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VwGH vom 28.05.2010, 2008/10/0200

VwGH vom 28.05.2010, 2008/10/0200

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des P E in Wien, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth, Dr. Alexander Neurauter und Dr. Martin Neuwirth, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Petersplatz 3, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 6-SO-N4034/5-2008, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, zu den für die Unterbringung seines Vaters Ing. Josef E. und seiner Mutter Emma E. in einem Altenwohn- und Pflegeheim ab aufgewendeten Sozialhilfekosten beizutragen, und zwar mit einem monatlichen Kostenersatz von EUR 131,90. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, sowohl dem Vater als auch der Mutter des Beschwerdeführers werde seit Sozialhilfe durch Unterbringung im Altenwohn- und Pflegeheim "St. Nikolaus" gewährt. Dafür fielen Kosten in Höhe von insgesamt EUR 4.148,84 pro Monat an. Diese würden in Höhen von insgesamt EUR 2.581,44 (2008) aus Pension und Pflegegeld abgedeckt, der offene monatliche Sozialhilfeaufwand betrage daher EUR 1.567,40. In diesem Ausmaß mangle den Eltern des Beschwerdeführers die Selbsterhaltungsfähigkeit und komme die Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers gemäß § 143 ABGB zum Tragen. Im Rahmen dieser Unterhaltspflicht sei er nach dem Bgld. Sozialhilfegesetz zum Kostenersatz heranzuziehen. Der Beschwerdeführer verfüge über ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 2.402,69. Davon seien Sonderbelastungen im Ausmaß von EUR 1.203,93 abzuziehen, und zwar EUR 395,14 für die Wohnungskosten, EUR 58,79 für weitere Kosten (Kanalbenützungsgebühr, Müllbehandlungsbeitrag, Rauchfangkehrergebühr, Wasser-Grundgebühr) und EUR 750,-- für ein Fruchtgenussrecht, das der Beschwerdeführer seinen Eltern an einer Liegenschaft eingeräumt habe, die diese ihm zuvor verkauft hätten. Mit Dienstbarkeitseinräumungsvertrag vom habe der Beschwerdeführer nämlich seinen Eltern an der erwähnten Liegenschaft ein unentgeltliches Fruchtnießungsrecht eingeräumt, seine Eltern hätten sich ihm gegenüber zur Erhaltung und Pflege des Hauses und des Gartens und zur Tragung der Kosten der Instandhaltung verpflichtet. Das Fruchtgenussrecht sei grundbücherlich sichergestellt und daher als "erbracht" zu qualifizieren. Da Leistungen auf Grund von Leibrentenverträgen und Ausgedingen - darum handle es sich im vorliegenden Fall -, die tatsächlich erbracht werden, als absetzbare Sonderbelastungen anzusehen seien, müsse das Fruchtgenussrecht als absetzbar gewertet werden. Da eine Anfrage beim Gemeindeamt weiters ergeben habe, dass der Mietpreis pro m2 in der Gemeinde maximal EUR 5,-- betrage, sei der Fruchtgenuss mit monatlich EUR 750,-- zu bewerten gewesen. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fahrtkosten könnten hingegen nicht als absetzbar berücksichtigt werden, auch nicht die Kosten für den Pkw der Eltern.

Ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von somit EUR 1.198,76 pro Monat sei dem Beschwerdeführer ein Kostenersatz in Höhe von EUR 131,90 (11 % der Bemessungsgrundlage) zumutbar. Mit dem verbleibenden Betrag von monatlich EUR 1.066,90 sei es ihm möglich, seinen Unterhalt angemessen zu bestreiten; es komme zu keiner sozialen Härte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs. 1 Bgld. Sozialhilfegesetz 2000, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung, LGBl. Nr. 12/2007 (Bgld. SHG), haben Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten, sofern nicht eine Anrechnung ihres Einkommens gemäß § 8 Abs. 5 erfolgt ist.

Eine Verpflichtung zum Kostenersatz besteht gemäß § 45 Abs. 3 Bgld. SHG nicht, wenn dieser wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber dem Ersatzpflichtigen sittlich nicht gerechtfertigt (§ 145 ABGB) wäre oder wenn er eine soziale Härte bedeuten würde.

