VwGH vom 28.02.2007, 2005/16/0193
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Köller als Richter im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/2123-L/02, betreffend Grunderwerbsteuer (mitbeteiligte Partei: K S in L, vertreten durch die Dr. Mayer GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Kudlichstraße 41-43, 4020 Linz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich folgender - im Wesentlichen unstrittige - Sachverhalt:
Am hat die Mitbeteiligte als Übernehmerin mit ihrer Mutter als Übergeberin einen "Übergabsvertrag" in der Form eines Notariatsaktes abgeschlossen. Gegenstand der Vereinbarung war die Übergabe einer Liegenschaft samt Gebäude sowie das in diesem Gebäude betriebene Unternehmen einer Gastwirtschaft. Festgehalten wurde in dem Vertrag weiter, dass die Vertragsparteien die Gastwirtschaft in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) führten, an der sie je zur Hälfte beteiligt gewesen seien. Als Gegenleistung werde der Übergeberin ein Wohnungs- und Versorgungsrecht eingeräumt; zudem hafte die Mitbeteiligte für alle Verbindlichkeiten des übergebenen Unternehmens und sie erkläre, diesbezüglich die Übergeberin vollkommen klag- und schadlos zu halten.
Der den Übergabsvertrag beurkundende Notar übermittelte dem Finanzamt U. eine Abgabenerklärung gemäß § 10 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG).
Auf Grund eines Ersuchens um Ergänzung dieser Erklärung wurde dem Finanzamt U. unter anderem eine Bilanz des von der Mitbeteiligten und ihrer Mutter betriebenen Unternehmens vorgelegt. Nach dieser Bilanz betrugen die Verbindlichkeiten des Unternehmens zum S 14,376.463,--, das Kapitalkonto der Beschwerdeführerin wies in diesem Zeitpunkt einen Stand von minus S 9,108.395,--, jenes ihrer Mutter einen Stand von minus S 2,728.605,-- auf.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt U. die Grunderwerbsteuer für den Übergabsvertrag vom mit EUR 8.533,68 fest. Nach der Begründung ging sie von den Einheitswerten für das übergebene Vermögen aus und setzte als Gegenleistung - jeweils kapitalisiert - das vereinbarte Wohnungsrecht und die Versorgungsrente sowie die Hälfte der Betriebsschulden in der Höhe von S 7,188.231,-- an.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die steuerliche Vertretung der Mitbeteiligten aus, das Finanzamt U. habe
"die Hälfte der Betriebsschulden ohne Berücksichtigung des negativen Kapitalkontos der Übergeberin zum Ansatz gebracht. ... Unter Hinweis auf Tz. 306 lit. a zu § 5 Kommentar zum GrEStG 1987 von Arnold stellen wir den Antrag , die Gegenleistung unter Berücksichtigung des Kapitalkontos zu ermitteln ..."
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt U. die Berufung als unbegründet ab und führte aus, gemäß dem in der Berufung angeführten Zitat greife eine Haftung entsprechend der Höhe der Gesellschaftsanteile nur bei den Personenhandelsgesellschaften Platz, während bei der GesbR die Gesellschafter Miteigentümer des betriebenen Unternehmens seien. Bei den Personenhandelsgesellschaften liege Gesamthandeigentum vor.
In dem gegen diese Entscheidung eingebrachten Vorlageantrag führte die steuerliche Vertretung der Mitbeteiligten aus, die Haftungsübernahme durch die Mitbeteiligte im Übergabsvertrag betreffe das Außenverhältnis. Für die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer sei jedoch lediglich die Haftung im Innenverhältnis maßgebend. Es sei somit abzuklären, in welchem Ausmaß die Mitbeteiligte bereits vor Übergabe des Geschäftsanteils im Innenverhältnis für die Verbindlichkeiten der GesbR zu haften gehabt habe und in welchem Ausmaß sie die Haftung für die von ihrer Mutter im Innenverhältnis zu haftenden Verbindlichkeiten übernommen habe. Die Haftung im Innenverhältnis richte sich dabei im vorliegenden Fall nach dem Stand der Kapitalkonten der Gesellschafter. Zum Übergabestichtag habe das Gesellschaftskonto der Mitbeteiligten minus S 9,019.069,90, jenes ihrer Mutter minus S 2,639.280,31 betragen. Die Mitbeteiligte habe somit für die Betriebsschulden zum Stichtag in der Höhe von S 14,376.473,-- im Außenverhältnis zu 50 %, im Innenverhältnis bereits zu 77,37 % gehaftet. Demnach seien nicht 50 %, sondern lediglich 22,63 % als übernommene Gegenleistung der Grunderwerbsteuerbemessung zu Grunde zu legen.
