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VwGH vom 29.01.2013, 2012/22/0233

VwGH vom 29.01.2013, 2012/22/0233

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des N, vertreten durch Mag. Martin Dohnal, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/46.534/2007, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am illegal eingereist und habe am nächsten Tag einen Asylantrag gestellt. Dieser sei durch den unabhängigen Bundesasylsenat in zweiter Instanz mit Bescheid vom abgewiesen worden.

Am habe der Beschwerdeführer in Wien die österreichische Staatsbürgerin E geheiratet und anschließend einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger eingebracht.

Am seien der Beschwerdeführer und seine Ehefrau von der erstinstanzlichen Behörde vernommen worden und es seien Widersprüche zutage getreten. Einem Aktenvermerk der Erstbehörde vom selben Tag sei zu entnehmen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers informiert worden wäre, es handle sich nach Ansicht der Erstbehörde um eine Scheinehe. Sie wäre aufgefordert worden, die Wahrheit zu sagen und sich alles nochmals zu überlegen. E hätte gefragt, wann sie am nächsten Tag wegen einer neuen Aussage vorbeikommen könnte. Am nächsten Tag sei sie tatsächlich gekommen und habe zu Protokoll gegeben, dass sie in Wirklichkeit mit dem Beschwerdeführer eine Scheinehe geschlossen hätte. Der Onkel des Beschwerdeführers hätte den Vorschlag gemacht, dass sie den Beschwerdeführer heiraten sollte und dafür Geld bekommen würde. Zu dieser Zeit hätte der Beschwerdeführer kein Wort Deutsch gekonnt.

In einer Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass er aus Liebe geheiratet habe. Zu Anfang wäre die Ehe harmonisch verlaufen, doch hätte seine Ehefrau immer mehr Geld von ihm gefordert, welches er ihr auf Grund seiner tristen Einkommenssituation nicht hätte geben können.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass im Zuge eines Ehenichtigkeitsverfahrens drei Zeugen ausgesagt und bestätigt hätten, dass zumindest damals ein aufrechtes Familienleben bestanden hätte. In der Verhandlung vor dem Bezirksgericht M am hätte die Verhandlungsrichterin massive Zweifel am Klagsvorbringen geäußert, das mangels Vernehmung der Klägerin (gemeint: der zweitbeklagten E) auch nicht zu erhärten gewesen wäre. Aus diesem Grund wäre Ruhen des Verfahrens vereinbart worden.

In der Folge gab die belangte Behörde den Inhalt der Protokolle des gerichtlichen Verfahrens auf Nichtigerklärung der Ehe wieder, insbesondere den Inhalt der Aussagen der Zeugen A, T und H.

Unter Bedachtnahme auf sämtliche Aussagen - so die weitere Bescheidbegründung - sei davon auszugehen, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Dabei übersehe die Behörde nicht, dass in den niederschriftlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers, seiner Ehefrau sowie einiger Zeugen durchaus (wenn auch wenige) gleichlautende Angaben gemacht worden seien. Das im Aktenvermerk der Erstbehörde vom festgehaltene Verhalten der E und ihre am nächsten Tag erfolgte Aussage, bei der sie detailliert, schlüssig und nachvollziehbar das Eingehen der "Scheinehe" mit dem Beschwerdeführer unumwunden zugegeben habe, sprächen für sich. Es bestehe für die erkennende Behörde kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Der Beschwerdeführer selbst, der nur unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers habe befragt werden können, habe die dargestellten Widersprüche nicht substantiell zu entkräften vermocht. Die Angaben des Beschwerdeführers seien als bloße Schutzbehauptung zu werten.

Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige.

Angesichts aller Umstände sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das "Privat- und Familienleben" des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er dringend geboten sei. Nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer Österreicherin bevorzugten Stellung habe der Beschwerdeführer eine unselbständige Beschäftigung eingehen können. Eine Abwägung der Interessenlage ergäbe, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wögen als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbots.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im September 2010 die Bestimmungen des FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 maßgeblich sind.

