VwGH vom 17.10.2011, 2010/12/0206

VwGH vom 17.10.2011, 2010/12/0206

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des KJ in S, vertreten durch Dr. Christian Függer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Josefstraße 1, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 137.203/5-I/1/c/10, betreffend Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit gemäß § 50a BDG 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Abteilungsinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er wird im Bereich des Landespolizeikommandos für Niederösterreich an der Polizeiinspektion H (im Folgenden: PI H) verwendet.

Am stellte er einen Antrag, seine regelmäßige Wochendienstzeit auf 28 Stunden gemäß § 50a des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (im Folgenden: BDG 1979), herabzusetzen.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid der erstinstanzlichen Dienstbehörde vom abgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde zusammengefasst aus, der Überstundenschnitt an der PI H habe im Zeitraum April 2009 bis März 2010 27,8 Stunden betragen. Die PI H weise im Vergleich zum Bezirk P eine überdurchschnittliche Arbeitsbelastung auf und liege auch über dem errechneten Durchschnitt für das Landespolizeikommando. Mit habe der systemisierte Stand der PI H 14 Bedienstete betragen; dem sei ein dienstbarer Stand von 12 Bediensteten gegenüber gestanden. Vor diesem Hintergrund bestehe ein wichtiges dienstliches Interesse an der Vermeidung eines weiteren Anstieges der Belastung der an der PI H tätigen Exekutivdienstbeamten mit Mehrdienstleistungen.

Mit näherer Begründung wurde auch ausgeführt, weshalb der Entfall von Dienstleistungen des Beschwerdeführers infolge der beantragten Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit auch nicht durch andere Personalreserven im Bereich des Landespolizeikommandos für Niederösterreich bzw. durch die Aufnahme sonstiger Beamten ausgeglichen werden könnte.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Auf Grund eines entsprechenden Verbesserungsauftrages der belangten Behörde stellte er mit Eingabe vom klar, dass die Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit vom bis zum "auf 28 Wochenstunden" und nicht, wie im angefochtenen Bescheid aktenwidrigerweise festgestellt wird, eine "Herabsetzung seiner regelmäßigen Wochendienstzeit im Ausmaß von 28 Wochenstunden " begehrt wird.

Nach Gewährung ergänzenden rechtlichen Gehörs und Einlangen einer Stellungnahme des Beschwerdeführers vom erließ die belangte Behörde den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom , mit welchem seiner Berufung keine Folge gegeben wurde.

Begründend wurde nach Schilderung des Verfahrensganges und nach Wiedergabe des § 50a Abs. 1 BDG 1979 zur Frage, inwieweit der Ausfall des Beschwerdeführers durch Mehrdienstleistungen anderer Beamter seiner Dienststelle, der PI H, kompensiert werden könnte, Folgendes ausgeführt:

"Auf der PI H selbst fehlen derzeit tatsächlich 2 Exekutivbedienstete auf den systemisierten Stand (Sollstand: 14 EB - tatsächlicher Iststand 12 EB) und leistete im Durchschnitt jeder EB auf der genannten PI im Vergleichsmonat August 2010 21 Stunden an Mehrdienstleistungen ab. Zum Vergleich: In den Monaten Juni und Juli 2010 betrug die durchschnittliche Pro-Kopf-Überstundenbelastung 23,7 im Juni und 28,1 Stunden im Juli. Ergänzend wird festgehalten, dass sich die Überstundenbelastung pro Bedienstete im BPK S in den aktuellen Vergleichsmonaten Juni bis August 2010 zwischen 20,3 und 23,3 Stunden bewegen. Überstundenauswertungen über den Monat September 2010 sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verfügbar.

Das BM.I teilt auch nicht die Ansicht des BW hinsichtlich Mehrdienstleistungen, wie von ihm auf der Seite 3, 2. Absatz seiner Stellungnahme ausgeführt. Die Dienstbehörde kann zu erbringende Mehrdienstleistungen nicht vom Willen des Einzelnen bzw. von der Freiwilligkeit einzelner EB abhängig machen und handelt es sich bei den erhobenen Überstundenzahlen (Prozentzahlen) um statistische Durchschnittswerte. Daraus folgt, dass im BPK S, in der PI H und - wie ausgeführt werden wird - auch im LPK NÖ bei gleich hohen Überstundenzahlen die gleichen Durchschnittswerte aufscheinen.

Im gesamten LPK NÖ betrug die durchschnittliche Überstundenbelastung pro Bediensteten in den Monaten Juni 2010 - 26,1 Stunden, Juli 2010 - 23,6 Stunden und August 2010 23,7 Stunden. Um die vorherrschende Personalsituation auf der PI H und die bereits hohen Überstundenzahlen nicht noch mehr ansteigen zu lassen, ist daher jegliche zusätzliche Schwächung bzw. Belastung der EB dieser Dienststelle zu vermeiden, wie dies bspw. bei einer zusätzlicher Gewährung von herabgesetzten Wochendienstzeiten gemäß § 50a BDG der Fall wäre.

