VwGH vom 18.02.2010, 2008/10/0320
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der beschwerdeführenden Parteien 1. St. Michael Apotheke Mr. H K und 2. Mag. pharm. P A K , beide in Haag, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Nußdorfer Straße 10- 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-06-0188, betreffend ärztliche Hausapotheke (mitbeteiligte Partei: Dr. G I in W, vertreten durch Mag. Markus Lechner, Rechtsanwalt in 6911 Lochau, Althaus 10), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren des Mitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich den Antrag der Beschwerdeführer auf Zurücknahme der dem Mitbeteiligten erteilten Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke an seinem Berufssitz in W. gemäß § 29 Abs. 3 Apothekengesetz RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. I Nr. 90/2006 (ApG), abgewiesen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dem Mitbeteiligten am die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke an seinem damaligen Berufssitz in W. erteilt worden sei. Am habe der Mitbeteiligte seinen Berufssitz innerhalb der Gemeinde W. an einen anderen Ort verlegt. Der neue Berufssitz liege 5,2 Straßenkilometer von der öffentlichen Apotheke der Beschwerdeführer in H. entfernt (nach der Aktenlage war der Berufssitz vor der Verlegung mehr als 6 km von der Apotheke in H. entfernt). Offenbarer Grund für die Verlegung des Berufssitzes sei die beabsichtigte Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke in S., in deren 4-km-Zone sich der frühere Berufssitz befinden würde.
§ 29 Abs. 2 und Abs. 3 ApG enthalte eine ausschließliche Regelung über das Erlöschen und die Zurücknahme einer Hausapothekenbewilligung. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen seien vorliegend nicht gegeben. Die Führung einer Hausapotheke sei ein wesentlicher Bestandteil der Einkommenssicherung des Arztes. Für den vorliegenden Fall bestehe keine gesetzliche Bestimmung, die eine Einschränkung dieses Rechtes zulasse. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müsse die Mindestentfernung zur nächst gelegenen öffentlichen Apotheke bei Neuerrichtung einer Hausapotheke 6 km betragen, eine Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke dürfe jedoch nur dann zurückgenommen werden, wenn die Entfernung weniger als 4 Straßenkilometer betrage.
Die gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde von diesem Gerichtshofe mit Beschluss vom , B 237/07, unter Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Mitbeteiligte beantragte in seiner Gegenschrift, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst sei festgehalten, dass nach der hg. Judikatur in Verfahren betreffend ärztliche Hausapotheken sowohl dem Eigentümer als "Inhaber" einer benachbarten öffentlichen Apotheke als auch - entgegen dem Vorbringen des Mitbeteiligten in der Gegenschrift - dem Pächter Parteistellung und Beschwerdelegitimation zukommt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 90/10/0026).
Soweit der Mitbeteiligte weiters vorbringt, die erstbeschwerdeführende Partei "S.-Apotheke" habe als solche keine Rechtspersönlichkeit, übersieht er, dass die erstbeschwerdeführende Partei im Beschwerdeschriftsatz als "S.- Apotheke Mr. Hans König" bezeichnet wird und nach der Aktenlage auch im Verwaltungsverfahren so aufgetreten ist. Dabei handelt es sich um den Namen einer natürlichen Person - nach dem Beschwerdevorbringen des Eigentümers der Apotheke -, dem die Bezeichnung der Apotheke vorangestellt worden ist.
Die Beschwerdeführer bringen vor, der Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken komme gegenüber der Versorgung durch ärztliche Hausapotheken der Vorrang zu. Die Verlegung einer ärztlichen Hausapotheke in eine Entfernung von weniger als 6 Straßenkilometer zu einer öffentlichen Apotheke sei unzulässig, weil damit § 29 Abs. 1 ApG, der die Neuerrichtung von ärztlichen Hausapotheken in diesem Bereich nicht zulasse, unterlaufen würde.
Der hier maßgebliche § 29 ApG hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"§ 29.
(1) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist einem Arzt für Allgemeinmedizin auf Antrag zu erteilen, wenn
...
3. der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist.
...
(2) Verlegt ein Arzt für Allgemeinmedizin seinen Berufssitz in eine andere Gemeinde, so erlischt die für den vorherigen Berufssitz erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke.