Zur behördlichen Beweiswürdigung verweist der Beschwerdeführer lediglich darauf, dass "ein österreichisches Gericht mangels Beweisen ein Scheineheverfahren mit Ruhen beendet hat" und die Zeugen, "die nicht der Sphäre des Beschwerdeführers zuzurechnen sind", mitgeteilt hätten, den Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau gemeinsam gesehen zu haben. Die Aussage der E dürfte in Bezug auf einen etwaigen Scheidungsgrund die Aussage einer offensichtlich über ihren Ehemann verärgerten Frau sein.

In Verbindung mit diesem Vorbringen rügt der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde es versäumt habe, die "gegenständlichen Zeugen" selbst zu vernehmen".

Der Beschwerdeführer hat in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid die Vernehmung der Zeugen A, T und H zum Beweis dafür beantragt, dass diese Zeugen "aus unserem sozialen Umfelde" ausgesagt hätten, mit dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau schon vor und auch nach Eheschließung verkehrt zu haben.

Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor. Allgemein geht aus § 55 Abs. 1 AVG hervor, dass die Behörde nicht notwendigerweise förmliche Beweisaufnahmen durchzuführen hat, sondern diese auch durch sonstige Erhebungen ersetzen kann. Diese Bestimmung zeigt, dass dem Verwaltungsverfahren im Allgemeinen ein Grundsatz der unmittelbaren Beweisaufnahme fremd ist. Es ist daher auch zulässig, im Verwaltungsverfahren die Beweismittel und Ergebnisse eines anderen verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Ermittlungsverfahrens in freier Beweiswürdigung und unter Wahrung des Parteiengehörs zu verwerten (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb , AVG § 46 Rz. 7 angeführte Rechtsprechung). Da die belangte Behörde die von den genannten Zeugen im bezirksgerichtlichen Verfahren getätigten Aussagen in ihre beweiswürdigenden Überlegungen einbezogen hat, liegt kein Fehler des Ermittlungsverfahrens vor. Angesichts der in sich klaren Aussage der E kann das Ergebnis der behördlichen Beweiswürdigung auch nicht als unschlüssig gewertet werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat, der Beschwerdeführer kann der Behörde aber nicht mit der Begründung entgegentreten, dass auch ein anderes Ergebnis der Beweiswürdigung schlüssig begründbar wäre (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO § 45 Rz. 18). An der Schlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung besteht schon deswegen kein Zweifel, weil die vernommenen Zeugen in einem Naheverhältnis zum Beschwerdeführer stehen. Das vom Beschwerdeführer in den Vordergrund gestellte vereinbarte Ruhen des gerichtlichen Verfahrens ist darauf zurückzuführen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers der Verhandlung ferngeblieben ist, was aber im gegebenen Zusammenhang nicht gegen die Richtigkeit ihrer vor der Verwaltungsbehörde abgelegten Aussage spricht.

Die Beschwerde bestreitet nicht die zutreffende Ansicht der Behörde, dass aus den festgestellten Tatsachen auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu schließen ist, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigt.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung nach § 66 FPG wendet, bringt er lediglich vor, dass weder auf seine Beschäftigungssituation noch auf seine gesamte Lebenssituation Rücksicht genommen worden sei und die belangte Behörde diesbezüglich keine Erhebungen durchgeführt habe. Mit diesem Vorbringen wird einerseits die Relevanz eines behaupteten Ermittlungsmangels nicht geltend gemacht, bringt der Beschwerdeführer doch nicht vor, welche weiteren Feststellungen zu treffen gewesen wären. Andererseits kann das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung schon angesichts des Fehlens eines Familienlebens mit einer Kernfamilie im Inland nicht als rechtswidrig beurteilt werden, zumal über die behauptete Berufstätigkeit hinaus keine integrationsbegründenden Umstände geltend gemacht wurden.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am