VwGH vom 14.03.2013, 2012/22/0241

VwGH vom 14.03.2013, 2012/22/0241

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der R, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/310.840/2008, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine ägyptische Staatsangehörige, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin mit einem vom bis gültigen Visum eingereist sei und eine quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung als begünstigte Drittstaatsangehörige - ihr Vater sei österreichischer Staatsbürger - erhalten habe. Mit ihrem am eingebrachten Verlängerungsantrag habe sie die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" beantragt und von Eduard W ausgestellte Bestätigungen betreffend ihre Einkünfte vorgelegt. Nach diesen Bestätigungen hätte sie ab dem für bestimmte näher genannte Zeiträume Zeitungen und Zeitschriften eingekauft und näher angeführte Gewinne erzielt.

Im November 2006 sei der Ehemann der Beschwerdeführerin nach Österreich gereist. Auch dieser habe seinem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG" von Eduard W ausgestellte Einkommensbestätigungen vorgelegt. Dem Ehemann der Beschwerdeführerin sei daraufhin ein vom bis gültiger Aufenthaltstitel erteilt worden. Auch der Ehemann der Beschwerdeführerin habe bei seinen Verlängerungsanträgen (wieder) Bestätigungen des Eduard W vorgelegt. Eduard W (jun.) habe gestanden, an unbekannte ausländische Personen Einkommensbestätigungen für den Erhalt von Visa ausgestellt zu haben. Mit Urteil des Bezirksgerichtes L, rechtskräftig mit , sei der Ehemann der Beschwerdeführerin wegen der Erschleichung eines Aufenthaltstitels gemäß § 119 Abs. 1 FPG und der Fälschung eines Beweismittels gemäß § 293 Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Wochen verurteilt worden. Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin im Jahr 2007 inhaltlich falsche Einkommensbestätigungen des Eduard W vorgelegt habe.

Die Beschwerdeführerin habe erwiesenermaßen durch vorsätzliche Täuschung und durch wissentlich falsche Ausführungen gegenüber einer österreichischen Behörde sich den weiteren Aufenthalt in Österreich erschlichen. Dies werde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten. Auf Grund dieser Handlung sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 6 FPG "ohne jeden Zweifel" erfüllt. Dieses aus fremdenpolizeilicher Sicht besonders verwerfliche Fehlverhalten lasse die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass auch der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens darstelle und "überdies" anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem ägyptischen Ehemann im gemeinsamen Haushalt lebe. Die Beschwerdeführerin habe mittlerweile ein zweites Kind zur Welt gebracht, die erste schwerkranke Tochter sei verstorben. Die Eltern der Beschwerdeführerin und ihre Geschwister, die zum Großteil die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, lebten in Österreich. Die Beschwerdeführerin sei nach ihren Angaben bei ihrem Bruder beschäftigt.

Es sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Die Zulässigkeit dieser Maßnahme sei im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zu bejahen und zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) als dringend geboten zu erachten. Das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin verdeutliche ihr Unvermögen oder den Unwillen, die in Österreich geltenden Normen und Rechtsvorschriften einzuhalten. Sie habe sich ihren weiteren Aufenthalt im Inland erschlichen, weshalb die aus dem Aufenthalt im Bundesgebiet allenfalls ableitbare Integration jedenfalls als relativiert zu gelten habe.

Auch gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin sei ein befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom (zur Zl. 2010/18/0349) die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Kind der Beschwerdeführerin verfüge über keinen Aufenthaltstitel. Somit sei kein Grund ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin nicht zusammen mit ihrer Familie das Bundesgebiet verlassen könnte, zumal sie sich erst etwa fünf Jahre im Bundesgebiet aufhalte. Durch eine gemeinsame Ausreise würde die Kernfamilie der Beschwerdeführerin nicht getrennt.

Eine nachhaltige Integration der Beschwerdeführerin am heimischen Arbeitsmarkt liege nicht vor. Sie sei nur kurzfristig als geringfügig beschäftigte Arbeiterin angemeldet gewesen.

Eine Gewichtung der widerstreitenden Interessen ergebe ein klares Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im Dezember 2010 die Bestimmungen des FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 maßgeblich sind.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2).

Gemäß § 60 Abs. 2 Z 6 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder die Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die wiedergegebenen Feststellungen der belangten Behörde. Die Auffassung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin durch dieses Verhalten den genannten Tatbestand erfüllt habe, erweist sich als unbedenklich (vgl. das den Ehemann der Beschwerdeführerin betreffende hg. Erkenntnis vom , 2010/18/0349).

Unzutreffend ist die Rüge in der Beschwerde, die belangte Behörde habe die Gefährdung nicht geprüft und keine Prognose im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG getroffen. Dazu genügt es, auf die oben wiedergegebene Bescheidbegründung zu verweisen.

Es kann auch das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG nicht als rechtswidrig gesehen werden. Gemäß dieser Bestimmung ist ein Aufenthaltsverbot, würde damit in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Die belangte Behörde durfte auf der einen Seite das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin und somit die gröbliche Missachtung öffentlicher Interessen berücksichtigen. In familiärer Hinsicht ist maßgeblich, dass gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht und die gemeinsame Tochter nicht über eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich verfügt. Da somit der Ehemann der Beschwerdeführerin jedenfalls das Bundesgebiet verlassen muss, ist die Fortsetzung des Familienlebens in Österreich nicht zulässig. Weiters wurden keine Gründe dafür vorgebracht, dass die Fortsetzung des Familienlebens im gemeinsamen Heimatland unmöglich wäre. Es ist auch kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass die gemeinsame Tochter - die nicht über eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich verfügt - nicht weiterhin von ihren Eltern, nunmehr im Ausland, betreut werden kann.

Bedeutsam ist auch, dass die Beschwerdeführerin bis zu ihrem 20. Lebensjahr im Heimatland gelebt hat und eine kulturelle Wiedereingliederung möglich scheint. Die allfällige Trennung von ihren weiteren Familienangehörigen hat die Beschwerdeführerin im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Letztlich ist kein Umstand dafür ersichtlich, dass diese Familienmitglieder - selbst wenn sie österreichische Staatsbürger sind - im Sinn der Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union im Urteil vom , C-256/11, "Dereci u.a.", de facto gezwungen wären, mit der Beschwerdeführerin Österreich zu verlassen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am