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VwGH vom 15.12.2005, 2005/16/0238

VwGH vom 15.12.2005, 2005/16/0238

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der W GmbH in I, vertreten durch Mag. Michael Mikuz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas Hofer Straße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom , Zl. RV/0268-S/05, betreffend Börsenumsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war - neben der P gesellschaft mbH (in der Folge kurz: "P") und der S AG (in der Folge kurz: "S") - Gesellschafterin der B M GmbH sowie der B GmbH und Kommanditistin der B GmbH & Co KG.

Am schloss die Beschwerdeführerin u.a. mit P und S (diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. B) eine so genannte "Rahmenvereinbarung", die u.a. das Ausscheiden der Beschwerdeführerin aus den genannten Gesellschaften durch Abtretung der Geschäftsanteile an P und S regelte.

Punkt 5. dieser Rahmenvereinbarung regelte das Ausscheiden der Beschwerdeführerin aus der B M GmbH, der auszugsweise lautet:

"5.1. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Geschäftsanteiles an der B M ..., der einer mit ATS 975.000,00 ... einbezahlten Stammeinlage von ATS 1.650.000,00 ... und einer Beteiligung am gesamten Stammkapital der B M von 30 % ... entspricht.

5.2. Von diesem ihrem Geschäftsanteil an der B M Gesellschaft m.b.H. tritt die Beschwerdeführerin einen Teil, der einer mit dem Betrag von S 487.500,00 ... eingezahlten Stammeinlage im Nennbetrag von S 825.000,00 ... entspricht, um den Abtretungspreis von ATS 500.000,00 ... an S als Übernehmerin ab und diese erklärt die Vertragsannahme.

5.3. Von diesem ihrem Geschäftsanteil an der B M Gesellschaft m.b.H. tritt die Beschwerdeführerin einen Teil, der einer mit dem Betrag von S 487.500,00 ... eingezahlten Stammeinlage im Nennbetrag von S 825.000,00 ... entspricht, um den Abtretungspreis von ATS 500.000,00 ... an P als Übernehmerin ab und diese erklärt die Vertragsannahme.

5.4. Der Abtretungspreis von jeweils ATS 500.000,00 (Schilling fünfhunderttausend) ist von der jeweiligen Übernehmerin binnen 14 Tagen nach Unterfertigung dieses Vertrages auf ein von der Beschwerdeführerin zu benennendes Konto unmittelbar zu entrichten.

..."

Ein in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegender Ausdruck von einem "Börsenumsatzsteuerbescheid" vom , laut dem die Börsenumsatzsteuer für die "Rahmenvereinbarung vom mit S L AG u.a." mit dem Betrag von EUR 1.816,82 festgesetzt werde, wurde unstrittig erst im Februar 2005 dem Parteienvertreter der Beschwerdeführerin zugestellt, der gegen diesen Bescheid Berufung erhob; mit Bescheid vom wies die belangte Behörde diese Berufung zurück, weil - so die Begründung - die Abgabenbehörde erster Instanz eine Zustellung des Bescheides vom nicht habe nachweisen können und nach dem glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdeführerin eine derartige Zustellung nicht erfolgt sei. Der Bescheid sei daher nicht ordnungsgemäß zugestellt worden und somit nicht erlassen worden. Die Berufung sei als unzulässig zurückzuweisen.

Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde erster Instanz für die "Rahmenvereinbarung ... mit S L AG" die Börsenumsatzsteuer mit dem Betrag von EUR 1.816,82 fest. Wie der Begründung dieses Bescheides zu entnehmen ist, legte die Abgabenbehörde erster Instanz hiebei einen vereinbarten Preis gemäß § 21 Z. 1 KVG in Höhe von 999.999,94 S zu Grunde. Im Zuge eines Prüfungsverfahrens bei P sei festgestellt worden, dass die bei der o.a. Rahmenvereinbarung abgeschlossenen Abtretungen von Geschäftsanteilen bislang nicht versteuert worden seien. Die Anzeige dieses Rechtsgeschäftes sei bei der Abgabenbehörde erster Instanz erstmals am erfolgt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, der Anspruch auf Vorschreibung der verfahrensgegenständlichen Börsenumsatzsteuer sei mit Ablauf des verjährt. Gemäß § 209 Abs. 1 BAO verlängere sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, sofern innerhalb der Verjährungsfrist eine oder mehrere nach außen hin erkennbare Amtshandlungen unternommen würden. Im gegenständlichen Fall liege innerhalb der Verjährungsfrist keine nach außen hin erkennbare Amtshandlung vor. Insbesondere sei der Börsenumsatzsteuerbescheid der Beschwerdeführerin erst am und somit nach Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt worden. Die erste seitens der Finanzverwaltung gesetzte Amtshandlung sei die im Jänner 2005 an die Privatadresse der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin zugestellte Zahlungsaufforderung gewesen. Eine vor diesem Zeitpunkt gelegene, nach außen hin erkennbare Amtshandlung liege jedenfalls nicht vor. Die "Verlängerungsbestimmung des § 209 BAO" komme nicht zur Anwendung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab und sprach weiters aus, dass der angefochtene Bescheid unverändert bleibe. Begründend führt die belangte Behörde einleitend aus:

"Im Zuge eines Betriebsprüfungsverfahrens bei der Firma P (Prüfungsgegenstand laut Prüfungsauftrag vom war: Gebühren 1999 - 2003, Kapitalverkehrsteuer 1999 - 2003), die die Hälfte des Anteils der Beschwerdeführerin in Höhe von S 825.000,00, davon einbezahlt S 487.000,00, zu einem Abtretungspreis von S 500.000,00 übernommen hatte, wurde festgestellt, dass für diese Abtretungen von Gesellschaftsanteilen noch keine Börsenumsatzsteuer vorgeschrieben worden ist.

Die zweite Hälfte des Anteils erwarb die Firma S zu den selben Konditionen. Auch hier war keine Vorschreibung der Börsenumsatzsteuer erfolgt.

Nach Abschluss der Betriebsprüfung, bei der der Prüfungsauftrag der Firma P am überreicht, aber bereits am durch eine telefonische Aktenanforderung zur Kenntnis gebracht worden war, wurde der Bescheid vom erstellt.

Der Bescheid war adressiert an die Beschwerdeführerin zu Handen Mag. W. H., 6020 Innsbruck, ... Am erging eine Zahlungsaufforderung an die Beschwerdeführerin. Am hielt der Vertreter der Beschwerdeführerin Rücksprache mit dem Finanzamt.

Nach dem Vorbringen in der Berufung und in der Vorhaltsbeantwortung vom ist der Bescheid vom am beim steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin eingelangt, nachdem dies mit dem Finanzamt so abgesprochen worden war."

Nach weiterer Wiedergabe des Verfahrensganges, Wiedergabe von Bestimmungen des Kapitalverkehrsteuergesetzes, der Bundesabgabenordnung und von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Unterbrechung der Verjährung folgerte die belangte Behörde, diese Rechtsprechung bedeute für das gegenständliche Verfahren, dem zwei Abtretungsgeschäfte zu Grunde lägen, Folgendes:

1. Anschaffungsgeschäft der Beschwerdeführerin mit P:

Die Durchführung einer Betriebsprüfung im Jahr 2004 bei einem der beiden Gesamtschuldner bewirke, dass für dieses Anschaffungsgeschäft nach § 323 Abs. 18 BAO die neue Rechtslage erst ab anzuwenden sei; dies unter der Voraussetzung, dass die festgesetzte Abgabe vom Prüfungsumfang und -zeitraum umfasst sei. Die Aushändigung des Prüfungsauftrages sei am erfolgt. Bereits am sei die telefonische Anforderung der Prüfungsunterlagen erfolgt. Prüfungsgegenstand laut Prüfungsauftrag vom sei "Gebühren 1999 - 2003, Kapitalverkehrsteuer 1999 - 2003" gewesen. Die Betriebsprüfung sei somit im Jahr 2004 wirksam begonnen worden und umfasse den gegenständlichen Abgabenanspruch. Somit sei auf Grund der im Jahr 2004 begonnenen Betriebsprüfung für dieses Anschaffungsgeschäft nach § 323 Abs. 18 BAO die neue Rechtslage erst ab anzuwenden. Die durchgeführte Betriebsprüfung stelle zudem eine Unterbrechungshandlung dar, sodass die Verjährung erst mit Ablauf des Jahres 2004 neu zu laufen begonnen habe.

Selbst wenn bereits die neue Rechtslage anzuwenden wäre, so stellte die durchgeführte Betriebsprüfung eine Verlängerungshandlung dar und die Verjährung würde erst mit Ablauf des Jahres 2005 eintreten. Das bedeute, dass hinsichtlich des Anschaffungsgeschäftes zwischen P und der Beschwerdeführerin keine Verjährung eingetreten sei. Die beim Vertragspartner durchgeführte Prüfung sei deswegen relevant, weil P als Erwerberin der GmbH Anteile gemäß § 25 KVG Gesamtschuldner der Börsenumsatzsteuer sei und der Gegenstand der Betriebsprüfung kapitalverkehrsteuerpflichtige Vorgänge der Zeiträume 1999 bis 2003 umfasst habe.

2. Anschaffungsgeschäft der Beschwerdeführerin mit S:

Bei keinem der beiden Vertragspartner habe im Jahr 2004 eine Betriebsprüfung betreffend Kapitalverkehrsteuern stattgefunden, sodass bezüglich dieses Abgabenanspruches jedenfalls die neue Rechtslage anzuwenden sei. Entscheidend sei daher die Frage, ob die Abgabenbehörde erster Instanz in den Jahren 2000 bis 2004 eine Verlängerungshandlung gesetzt habe. Keine Verlängerungshandlung stelle die erfolglose Bescheidzustellung im November 2004 dar, da für schriftliche Erledigungen die tatsächliche Zustellung erforderlich sei.

Die Abgabenbehörde erster Instanz habe im Zuge der Betriebsprüfung (Gebühren und Verkehrsteuern betreffend) bei P festgestellt, dass hinsichtlich der in der Rahmenvereinbarung im Vertragspunkt 5. enthaltenen Abtretungen von Anteilen an der B M GmbH noch keine Vorschreibung der Börsenumsatzsteuer erfolgt sei. Folgende Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches, die im Abgabenakt bzw. im Betriebsprüfungs-Akt dokumentiert seien, seien seitens der Organe des Finanzamtes vorgenommen worden:

"a) :

Firmenbuchabfrage betreffend B M Gesellschaft mbH, deren Anteile mit der Rahmenvereinbarung abgetreten wurden.

b) :

Firmenbuchabfrage die Beschwerdeführerin betreffend.

c) :

Neuerliche Firmenbuchabfrage betreffend B M Gesellschaft mbH.

d) Vorbereitungsbogen für die Besprechung mit dem steuerlichen Vertreter im Zuge der BP betreffend Rahmenvereinbarung vom :

U.a. B M Gesellschaft mbH: Übernahme des von der Beschwerdeführerin gehaltenen Geschäftsanteiles i.H.v. ATS 2,5 Mio. um 1 Mio an S und P je zur Hälfte, Börsenumsatzsteuer vom Abtretungspreis?

e) Unter der Überschrift, 'Unterlagenanforderungen bzw. Fragen an Firma bzw. STB', ist ein Aktenvermerk angelegt, in dem die Fragen an den Vertreter der Firma P und dessen Antworten protokolliert sind. Diese Fragen betreffen u.a. ebenfalls die Rahmenvereinbarung vom .

f) In diesem Protokoll ist ein Telefonat mit dem die Firma

S vertretenden Rechtsanwalt vom dokumentiert, der im Zuge des Abschlusses der Rahmenvereinbarung vom die beiden erwerbenden Firmen, also beide Vertragspartner der Beschwerdeführerin vertreten hat."

