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VwGH vom 26.02.2013, 2012/22/0224

VwGH vom 26.02.2013, 2012/22/0224

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/272.454/2010, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung verwies die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass der seit 1992 im Bundesgebiet niedergelassene Beschwerdeführer bereits im August 1996 bei einer "Schwarzarbeit" in Wien betreten worden sei. Im Oktober 1999 sei er wegen illegaler Beschäftigung einer Ausländerin rechtskräftig bestraft worden, weiters am , , und wegen Übertretung nach § 1 Abs. 3 FSG.

Mit rechtskräftigem Urteil vom sei der Beschwerdeführer nach § 91 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden, nachdem er am tätlich bei einem Angriff teilgenommen habe, der eine Körperverletzung eines Dritten bewirkt habe.

Eine weitere rechtskräftige Verurteilung stamme vom nach § 223 Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten, weil der Beschwerdeführer am anlässlich einer Fahrzeugkontrolle einen gefälschten italienischen Führerschein vorgewiesen habe.

Eine weitere rechtskräftige Verurteilung sei durch das Landesgericht für Strafsachen Wien am nach § 83 Abs. 1, § 107 Abs. 1, § 15, § 105 Abs. 1 und § 125 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten erfolgt. Der Beschwerdeführer habe am seiner Lebensgefährtin mehrfach Schläge ins Gesicht versetzt und sie wiederholt gefährlich bedroht.

Die letzte Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr stamme vom Landesgericht für Strafsachen Wien vom nach § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 Z 1, § 99 Abs. 1 StGB. Der Beschwerdeführer habe Ende Jänner 2008 mit drei Mittätern einen Mann massiv einschüchtern wollen. Sie hätten diesen aufgefordert, sein Fahrzeug zu verlassen, und begonnen, ihn zu bedrohen. Der Beschwerdeführer habe geäußert, er werde diesen umbringen, sein Gesicht verunstalten und ihm so lange ins Gesicht schlagen, bis ihn niemand mehr erkennen würde. In weiterer Folge hätten sie diesen zum Einsteigen in den Kofferraum des Fahrzeuges eines Mittäters genötigt und ihn eine Zeit lang widerrechtlich seiner Freiheit beraubt. Mit dem im Kofferraum Eingeschlossenen seien die Täter zumindest fünf Minuten durch Wien gefahren.

Diese Urteile würden den in § 60 Abs. 2 Z 1 FPG normierten Sachverhalt erfüllen, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegeben seien.

Der Beschwerdeführer habe am , sohin während des anhängigen gegenständlichen Verfahrens, seine Lebensgefährtin, eine österreichische Staatsbürgerin, geheiratet. Der nunmehrigen Ehe entstamme ein am geborenes Kind, zu dem der Beschwerdeführer die Vaterschaft anerkannt habe.

Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers lasse dessen Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Bereits im Jahr 2004 sei ein Aufenthaltsverbotsverfahren eingeleitet und der Beschwerdeführer "eindrücklich" ermahnt worden. Weder vorangegangene Verurteilungen noch die Ermahnung hätten ihn von neuerlichem Fehlverhalten abhalten können. Er könne zweifelsfrei als Gewalttäter bezeichnet werden. Solcherart sei eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose unmöglich.

Dass die Geburt seiner nunmehrigen Tochter sein Leben derart nachhaltig geändert hätte, sei angesichts der vielfachen Gewalttaten nicht glaubhaft nachvollziehbar. Bereits im Jahr 2004 habe der Beschwerdeführer seine Läuterung behauptet und sei trotzdem erneut schwerwiegend straffällig geworden.

Mit dem Aufenthaltsverbot sei ein erheblicher Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden. Weiters sei die lange Dauer seines bisherigen Aufenthaltes zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer habe die Ehe erst während des anhängigen Aufenthaltsverbotsverfahrens geschlossen, zu einem Zeitpunkt, in dem er nicht mit einem ständigen Weiterverbleib im Bundesgebiet habe rechnen dürfen. Auch wenn seine Ehefrau nicht islamischen Glaubensbekenntnisses sei, könne sie ihn in der Heimat besuchen. Auch seinen Sorgepflichten könne der Beschwerdeführer vom Ausland aus nachkommen. Dass ihm eine Rückkehr in die Heimat nicht möglich sei, sei nicht geltend gemacht worden. Seit Jänner 2010 sei er als arbeitslos bzw. als Notstandshilfeempfänger gemeldet und verfüge auch nicht über eine Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG. Insgesamt würden sich die privaten Interessen des Beschwerdeführers keinesfalls als derart gewichtig erweisen, dass demgegenüber das öffentliche Interesse in den Hintergrund zu treten hätte.