Mit der Wendung "im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht" verweist das Gesetz auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die gesetzliche Unterhaltspflicht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/10/0131, und die dort zitierte Vorjudikatur). Nach der somit heranzuziehenden Bestimmung des § 143 ABGB schuldet das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht im Stande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat (Abs. 1). Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach Kräften zu leisten (Abs. 2). Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des stammeseigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat das Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet (Abs. 3).

Voraussetzung für die Unterhaltspflicht des Nachfahren ist der Mangel der Selbsterhaltungsfähigkeit des Vorfahren. Entscheidend für die Beurteilung dieser Frage ist, ob der Vorfahre in der Lage ist, die seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse zu decken. Zu diesen gehören bei altersbedingt betreuungsbedürftigen Menschen auch die erhöhten Kosten eines menschenwürdigen Heimaufenthalts und notwendiger Pflege. Vorfahren mit unzureichender Altersversorgung oder ungedeckten Pflegekosten sind daher nicht selbsterhaltungsfähig (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der dem Sozialhilfeträger aus der Heimunterbringung der Eltern des Beschwerdeführers - nach Abzug der Eigenmittel (Pension, Pflegegeld) - erwachsende Aufwand betrage monatlich insgesamt EUR 1.567,40. In Ansehung dieses Betrages sei der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Unterhaltspflicht zur Ersatzleistung heranzuziehen. Ausgehend von einem monatlichen Nettoeinkommen von EUR 2.402,69 ergäbe sich abzüglich eines Betrages von EUR 453,93 für den Wohnungsaufwand (einschließlich der Betriebskosten) sowie eines Betrages in Höhe von EUR 750,-- für das eingeräumte Fruchtgenussrecht eine Bemessungsgrundlage in Höhe von EUR 1.198,76. 11 % hievon (EUR 131,86) seien als zumutbare Kostenersatzleistung des Beschwerdeführers anzusehen.

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und bringt vor, das Fruchtgenussrecht seiner Eltern hätte zumindest mit EUR 1.200,-- monatlich bewertet werden müssen. Hätte die belangte Behörde zu dieser Frage ein Sachverständigengutachten eingeholt, statt sich mit der Auskunft eines Gemeindebediensteten zu begnügen, hätte sie eine abzugsfähige Sonderbelastung in Höhe von EUR 1.200,-- veranschlagt. Davon abgesehen habe die belangte Behörde verkannt, dass der Beschwerdeführer seinen Eltern dadurch, dass er ihnen - in Form des Fruchtgenusses - eine Wohnmöglichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe, seiner Unterhaltspflicht durch Leistung von Naturalunterhalt bereits zur Gänze nachgekommen sei. Auch wenn man diese Leistung - wie die belangte Behörde - nur mit EUR 750,-- bewerte, sei offenkundig, dass der Beschwerdeführer bereits dadurch seine gesetzliche Unterhaltspflicht zur Gänze erfüllt habe. Davon abgesehen mangle es seinen Eltern nicht an der Selbsterhaltungsfähigkeit, weil sie in der Lage seien, das Fruchtgenussrecht, das ihnen eine eigentümerähnliche Stellung vermittle, zu verwerten. Sie könnten damit einen monatlichen Mietzins in Höhe von EUR 1.200,-- erzielen. Unrichtig sei auch die Auffassung der belangten Behörde, die Fahrtkosten des Beschwerdeführers zu seiner Arbeitsstelle seien nicht abzugsfähig. Angesichts eines Dienstbeginns um 4 Uhr früh sei der Beschwerdeführer auf die Benützung eines Pkws zur Erreichung seines 23 km von seinem Wohnort entfernten Arbeitsplatzes angewiesen. Unter Berücksichtigung des Kilometergeldes führe das zu einem Abzug von EUR 414,-- pro Monat. Auch die Fahrtkosten, die dem Beschwerdeführer für die im Rahmen seiner Beistandspflicht zu absolvierenden Besuche bei seinen Eltern erwüchsen, hätten in Abzug gebracht werden müssen. Diese beliefen sich auf EUR 273,60 pro Monat. Schließlich erachte sich der Beschwerdeführer durch die Regelung des Bgld. SHG, die Unterhaltspflichtige zum Kostenersatz heranzögen, während sozialhilferechtliche Regelungen anderer Bundesländer einen solchen Kostenersatz nicht vorsähen, gegenüber den Bürgern dieser anderen Bundesländer ungleich behandelt.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:

Das gegen die Annahme mangelnder Selbsterhaltungsfähigkeit der Eltern des Beschwerdeführers vorgebrachte Argument, diese könnten das ihnen eingeräumte Recht der Fruchtnießung verwerten und aus einer Vermietung monatlich EUR 1.200,-- erlösen, führt die Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil selbst in diesem Fall aus der Unterbringung der Eltern ungedeckte Kosten in Höhe von EUR 367,40 verblieben. Die Selbsterhaltungsfähigkeit der Eltern wäre also selbst bei Vermietung der erwähnten Liegenschaft nicht gegeben.

Bei seinem weiteren Vorbringen, er habe seine Unterhaltspflicht gegenüber seinen Eltern bereits dadurch erfüllt, dass er ihnen unentgeltlich in Form der erwähnten Fruchtnießung Wohnraum zur Verfügung gestellt habe, übersieht er, dass angesichts des ärztlich festgestellten Betreuungsbedarfes seiner Eltern und dem daraus resultierenden Erfordernis ihrer Unterbringung in einem Altenwohn- und Pflegeheim die zur Verfügungstellung von Wohnmöglichkeiten alleine nicht ausreichend ist, um ihren Unterhaltsbedarf zu decken. Es kann also schon deshalb keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer durch die Einräumung der Fruchtnießung an der erwähnten Liegenschaft seine Unterhaltspflicht gemäß § 143 ABGB erfüllt hätte.

Zu seinem weiteren Vorbringen ist der Beschwerdeführer zunächst auf die hg. Judikatur hinzuweisen, wonach sich die Angemessenheit des den Vorfahren von ihren Kindern gebührenden Unterhalts nach den Lebensverhältnissen sowohl des verpflichteten Kindes als auch des berechtigten Vorfahren richtet und grundsätzlich mit 22 % der Bemessungsgrundlage (das ist regelmäßig das Nettoeinkommen) des unterhaltspflichtigen Kindes anzunehmen ist, wobei von der Bemessungsgrundlage nur lebens- und existenznotwendige Ausgaben abzugsfähig sind, nicht aber Ausgaben des täglichen Lebens, wie insbesondere Wohnungskosten (Mietzins u. dgl.) (vgl. nochmals z.B. das hg. Erkenntnis vom , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Im vorliegenden Fall sind daher bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage die Wohnungskosten des Beschwerdeführers nicht entscheidend; sie stellen - wie dargelegt - keine abzugsfähigen Ausgaben dar. Auch der Wert des seinen Eltern eingeräumten Fruchtgenussrechtes ist nicht wesentlich. Das von der belangte Behörde ermittelte Nettoeinkommen des Beschwerdeführers wird nämlich durch den Umstand, dass er seinen Eltern ein unentgeltliches Fruchtnießungsrecht eingeräumt hat, in keiner Weise geschmälert; für eine diesbezügliche Verringerung der Bemessungsgrundlage besteht daher kein Anlass.

Bei einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen des Beschwerdeführers von unbestritten EUR 2.402,69 ergäbe sich selbst nach einem Abzug der von ihm geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von insgesamt EUR 687,60 eine Bemessungsgrundlage von EUR 1.715,09. Unter Zugrundelegung einer monatlichen Unterhaltspflicht von (bloß) 22% ergäbe sich rechnerisch ein Unterhaltsanspruch seiner Eltern gegen ihn, der (nicht nur die selbst nach dem Beschwerdevorbringen offenen Restkosten (EUR 367,40) sondern vor allem) den vorgeschriebenen Kostenersatz (EUR 131,90) deutlich übersteigt. Durch die Vorschreibung dieses Kostenersatzes wurde der Beschwerdeführer daher in keinem Recht verletzt.

Zu den geäußerten gleichheitsrechtlichen Bedenken genügt der Hinweis, dass der bundesstaatliche Aufbau der Republik einen Vergleich der in den einzelnen Ländern bestehenden Regelungen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes in Angelegenheiten, die in die Kompetenz der Länder fallen, überhaupt ausschließt (vgl. z.B. VfSlg.11.641/1988).

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am