Auf Grund der obangeführten Belastungen ist ein weiterer Ausfall an Arbeitskapazität an dieser PI nicht zu vertreten. Der Ausfall der Arbeitskraft des BW würde gegenwärtig eine unvertretbare weitere Belastung anderer Exekutivbediensteten dieser Dienststelle bedeuten, die sich nicht auf die Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit alleine gründen würde. Die Mehrbelastung wäre auch darin begründet, dass der BW bei erfolgter Herabsetzung in Anwendung des § 50c Abs. 3 BDG über die für ihn maßgebende Wochendienstzeit nur herangezogen werden könnte, wenn die Dienstleistung zur Vermeidung eines Schadens unverzüglich notwendig wäre und ein Bediensteter, dessen regelmäßige Wochendienstzeit nicht herabgesetzt sei, nicht zur Verfügung stünde. …"

In der Folge wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides - zusammengefasst - ausgeführt, dass der Personalplan 2010 zwar die Möglichkeit vorsehe, Beamte der Verwendungsgruppe E2c für Beamte u.a. der Verwendungsgruppe E2a, denen eine Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit nach § 50a BDG 1979 bewilligt wurde, aufzunehmen. Durch eine solche Arbeitskraft könnte der Beschwerdeführer aber schon deshalb nicht ersetzt werden, weil ein Beamter der Verwendungsgruppe E2c zunächst ausgebildet werden müsste und somit zu Beginn der begehrten Herabsetzungsphase zur Kompensation des Ausfalles der Arbeitskraft des Beschwerdeführers noch nicht zur Verfügung stünde.

Darüber hinaus führte die belangte Behörde aus, es habe im LPK für Niederösterreich im Juli 2010 ein "dienstbarer Stand" von

4.200 Exekutivbeamten bestanden, während der Sollstand

4.997 Exekutivbeamte betragen habe. Es sei daher bezogen auf diesen Monat ein Fehlbestand von 797 Exekutivbeamten festzustellen gewesen.

Die Dienstbehörden hätten eine "Personaloffensive" in Angriff genommen, welche jedoch bis zum Beginn der nunmehr begehrten Herabsetzungsphase nicht zum Ausgleich des festgestellten Fehlbestandes zwischen "Sollstand" und "dienstbarem Stand" führen werde (wird näher ausgeführt). Daher sei es auch nicht möglich, den Ausfall der Arbeitskraft des Beschwerdeführers durch Personalmaßnahmen (Zuweisung von Personalressourcen an die PI H) auszugleichen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Darstellung der maßgeblichen Bestimmungen des BDG 1979 sowie deren Auslegung wird zunächst auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/12/0092, verwiesen. Demnach durfte die Herabsetzung nur verweigert werden, wenn ihr wichtige dienstliche Interessen entgegenstanden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war von der belangten Behörde zunächst in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der durch die Bewilligung der Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit bedingte Ausfall an Arbeitskraft des Beschwerdeführers durch Mehrdienstleistungen anderer Beamter seiner Dienststelle, der PI H, verkraftet werden könnte (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/12/0064). In diesem Zusammenhang besteht - wie die belangte Behörde zutreffend erkannte - grundsätzlich ein wichtiges dienstliches Interesse an der Vermeidung eines übermäßigen Ansteigens von Überstundenleistungen anderer Beamter der Dienststelle (vgl. in diesem Zusammenhang die hg. Erkenntnisse jeweils vom , Zl. 2009/12/0040 und Zl. 2009/12/0044). Die belangte Behörde hat die Durchschnittsbelastung an Mehrdienstleistungsstunden der an der PI H tätigen Exekutivbediensteten für die Monate Juni, Juli und August 2010 mit 23,7, 28,1 bzw. 21 Stunden angegeben. Der von ihr offenbar für die aktuelle Situation an der genannten Polizeiinspektion als repräsentativ erachtete Durchschnittswert dieser drei Monate von 24,26 Mehrdienstleistungsstunden ist für sich genommen unter Berücksichtigung des in § 48a Abs. 3 BDG 1979 verankerten Höchstmaßes der (generell) zulässigen durchschnittlichen Belastung eines Beamten mit zeitlichen Mehrdienstleistungen gegen seinen Willen noch nicht geeignet, ein wichtiges dienstliches Interesse an der Vermeidung der Entstehung höherer diesbezüglicher Belastungen anderer Dienstnehmer infolge einer Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit des Beschwerdeführers zu begründen. Dies träfe im Übrigen gleichermaßen für den von der erstinstanzlichen Behörde für den Zeitraum April 2009 bis März 2010 angegeben Durchschnittswert von 27,8 Stunden zu. Dies gilt auch dann, wenn man mitberücksichtigt, dass der Beschwerdeführer bei Bewilligung seines Antrages für künftige Mehrdienstleistungen nur ausnahmsweise gegen seinen Willen herangezogen werden könnte. Konkrete Hinweise, dass sich die diesbezügliche Situation gerade an der PI H in Richtung eines weiteren Anstieges der erforderlichen Mehrdienstleistungen entwickeln könnte, sind dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Auch andere Umstände, welche zur Verlängerung der von den Beamten der PI H zu leistenden Wochendienstzeit führen, wurden im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt.

Die Repräsentativität der von den Dienstbehörden herangezogenen Durchschnittswerte vorausgesetzt könnte somit der Ausfall des Beschwerdeführers an seiner Dienststelle schon durch entsprechende Mehrdienstleistungen anderer Beamter dieser Polizeiinspektion abgefangen werden, weshalb sein Antrag schon deshalb zu bewilligen gewesen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass in diesem Zusammenhang auf die weiteren Darlegungen im angefochtenen Bescheid eingegangen werden müsste, welche darauf abzielen, dass der Ausfall von Arbeitszeit des Beschwerdeführers auch nicht durch Versetzung oder Dienstzuteilung anderer Beamter an die PI H kompensiert werden könnte (vgl. hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom ). Gleiches gilt für die Auseinandersetzung mit den sonstigen in der vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am