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VwGH vom 22.01.2014, 2012/22/0264

VwGH vom 22.01.2014, 2012/22/0264

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 18/1/11, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 317.037/13-III/4/11, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zum bisherigen Verfahrensgang wird auf das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0457, verwiesen. Hingewiesen wird weiters auf das gleichfalls den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom , 2009/18/0098.

Mit dem erstgenannten Erkenntnis wurde der angefochtene Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dem dort angefochtenen Bescheid lag der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zwecks Familiennachzug zu seinen die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Adoptiveltern zu Grunde.

Mit dem zweitgenannten Erkenntnis 2009/18/0098 hob der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Ausweisungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid vom wies die Bundesministerin für Inneres neuerlich den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung verwies die belangte Behörde auf die zitierten Vorerkenntnisse und führte aus, dass der Beschwerdeführer zur Urkundenvorlage und Stellungnahme aufgefordert worden sei. Darauf habe er am , , , und weitere "Beweismittelunterlagen" vorgelegt. Aus diesen gehe hervor, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers durch das bereits zitierte Erkenntnis 2009/18/0098 aufgehoben worden sei und der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom mit mündlich verkündetem Bescheid am aufgehoben habe.

Trotz schriftlicher Aufforderungen - so die weitere Bescheidbegründung - sei keine gültige Haftungserklärung der Adoptiveltern des Beschwerdeführers vorgelegt worden. Der Beschwerdeführer erfülle deshalb nicht die besondere Erteilungsvoraussetzung gemäß § 47 Abs. 3 letzter Satz NAG. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei in diesem Fall keine Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK erforderlich.

Trotz entsprechender Vorhaltung der erkennenden Behörde, wonach diese gemäß dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom in der Rechtssache C-256/11 "Dereci u.a." unter anderem zu berücksichtigen habe, ob eine österreichische Ankerperson eines drittstaatsangehörigen Antragstellers bei Nichtgewährung des von diesem begehrten Aufenthaltstitels de facto gezwungen sei, Österreich und das Gebiet der Union zu verlassen, habe der Beschwerdeführer dazu nichts vorgebracht und es seien auch auf Basis des vorliegenden Akteninhaltes keine derartigen Umstände ersichtlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Eingangs ist anzumerken, dass gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Weiters sind angesichts der Erlassung des angefochtenen Bescheides im November 2012 die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 50/2012 maßgeblich.

Zusammengefasst wies die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag mit der Begründung ab, dass einerseits mangels Vorlage einer Haftungserklärung eine besondere Erteilungsvoraussetzung nicht erfüllt sei und andererseits Umstände im Sinn des Urteils "Dereci u.a." nicht vorgebracht und auch nicht aus dem Akteninhalt ersichtlich seien.

Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem relevanten Verfahrensmangel.

Die belangte Behörde erwähnte selbst den am eingelangten Schriftsatz des Beschwerdeführers. Diesem Schriftsatz war nicht nur das Protokoll der Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien vom angeschlossen, sondern dieser Schriftsatz enthielt auch das Vorbringen, dass die Adoptiveltern und die Adoptivschwester des Beschwerdeführers auf dessen Hilfe und Unterstützung angewiesen seien. Dem vorgelegten Protokoll ist die Aussage des Beschwerdeführers zu entnehmen, wonach er sich intensiv um die kranken Adoptiveltern kümmern müsse, die Adoptivmutter an chronischen Schmerzen und einer Schilddrüsenerkrankung leide und der Adoptivvater bereits zwei Herzinfarkte und mehrere Bypassoperationen hinter sich habe und in einem äußerst schlechten Allgemeinzustand sei. Die leibliche Tochter der Adoptiveltern sei zu 100 % behindert. Neben den Adoptiveltern des Beschwerdeführers unterstütze auch der Beschwerdeführer diese Tochter seiner Adoptiveltern. Dieses Vorbringen wird dem Protokoll zufolge durch die Aussagen der Adoptiveltern des Beschwerdeführers bestätigt. Im Protokoll wurde letztlich festgehalten, dass der Berufungsbescheid über die Behebung des angefochtenen erstinstanzlichen Ausweisungsbescheides mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet wurde.

Diese mit dem genannten Schriftsatz vorgebrachten und mit dem vorgelegten Protokoll untermauerten Umstände wurden - wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt - von der belangten Behörde gänzlich ignoriert.

Erwähnt sei, dass der Beschwerdeführer den schriftlich ausgefertigten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom inzwischen vorgelegt hat, aus dessen Begründung zu sehen ist, dass die Berufungsbehörde einen Ausnahmefall im Sinn des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union "Dereci u.a." angenommen hat.

Obwohl der belangten Behörde im Entscheidungszeitpunkt bekannt war, dass der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den angefochtenen Ausweisungsbescheid aufgehoben hat, unterließ sie jegliche Auseinandersetzung mit dem aus dem vorgelegten Protokoll ersichtlichen Sachverhalt, der Schlüsse in Richtung von Umständen im Sinn des Urteils "Dereci u.a." ermöglicht.

Demnach war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

Fundstelle(n):
ZAAAE-77639