Ein Verfestigungstatbestand nach § 61 FPG sei nicht erfüllt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im November 2010 die Bestimmungen des FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 anzuwenden sind und sich nachfolgende Zitierungen auf diese Rechtslage beziehen.

Gemäß § 87 FPG gelten für den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer österreichischen Staatsbürgerin die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG.

Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Diese - gegenüber § 60 Abs. 1 und auch § 56 Abs. 1 FPG erhöhte - Gefährdungsprognose ist aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers zu bejahen. Die festgestellten strafbaren Handlungen, die er trotz Verurteilung und Androhung eines Aufenthaltsverbotes fortgesetzt hatte, zeigen einen deutlichen Hang des Beschwerdeführers zu massiven Gewalttaten. Diese Einschätzung kann entgegen der Beschwerdemeinung nicht dadurch in Zweifel gezogen werden, dass der Beschwerdeführer "nach seiner letzten Verurteilung ein neues Leben begonnen" habe. Da nämlich die letzte Straftat aus Jänner 2008 stammt, ist der bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichene Zeitraum keinesfalls lang genug, um auf einen Wegfall der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers schließen zu können. Auch wenn die belangte Behörde weitere Ausführungen zur Gefährlichkeitsprognose nach § 86 Abs. 1 FPG unterlassen hat, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass sie die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bejaht hat.

Es kann auch das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Der Beschwerdeführer kann zwar auf einen sehr langen inländischen Aufenthalt verweisen, er ist mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und hat die Vaterschaft ihres - österreichischen - Kindes anerkannt.

Andererseits bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass er am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert ist, wodurch die behauptete Fürsorge - in finanzieller Hinsicht - für Ehefrau und Kind relativiert wird.

Weiters ist das öffentliche Interesse an der Verhinderung solcher Gewaltdelikte, wie sie der Beschwerdeführer trotz Ermahnung fortgesetzt hat, schwer zu gewichten.

Der Beschwerdehinweis auf die Schwangerschaft seiner Ehefrau ist schon wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes unbeachtlich. Da in der Beschwerde von den bereits erwähnten Umständen abgesehen nur darauf verwiesen wird, dass der Beschwerdeführer seine Fehler eingesehen habe und an gewaltvermeidenden Projekten in Schulen teilnehme, wird insgesamt eine Unrichtigkeit der behördlichen Beurteilung nicht dargetan.

Unverständlich ist der Beschwerdehinweis, dass das "gelindere Mittel" eines befristeten Aufenthaltsverbotes ausgereicht hätte, hat doch die belangte Behörde ohnedies ein zehnjähriges und kein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Letztlich hat zwar der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) - aufbauend auf dem Urteil vom , C-34/09 "Zambrano", - im Urteil vom , C-256/11 "Dereci u.a.", ausgesprochen, dass Art. 20 AEUV nationalen Maßnahmen entgegensteht, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen dieser Status verleiht, verwehrt wird. Das Kriterium der Verwehrung des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, bezieht sich auf Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaates, dem er angehört, zu verlassen, sondern das Gebiet der Union als Ganzes. Es betrifft Sachverhalte, in denen - obwohl das das Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen betreffende aus der RL 2004/38/EG abgeleitete Recht nicht anwendbar ist - einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Staatsbürgers eines Mitgliedstaates ist, ein Aufenthaltsrecht ausnahmsweise nicht verweigert werden darf, weil sonst die Unionsbürgerschaft der letztgenannten Person ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde.

Daraus ist für den Beschwerdeführer aber nichts gewonnen, hat doch nach dem hier angewendeten § 86 Abs. 1 FPG selbst ein nichtösterreichischer Unionsbürger die (allfällige) Trennung von seinen Familienangehörigen und allenfalls auch die Beeinträchtigung der aus der Unionsbürgerschaft herrührenden Rechte hinzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/18/0160).

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am