VwGH vom 02.09.2008, 2005/16/0205
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des UL in B, vertreten durch Mag. Michael Aurednik, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Wassergasse 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Zollsenat 3 (K), vom , GZ. ZRV/0071-Z3K/04, betreffend Entlassung aus der Gesamtschuld in einer Angelegenheit der Einfuhrumsatzsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Urteil vom hat das Landesgericht Korneuburg als Schöffengericht den Beschwerdeführer des Finanzvergehens des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels für schuldig erkannt. Es wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 70.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zweieinhalb Monate) und eine Teilwertersatzstrafe von ebenfalls EUR 70.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Wochen) verhängt. Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit Bescheid vom stellte das Hauptzollamt Linz fest, dass für den Beschwerdeführer für die geschmuggelten Anabolika gemäß Art. 202 Abs. 1 lit. a iVm Abs. 3 erster Anstrich Zollkodex (ZK) iVm mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von EUR 175.720,54 entstanden ist, und teilte deren buchmäßige Erfassung mit. Weiters schrieb das Hauptzollamt Linz dem Beschwerdeführer eine Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG in Höhe von EUR 3.946,39 vor. Es wurde ausgeführt, dass ein Gesamtschuldverhältnis mit Christian S, Thomas B, Olaf W und Metin U jeweils in der gleichen Höhe von EUR 179.666,93 vorliege.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Berufungsvorentscheidung ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Entlassung aus der Gesamtschuld wegen persönlicher Unbilligkeit.
Mit Bescheid vom wies das Zollamt Linz den Antrag auf Entlassung aus dem Gesamtschuldverhältnis ab.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die gegen die abweisende Berufungsvorentscheidung erhobene Administrativbeschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe von Rechtsvorschriften und des Verfahrensganges aus, im Beschwerdefall seien ausschließlich die Einfuhrumsatzsteuer und eine Abgabenerhöhung zur Entrichtung vorgeschrieben worden. Als Maßstab der Prüfung sei daher § 83 ZollR-DG iVm § 237 BAO heranzuziehen. Im Beschwerdefall liege jedoch weder eine sachliche noch eine persönliche Unbilligkeit vor. Eine gänzliche Entlassung aus der Gesamtschuld wäre zudem eine Benachteiligung der übrigen Gesamtschuldner, die sich - im Gegensatz zum Beschwerdeführer - zum überwiegenden Teil um die Entrichtung der Abgabenschuld bemüht hätten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem subjektiven "Recht auf Entlassung aus der Gesamtschuld nach der Bundesabgabenordnung" verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall wurde eine Entlassung aus der Gesamtschuld betreffend Einfuhrumsatzsteuer und Abgabenerhöhung beantragt.
Nach § 237 Abs. 1 BAO kann auf Antrag eines Gesamtschuldners dieser aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig wäre. Durch diese Verfügung wird der Abgabenanspruch gegen die übrigen Gesamtschuldner nicht berührt.
Nach § 26 Abs. 1 UStG 1994 gelten für die Einfuhrumsatzsteuer - mit im Beschwerdefall nicht relevanten Ausnahmen - die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß.
Nach § 2 Abs. 1 ZollR-DG iVm § 1 Abs. 2 Z 1 leg. cit. gilt das Zollrecht, zu welchem insbesondere der Zollkodex (ZK) gehört, auch für die Einfuhrumsatzsteuer und die Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG.
Gibt es für eine Zollschuld mehrere Zollschuldner, so sind diese gemäß Art. 213 ZK gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Zollschuld verpflichtet.
Art. 235 bis 242 ZK sehen eine Erstattung oder einen Erlass von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben vor.
Als Erstattung gilt nach Art. 235 ZK die Rückzahlung der Gesamtheit oder eines Teils der entrichteten Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben (Buchstabe a); als Erlass gilt eine Entscheidung, durch die auf die Erhebung der Gesamtheit oder eines Teils einer Zollschuld verzichtet wird, oder eine Entscheidung, durch die die buchmäßige Erfassung der Gesamtheit oder eines Teils eines noch nicht entrichteten Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrags für ungültig erklärt wird (Buchstabe b).
Nach Art. 233 Buchstabe b ZK erlischt mit dem Erlass des Abgabenbetrages die Zollschuld.
Im Falle eines Gesamtschuldverhältnisses erlischt durch einen Erlass daher die Zollschuld gegenüber allen Gesamtschuldnern (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO und Finanzgerichtsordnung, Rz 23 zu Art. 233 ZK, und schon Henke/Huchatz, Das neue Abgabenverwaltungsrecht für Einfuhr- und Ausfuhrabgaben - Die Überlagerung der Abgabenordnung durch den Zollkodex, Teil II, ZfZ 1996, 269). Eine Entlassung eines einzelnen Gesamtschuldners aus der Gesamtschuld bei Weiterbestehen der Zollschuld ist in den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für Zölle nicht vorgesehen (anders künftig Art. 86 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 450/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft (Modernisierter Zollkodex), Abl EG Nr. L 145 vom ). Eine Entlassung aus der Gesamtschuld nach § 237 BAO kommt daher für Zölle nicht in Betracht.
Mit den Anordnungen des § 26 Abs. 1 UStG 1994 und des § 2 Abs. 1 ZollR-DG, wonach das gemeinschaftliche Zollrecht auch auf die Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden ist, erstreckt sich diese Wirkung, § 237 BAO nicht anwenden zu können, somit auch auf die Einfuhrumsatzsteuer. Gleiches gilt für die Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG.
Dieses Verständnis von der (nationalen) bundesgesetzlichen Anordnung, das gemeinschaftliche Zollrecht gelte auch für bestimmte national geregelte Abgaben, liegt auch dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/16/0076, zu Grunde. In diesem Erkenntnis ist der Verwaltungsgerichtshof wegen der Anordnung des § 122 Abs. 2 ZollR-DG, in dort angeführten Fällen das gemeinschaftliche Zollrecht auf (national geregelte) vor dem EU-Beitritt entstandene Zölle anzuwenden, davon ausgegangen, dass die in § 209 Abs. 1 BAO vorgesehene Möglichkeit der Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfrist keine Anwendung findet, weil im Zollkodex keine solche Bestimmung enthalten ist.
Die Beschwerdeausführungen zu § 83 ZollR-DG und Art. 239 ZK gehen daher ins Leere.
Indem die belangte Behörde im Instanzenzug den Antrag des Beschwerdeführers auf Entlassung aus der Gesamtschuld abgewiesen hat, hat sie den Beschwerdeführer im geltend gemachten Recht nicht verletzt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am