Über telefonische Aufforderung übermittelte die steuerliche Vertretung der Mitbeteiligten der belangten Behörde eine Bilanz der GesbR zum Stichtag samt einer Darstellung der Verteilung des Kapitalkontos an diesem Tag. Im Begleitschreiben vom heißt es:
"Des Weiteren ist anzumerken, dass ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag nicht existiert. Die Haftung im Innenverhältnis richtete sich im vorliegenden Fall nach dem Stand der Kapitalkonten der Gesellschafter. Der Stand der Gesellschaftskonten ergibt sich aus den mit diesem Schreiben übermittelten Dokumenten."
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid dahin abgeändert, dass Grunderwerbsteuer in der Höhe von EUR 3.993,07 vorgeschrieben wurde.
In der Begründung gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und erachtete als strittig, "in welcher Höhe die von der (Mitbeteiligten) übernommenen Betriebsschulden der GesbR als Gegenleistung anzusetzen sind." Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage sei das Innenverhältnis maßgebend. Die übernommene Schuld sei dann Teil der Gegenleistung, wenn sich der Erwerber verpflichtet habe, den Veräußerer schad- und klaglos zu halten. Auf das Verhältnis zum Gläubiger komme es nicht an. Die Mitbeteiligte habe vorgebracht, dass ihr Anteil am (negativen) Kapitalkonto der GesbR im Innenverhältnis nur 22,63 % betragen habe, sodass sie auch nur in diesem Ausmaß die Betriebsschulden von der Übergeberin übernommen habe. Bei der GesbR stehe das Gesellschaftsvermögen im Miteigentum der Gesellschafter, für Schulden hafteten sie anteilig. Das Innenverhältnis könne im Gesellschaftsvertrag frei geregelt werden. Die Mitbeteiligte habe "in einer Vorhaltsbeantwortung am wiederum darauf hingewiesen, dass zwar kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag existiere, aber im Innenverhältnis sich das Beteiligungsverhältnis nach dem Stand der Kapitalkonten richten sollte." In der Folge wurde im angefochtenen Bescheid die Entwicklung der Kapitalkonten der beiden Gesellschafterinnen zwischen dem 1. Jänner und dem dargestellt. Daraus schloss die belangte Behörde,
"dass die (Mitbeteiligte) dem Betrieb offenbar wesentlich mehr entnommen hat (Privatentnahmen, Eigenverbrauch, Sozialversicherungsbeiträge) als die Übergeberin, welche demgegenüber noch Einlagen aus ihrer Landwirtschaft geleistet hat. Die Behauptung der (Mitbeteiligten), dass sich nach dem Parteiwillen die Anteilsverhältnisse an der GesbR im Innenverhältnis nach dem Stand der Kapitalkonten richten sollten, ist daher nachvollziehbar und glaubwürdig."
Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass die Beschwerdeführerin im Innenverhältnis nur mehr einen Gesellschaftsanteil im Ausmaß von 22,64 % von der Übergeberin erworben habe. Es seien auch nur 22,64 % der Betriebsschulden als Gegenleistung für die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer anzusetzen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahrens vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
Die Mitbeteiligte hat einen Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen.
Der Grunderwerbsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet. Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zutreffend davon aus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vorgang um ein einen Übereignungsanspruch begründendes Rechtsgeschäft handelt.
Gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen.
Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 1 GrEStG ist bei einem Kauf Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Dies gilt auch für andere einen Übereignungsanspruch begründende Rechtsgeschäfte, zumal der Begriff der Gegenleistung im § 5 GrEStG keine erschöpfende Aufzählung enthält (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/16/0146).
Grundsätzlich gehören Leistungen an Dritte, die dem Veräußerer obliegen, aber aufgrund der Parteienabrede vom Erwerber getragen werden müssen, zur Gegenleistung; zur Gegenleistung gehört also auch die Übernahme von Schulden durch den Käufer, die sich im Vermögen des Verkäufers zu dessen Gunsten auswirken (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0334).
Die Mitbeteiligte übernahm im Übergabsvertrag die Haftung für alle Unternehmensverbindlichkeiten und verpflichtete sich, im Innenverhältnis ihre Mutter schad- und klaglos zu halten. Bei verständiger Würdigung dieses Vertragstextes kann nicht zweifelhaft sein, dass die Mitbeteiligte damit die persönliche Schuld gegenüber der Übergeberin auf sich genommen hat.
