VwGH vom 26.04.2010, 2008/10/0167

VwGH vom 26.04.2010, 2008/10/0167

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2008/10/0153 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des FP in O, vertreten durch Dr. Johann Lutz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 1/IV, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Va-459-4569/1/6, betreffend Übernahme der Kosten für eine Therapie gemäß Tiroler Rehabilitationsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz (TRG). Diesem Antrag waren ein psychodiagnostischer Kurzbefund sowie eine fachärztliche Stellungnahme angeschlossen, in denen auf die diagnostizierten Entwicklungsstörungen ebenso hingewiesen wurde wie auf die Notwendigkeit einer Therapie.

Mit Schreiben der Tiroler Landesregierung vom wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, es sei im durchgeführten Ermittlungsverfahren festgestellt worden, dass aus den vorgelegten Befundberichten keine Behinderung iSd TRG ableitbar sei. Es sei daher beabsichtigt, seinen Antrag abzuweisen.

Mit Schreiben vom brachte der Beschwerdeführer vor, er sei bis dato keiner direkten Begutachtung durch den Amtsarzt unterzogen worden. Er bitte um einen Vorladungstermin beim zuständigen Amtsarzt.

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 2 TRG abgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, auf Grund der von ihm beigebrachten medizinischen Unterlagen habe der medizinische Sachverständige der Landesregierung festgestellt, der Antrag sei nicht zu befürworten, weil eine Behinderung des Beschwerdeführers iSd TRG nicht festzustellen sei. Das Vorliegen einer Behinderung sei jedoch Grundvoraussetzung für die Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen nach dem TRG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Darin wird u.a. ausgeführt, es bestünden bei der belangten Behörde im Hinblick auf weitere beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdefälle "konkrete Bedenken" gegen das Vorliegen der Vollmacht des Beschwerdevertreters im vorliegenden Beschwerdefall. Beantragt wurde daher, die Beschwerde kostenpflichtig zurück-, in eventu als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde ist - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - zulässig:

Im Beschwerdeschriftsatz wird vorgebracht, der mj. Beschwerdeführer habe durch seinen gesetzlichen Vertreter den Beschwerdevertreter mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung betraut und Vollmacht erteilt; der Beschwerdevertreter berufe sich auf die ihm erteilte Vollmacht gemäß § 30 Abs. 2 ZPO iVm § 23 Abs. 5 VwGG.

Die belangte Behörde spricht demgegenüber zwar von "konkreten Bedenken" gegen das Bestehen einer Vollmacht, nennt aber kein einziges Indiz für ihre Auffassung. Aus diesem Vorbringen ergeben sich daher keine Zweifel iSd § 10 Abs. 2 AVG (im Zusammenhalt mit § 62 Abs. 1 VwGG) am Bestehen einer Vertretungsbefugnis des einschreitenden Beschwerdevertreters (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0131).

Die Beschwerde ist auch begründet:

Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des Tiroler

Rehabilitationsgesetzes, LGBl. Nr. 58/1983 idF LGBl. Nr. 22/2006,

(TRG) lauten:

"§ 2

Personenkreis

Behinderte im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die wegen eines physischen oder psychischen Leidens oder Gebrechens in ihrer Fähigkeit dauernd wesentlich beeinträchtigt sind, ein selbständiges Leben in der Gesellschaft zu führen, insbesondere eine angemessene Erziehung, Schulbildung oder Berufsausbildung zu erhalten oder eine ihnen auf Grund ihrer Schul- und Berufsausbildung zumutbare Beschäftigung zu erlangen oder zu behalten."

"§ 3

Anspruch

(1) Voraussetzung für die Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen ist, daß der Behinderte


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a)
die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt,
b)
in Tirol seinen Hauptwohnsitz hat,
c)
rehabilitationsfähig ist,
d)
rehabilitationswillig ist,
e)
keine Möglichkeit hat, nach anderen Rechtsvorschriften gleichartige oder ähnliche Leistungen zu erhalten.
......
5)
Auf Leistungen nach diesem Gesetz, mit Ausnahme von Leistungen nach § 14 und § 15 Abs. 1 und 2, besteht ein Anspruch. Ein Anspruch auf Gewährung einer bestimmten Rehabilitationsmaßnahme besteht nicht."
"§ 25
Behörden und Verfahren

(1) Der Landesregierung obliegt die Entscheidung und Verfügung in allen Angelegenheiten dieses Gesetzes.