(3) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist nach Maßgabe des Abs. 4 bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn
1. die Wegstrecke zwischen dem Berufssitz des Arztes und der Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet, und
2. sich die ärztliche Hausapotheke weder in einer Gemeinde gemäß § 10 Abs. 2 Z 1 noch in einer Gemeinde gemäß § 10 Abs. 3 befindet.
...
(4) Der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke ist verpflichtet, den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Apotheke der Behörde mitzuteilen. Die Behörde hat die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke mit Bescheid so rechtzeitig auszusprechen, dass die Einstellung des Hausapothekenbetriebes drei Jahre nach Rechtskraft des Bescheides erfolgt, mit dem die Konzession für die öffentliche Apotheke erteilt wurde. ..."
Der Mitbeteiligte hat seinen Berufssitz und damit die Betriebsstätte seiner Hausapotheke innerhalb der Gemeinde W., und somit nicht gemäß § 29 Abs. 2 ApG "in eine andere Gemeinde" verlegt, sodass die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke nicht nach dieser Bestimmung erloschen ist.
Aus § 29 Abs. 4 iVm Abs. 3 ApG ergibt sich, dass der Inhaber einer neu errichteten öffentlichen Apotheke nur dann einen Antrag auf Zurücknahme einer ärztlichen Hausapotheke stellen kann, wenn die Wegstrecke zwischen dem Berufssitz des Arztes und der Betriebsstätte der neu errichteten Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet. Einen weiteren Fall der Zurücknahme einer ärztlichen Hausapotheke auf Antrag des Inhabers einer öffentlichen Apotheke sieht das ApG nicht vor. Insbesondere ist die Zurücknahme einer mehr als vier Straßenkilometer entfernten ärztlichen Hausapotheke bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke nicht vorgesehen. Für den Fall der Verlegung des Berufssitzes eines hausapothekenführenden Arztes regelt § 29 Abs. 2 ApG ausschließlich, dass die Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke bei Verlegung in eine andere Gemeinde erlischt; die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Verlegung innerhalb einer Gemeinde regelt das ApG hingegen nicht. Selbst wenn man - wie es den Beschwerdeführern offenbar vorschwebt - den Fall einer nachträglichen Verlegung der Betriebsstätte einer Hausapotheke in die Nähe einer bereits bestehenden öffentlichen Apotheke per analogiam nicht anders behandeln wollte als den in § 29 Abs. 3 und Abs. 4 ApG ausdrücklich geregelten Fall des Bestehens einer ärztlichen Hausapotheke in einer vier Straßenkilometer nicht überschreitenden Entfernung von einer neu errichteten öffentlichen Apotheke, fehlte es im Beschwerdefall an der für die Zurücknahme auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke vorausgesetzten Entfernung von nicht mehr als vier Straßenkilometern.
Die Abweisung des auf Zurücknahme der Bewilligung der mitbeteiligten Partei gerichteten Antrages der beschwerdeführenden Parteien verletzt diese daher nicht in Rechten.
Diesem Ergebnis steht das von der Beschwerde ins Treffen geführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 2090/99, nicht entgegen. Der Verfassungsgerichtshof schloss aus der Regelung des § 27 ApG, wonach die Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke bei Inbetriebnahme einer neuen öffentlichen Apotheke im Umkreis von vier Straßenkilometern zurückzunehmen ist, dass die Errichtung einer Filialapotheke innerhalb dieser Entfernung zu einer öffentlichen Apotheke nicht zulässig sei. Dieser Gerichtshof hat jedoch weder ein - auch für diesen Fall gesetzlich nicht geregeltes - Antragsrecht des Inhabers der öffentlichen Apotheke angenommen, noch eine Aussage zur Zurücknahme einer Filialapotheke, die sich in einer Entfernung von mehr als vier Straßenkilometern befindet, getroffen.
Das von den Beschwerdeführern zur Unterstützung ihres Standpunktes herangezogene hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/08/0188, erging zu § 29 Abs. 3 ApG in der Fassung BGBl. Nr. 502/1984; es enthält keine Aussage zu einem Antragsrecht des Inhabers einer benachbarten öffentlichen Apotheke im Fall des "Heranrückens" einer ärztlichen Hausapotheke.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren des Mitbeteiligten war abzuweisen, weil der pauschalierte Ersatz für den Schriftsatzaufwand bereits Umsatzsteuer enthält und ein Streitgenossenzuschlag nicht vorgesehen ist.
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-77606