Diese Amtshandlungen erfüllten jede für sich die Kriterien des § 209 Abs. 1 BAO (Erkennbarkeit nach außen, Geltendmachung eines konkreten Abgabenanspruches). Auf die Kenntnis dieser Amtshandlungen im Sinn des § 209 Abs. 1 BAO durch den letztlich als Abgabepflichtigen in Anspruch genommenen Vertragspartner komme es nicht an, sondern auf deren Erkennbarkeit nach außen und deren Dokumentation in den Akten der Abgabenbehörde. Da somit im Jahr 2004 seitens der Abgabenbehörde erster Instanz Amtshandlungen im Sinn des § 209 Abs. 1 BAO gesetzt worden seien, habe sich die Verjährungsfrist um ein Jahr im Sinn des § 209 Abs. 1 BAO verlängert und sei daher im Zeitpunkt der Bescheidzustellung noch nicht abgelaufen gewesen. Die Vorschreibung der Börsenumsatzsteuer, bei der die Beschwerdeführerin als Gesamtschuldnerin gemeinsam mit den erwerbenden Firmen gemäß § 25 KVG Steuerschuldnerin sei, sei zu Recht an die Beschwerdeführerin erfolgt, weil sie sich nach der Rahmenvereinbarung dazu verpflichtet gehabt habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nicht-Vorschreibung ungerechtfertigter Börsenumsatzsteuer verletzt, weil die vorgeschriebene Börsenumsatzsteuer mangels nach außen erkennbarer, die Verjährungsfrist verlängernder Amtshandlungen mit verjährt sei. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Rechtswidrigkeit sieht sie u.a. darin, dass ihr gegenüber keine nach außen erkennbare Amtshandlung gesetzt worden sei; dies gelte insbesondere für Firmenbuchabfragen im Amt mittels Computer. Den im angefochtenen Bescheid zitierten (Amts-)Handlungen sei nicht zu entnehmen, gegen welchen Abgabenschuldner sie sich gerichtet hätten.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde erkannte zutreffend, dass allein schon Punkt 5. der gegenständlichen Rahmenvereinbarung zwei voneinander zu unterscheidende "Abtretungsvorgänge" regelte, und zwar erstens die Abtretung einer Hälfte des Geschäftsanteiles der Beschwerdeführerin an der B M GmbH an S und zweitens die Abtretung der anderen Hälfte an P; der Abtretungspreis betrug "jeweils ATS 500.000,00". Folgerichtig unterzog die belangte Behörde daher den auf jeden Abtretungsvorgang entfallenden Abgabenanspruch auch einer gesonderten Überprüfung im Hinblick auf die Verjährung.

Die Abgabenbehörde erster Instanz setzte in ihrem Bescheid vom die Börsenumsatzsteuer ausdrücklich für die "Rahmenvereinbarung ... vom mit S L AG" mit dem Betrag von EUR 1.816,82 fest und legte der Berechnung den Abtretungspreis in der Höhe von S 999.999,94 zu Grunde.

Gegenstand des im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheides - der den Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz ausdrücklich "unverändert" beließ - ist daher ebenfalls ein Abgabenanspruch auf Börsenumsatzsteuer aus einer "Rahmenvereinbarung ... mit S L AG". Weder dem angefochtenen Bescheid noch den vorgelegten Verwaltungsakten - noch dem Parteienvorbringen - ist allerdings ein Anhaltspunkt für ein (Abtretungs-)Geschäft mit einer "S L AG" zu entnehmen, sodass die belangte Behörde schon insofern ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastete, weshalb er von einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Kostenersatzbegehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am