(2) Rehabilitationsmaßnahmen dürfen nur auf Antrag gewährt werden. Anträge auf Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen sind schriftlich beim Amt der Landesregierung oder bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in der der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz hat, einzubringen.

(3) Vor der Entscheidung über einen Antrag nach Abs. 2 sind der Amtsarzt und bei Bedarf weitere Sachverständige zu hören. Die Sachverständigen können ein gemeinsames Gutachten (Gesamtplan) erstellen.

......"

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der medizinische Sachverständige der Landesregierung habe auf Grund der vom Beschwerdeführer beigebrachten medizinischen Unterlagen festgestellt, dass bei ihm keine Behinderung iSd TRG vorliege.

Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, er habe mit seinem Antrag einen psychodiagnostischen Befund sowie eine fachärztliche Stellungnahme vorgelegt. Aus diesen Unterlagen sei ersichtlich, dass er einen Bedarf nach Rehabilitationsmaßnahmen iSd TRG habe. Die Auffassung der belangten Behörde, bei ihm liege keine Behinderung iSd TRG vor, sei weder nachvollziehbar noch begründet. Darlegungen eines medizinischen Sachverständigen, auf die in der Bescheidbegründung hingewiesen werde, seien dem Beschwerdeführer jedenfalls weder im Verwaltungsverfahren, noch im Wege der Bescheidbegründung zur Kenntnis gebracht worden. Bei ordnungsgemäßer Einholung eines Amtsgutachtens hätte die belangte Behörde zur Auffassung gelangen müssen, dass bei ihm - wie das auch den seinem Antrag beigelegten fachlichen Unterlagen zu entnehmen sei - eine Behinderung iSd TRG vorliege und er daher einen Anspruch auf Rehabilitationsmaßnahmen iSd TRG habe.

Die Beschwerde ist berechtigt:

Die Frage, ob beim Beschwerdeführer eine Behinderung iSd § 2 TRG vorliegt, ist eine Frage, zu deren Beantwortung die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen geboten ist. In diesem Sinn bestimmt auch § 25 Abs. 3 TRG, dass vor einer Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen "der Amtsarzt und bei Bedarf weitere Sachverständige zu hören" sind.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird zwar auf Feststellungen eines medizinischen Amtssachverständigen der Landesregierung hingewiesen, jedoch werden diese Feststellungen nicht wiedergegeben und es werden auch jene Gründe nicht dargelegt, aus denen der Amtssachverständige - im Gegensatz zu den vom Beschwerdeführer befassten Sachverständigen - das Vorliegen einer Behinderung iSd TRG beim Beschwerdeführer verneinte.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist eine Befassung des Amtsarztes bzw. eines anderen medizinischen Amtssachverständigen überhaupt nicht ersichtlich. So heißt es in einem Aktenvermerk vom , dass "der Fall" in einer "Clearingsitzung" besprochen worden sei, und weiters - ohne nähere Begründung -, dass aus den vorliegenden Befundberichten keine Behinderung iSd TRG ableitbar sei. Weder ist jedoch ersichtlich, dass an dieser "Clearingsitzung" der Amtsarzt oder ein anderer medizinischer Sachverständiger teilgenommen hätte, noch dass die Auffassung, aus den vorgelegten Befundberichten sei keine Behinderung des Beschwerdeführers iSd TRG ableitbar, auf der Grundlage medizinischen Fachwissens gewonnen worden wäre. Vielmehr blieb das Vorbringen des Beschwerdeführers vom , er habe bis dato "keine direkte Begutachtung" durch den Amtsarzt erfahren, unwidersprochen. Die nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erstmals erfolgte Begutachtung des Beschwerdeführers durch den Amtsarzt ergab im Übrigen, dass beim Beschwerdeführer eine Behinderung iSd TRG vorliege und dass die beantragte Maßnahme, "wie auch im FÄgutachten von Kinderärztin Frau Dr. Mader vom bestätigt", notwendig sei.

Die belangte Behörde hat, indem sie die gemäß § 25 Abs. 3 TRG gebotene Einholung des Gutachtens eines Amtsarztes unterließ, sondern sich mit den nicht weiter begründeten Ergebnissen einer nicht näher beschriebenen "Clearingsitzung" zur Frage des Vorliegens einer Behinderung iSd TRG beim Beschwerdeführer begnügte und solcherart auch eine ordnungsgemäße Begründung des angefochtenen Bescheides schuldig blieb, Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte gelangen können. Sie hat den angefochtenen Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am