Suchen Hilfe
VwGH vom 29.05.2013, 2012/22/0234

VwGH vom 29.05.2013, 2012/22/0234

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. Andreas Biel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rauhensteingasse 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/118039/2010, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen an, dass sich der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2002 im Bundesgebiet aufhalte und über eine bis gültige Aufenthaltserlaubnis als Schüler verfügt habe. Ein am eingereichter Verlängerungsantrag sei mit Bescheid vom rechtskräftig abgewiesen worden.

Am habe er einen Erstantrag auf Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigung aus humanitären Gründen gestellt.

Dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhalte, sei von ihm nicht bestritten worden.

Im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG seien der etwas über siebeneinhalb Jahre dauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu berücksichtigen, ein in Österreich im gemeinsamen Haushalt bestehendes Familienleben mit dem Vater (österreichischer Staatsbürger) und der Schwester (türkische Staatsangehörige) sowie familiäre Beziehungen zu seinem außerehelichen fünf Jahre alten Sohn, der österreichischer Staatsbürger sei. Der Beschwerdeführer habe Kenntnisse der deutschen Sprache und in Österreich die Schulpflicht durch den Hauptschulabschluss "nachgewiesen". Die Mutter des Beschwerdeführers wohne in der Türkei. Berufliche Bindungen in Österreich seien nicht feststellbar.

Der Beschwerdeführer habe im gegenständlichen Verfahren gleich drei Mal die Unwahrheit angegeben. Er sei nämlich keineswegs der Lebensgefährte der Mutter des gemeinsamen Kindes und lebe auch nicht mit ihr zusammen. Von einer bevorstehenden Eheschließung könne keine Rede sein. Zweitens sei er finanziell keineswegs abgesichert und drittens ergebe sich noch ein Bezug zur Türkei, nämlich zu der nach wie vor dort lebenden Mutter.

Darüber hinaus sei die Wohnung, in der der Beschwerdeführer, seine Schwester und sein Vater leben, nur 33 m2 groß und bestehe bloß aus Zimmer und Küche.

Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Beeinträchtigung dieses Interesses sei gegenständlich unter Berücksichtigung aller genannten Umstände von solchem Gewicht, dass sie höher zu bewerten sei als die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers. Da der Beschwerdeführer in Österreich nie niedergelassen gewesen sei, habe er nicht damit rechnen können, das Familienleben in Österreich ohne Weiteres fortsetzen zu können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass der Beschwerdeführer ein türkischer Staatsangehöriger ist, der als Schüler zu seinem in Österreich lebenden und die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Vater gezogen ist. Sowohl den vorgelegten Verwaltungsakten als auch dem gegenständlichen Verfahrenshilfeantrag ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer Unterhalt von seinem Vater erhält. In der Beschwerde wird ausdrücklich vorgebracht, dass der Beschwerdeführer mangels Arbeitsbewilligung keiner Arbeit nachgehe, sich aber am Arbeitsmarkt integrieren möchte. Die Absicht, einer Beschäftigung nachzugehen, wurde ihm von der belangten Behörde nicht abgesprochen.

Dies bedeutet, dass die belangte Behörde die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung nicht anhand der Bestimmungen des NAG und des § 53 FPG, sondern anhand der für den Beschwerdeführer günstigeren Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 - ungeachtet dessen mittlerweile erfolgten Außerkrafttretens - zu beurteilen gehabt hätte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/18/0430).

Gemäß § 49 Abs. 1 FrG genossen Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3 FrG, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, Niederlassungsfreiheit. Für sie galten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem ersten Abschnitt des vierten Hauptstücks des FrG. Nach § 47 Abs. 3 Z 2 FrG waren begünstigte Drittstaatsangehörige Verwandte in absteigender Linie auch nach Vollendung des 21. Lebensjahres, wenn ihnen Unterhalt gewährt wurde. Ihnen war nach § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 2 FrG eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdete. Weitergehende Voraussetzungen, wie sie § 11 Abs. 2 NAG festlegt, waren nicht angeordnet. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit war Inhabern eines nach § 49 Abs. 1 FrG ausgestellten Aufenthaltstitels an sich nicht verwehrt (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis 2007/18/0430).

Dies steht der verfügten Ausweisung entgegen. Eine solche wäre nur dann zulässig, wenn der Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Solches wurde von der belangten Behörde aber nicht festgestellt. Die bloße Nichterfüllung der für Einreise, Ortswechsel und Aufenthalt von Ausländern geltenden Formalitäten stellt als solches jedoch kein die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdendes Verhalten dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/18/0025).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, ohne das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK einer Beurteilung zu unterziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-77527