Beschwerde wird stattgegeben".

Die belangte Behörde hat im Spruch des Bescheides keine weitere Entscheidung darüber getroffen, ob damit die Berufungsvorentscheidung aufgehoben oder abgeändert werden sollte.

Im Falle von Unklarheiten des Spruches ist auf die Begründung des Bescheides zurückzugreifen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/17/0232).

Auch die Begründung enthält keine Darstellung über die Entscheidung hinsichtlich der Berufungsvorentscheidung. Auch bei Zurückgreifen auf die Begründung des angefochtenen Bescheides können die vorliegenden Unklarheiten über den Inhalt und dem Umfang des Spruches des angefochtenen Bescheides nicht beseitigt werden.

Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Wien, am