Strittig ist im Beschwerdefall ausschließlich, ob als Gegenleistung für die Übertragung der Liegenschaft samt Unternehmen - gemäß der Hälftebeteiligung beider Vertragsparteien am Unternehmen - die Hälfte der Unternehmensschulden oder - wie die belangte Behörde meint - lediglich jener Teil der Schulden, der dem Verhältnis der Kapitalkonten entspricht, heranzuziehen ist. Das Unternehmen haben die Vertragsparteien in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben.
Die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts haften für Gesellschaftsverbindlichkeiten anteilig, also nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung am Hauptstamm; betreibt die Gesellschaft ein Handelsgewerbe in der Rechtsform einer GesbR oder sind die Gesellschaften aus anderen Gründen Kaufleute, haften sie solidarisch (vgl. § 1203 ABGB; Strasser in Rummel2, Rz 3 zu §§ 1202, 1203 ABGB).
Im vorliegenden Übergabsvertrag wurde festgehalten, dass die Mitbeteiligte und ihre Mutter am Unternehmen und damit an der Gesellschaft je zur Hälfte beteiligt waren. Dies würde im Sinne des eben Ausgeführten den Gesellschaftsgläubigern gegenüber zu einer zumindest gleichteiligen Haftung für Gesellschafts- bzw. Unternehmensschulden führen.
Abweichend von dieser gesetzlichen Haftungsregel gegenüber Dritten hat die belangte Behörde eine Haftung im Innenverhältnis nach der jeweiligen Höhe der Kapitalkonten angenommen und begründete dies mit einer entsprechenden Vereinbarung.
Unter Hinweis auf die Rechtsprechung zur steuerlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen, die nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen eindeutigen Inhalt haben und einem Fremdvergleich standhalten sollten, bekämpft das beschwerdeführende Finanzamt die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass gesellschaftsvertraglich die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach dem Verhältnis der Kapitalkonten aufgeteilt gewesen seien. Die Parteien des Übergabsvertrages vom hätten erklärt, an der Gesellschaft je zur Hälfte beteiligt zu sein, von einem abweichenden Innenverhältnis sei keine Rede gewesen. Weder in der Abgabenerklärung noch in der Berufung sei Letzteres behauptet worden. Der von der belangten Behörde allein aus dem Verhältnis der Privatentnahmen gezogene Schluss sei widersprüchlich. Das beschwerdeführende Finanzamt wendet sich somit im Ergebnis gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde.
Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Die von der Behörde vorgenommene Beweiswürdigung ist nur insoweit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also ob sie den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen. Ob die Beweiswürdigung materiell richtig ist, entzieht sich der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof. Dieser prüft die Beweiswürdigung somit nur auf ihre Schlüssigkeit und hat im Übrigen gemäß § 41 Abs. 1 VwGG von dem von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt auszugehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 99/16/0506).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde als unschlüssig: Von der Mitbeteiligten wurde im Verwaltungsverfahren nicht behauptet, es sei zwischen ihr und ihrer Mutter eine (gesellschaftsvertragliche) Vereinbarung dahin abgeschlossen worden, dass sich die Haftung für Schulden der GesbR im Innenverhältnis nach dem Verhältnis der Kapitalkonten richte. Weder in der Berufung noch im Vorlageantrag oder im Schreiben vom ist eine konkrete Vereinbarung genannt, nach der der Stand der Kapitalkonten die Grundlage für die Begleichung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Innenverhältnis sein sollte.
Die Mitbeteiligte ging bei ihrem Vorbringen, wonach sich die Haftung im Innenverhältnis nach dem Stand der Kapitalkonten der Gesellschafter richte, offenbar von der rechtlichen Vorstellung aus, dass alleine der Stand der Kapitalkonten eine solche Verteilung ergebe. Eine solche Verteilung sehen die Bestimmungen über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts aber nicht vor; die dargestellte - dispositive - Gesetzeslage regelt nur das Außenverhältnis.
Die belangte Behörde hingegen sah in diesen Behauptungen der Mitbeteiligten offenbar das Vorbringen einer Vereinbarung über die Haftungsquoten. Ein solches wurde jedoch im Sinne des vorhin Gesagten nicht erstattet. Der bekämpften Feststellung liegt demnach - selbst wenn man ein Vorbringen als Beweismittel wertet - kein Beweisergebnis zu Grunde. Schon deshalb erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde als unschlüssig.
Der aufgezeigte Verfahrensmangel ist auch wesentlich, weil die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am