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VwGH vom 27.09.2011, 2010/12/0131

VwGH vom 27.09.2011, 2010/12/0131

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des AI in S, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vom , Zl. BMUKK-1459.140650/0001-III/8/2009, betreffend Reisegebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Professor in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und am BG und BRG W in Verwendung.

Am legte er - nicht mit Anträgen auf bescheidmäßige Erledigung verbundene - Reiserechnungen für die Teilnahme an einem Mathematikerfortbildungstag an der Universität Wien am und an einem Seminar in Linz am .

Daraufhin sprach der Landesschulrat für Oberösterreich mit Bescheid vom aus, dass dem Beschwerdeführer für die Teilnahme an den genannten Veranstaltungen keine Reisekostenvergütung bzw. keine Reisezulage gebühre.

In der Begründung dieses Bescheides setzte sich die erstinstanzliche Dienstbehörde inhaltlich mit der Frage der Gebührlichkeit der in Rede stehenden Reisegebühren auseinander.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit dem Antrag, die Berufungsbehörde möge ihm in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides für die genannten Dienstreisen Reisekostenvergütungen zuerkennen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde auf Grund dieser Berufung der erstinstanzliche Bescheid vom ersatzlos aufgehoben.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges sowie nach Wiedergabe der §§ 1 und 2 der Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133 (im Folgenden: RGV), Folgendes aus:

"Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat (im Zusammenhang mit der Vorlage einer Reiserechnung eines Beamten einer Zentralstelle an die Personalabteilung und der Frage der Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde, im Erkenntnis vom , Zl. 92/12/0231, ausgesprochen, dass nach § 38 RGV die anweisende Dienststelle die Reiserechnung überprüft und ohne Verzug die Auszahlung des gebührlich befundenen Betrages veranlasst. '(...)

Auf Grund der Rechnungslegung allein, die einen Antrag auf Auszahlung von Nebengebühren, also die Geltendmachung eines vermögensrechtlichen Anspruches darstellt, ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art 132 B-VG schon deshalb zunächst ausgeschlossen, weil nach Art 137 B-VG der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund zu entscheiden hat, wenn diese weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind (Hinweis B des ). Der Beamte kann jedoch verlangen, dass, wenn die Dienststelle der Auffassung ist, der vom Beamten in der Reiserechnung geltend gemachte Anspruch bestehe nicht oder nicht in vollem Umfang zu Recht und dementsprechend nur den gebührlich befundenen Betrag zur Auszahlung bringt, über seinen geltend gemachten Gebührenanspruch bescheidmäßig abgesprochen wird (...)'.

Im Erkenntnis vom , Zl. 95/12/0137, hat der VwGH unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung über die Erlassung von Feststellungsbescheiden ausgeführt, dass die Verwaltungsbehörden nur dann befugt sind, Feststellungsbescheide im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit zu erlassen, '(...)wenn hiefür entweder eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung oder ein im privaten oder öffentlichen Interesse begründeter Anlass vorliegt und die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates des Zl. 96/17/0162 und Erkenntnisse vom , Zl. 86/12/0147, Slg. N.F. Nr. 12.586/A). Für einen Feststellungsbescheid ist jedoch dort kein Raum, wo ein Leistungsbescheid möglich ist (vgl. Erkenntnisse des Zl. 86/01/0175, Slg. N.F. Nr. 12455/A und vom , Zl. 90/12/0274) (...)'.

Aufgrund der sich daraus ergebenden Unzulässigkeit der Erlassung eines (Feststellungs )Bescheides ohne entsprechenden Antrag war der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden. Ein Antrag auf bescheidmäßige Absprache im Sinne der Erlassung eines Leistungsbescheides bezüglich der geltend gemachten Reisegebühren ist erst im Berufungsantrag enthalten.

Ob die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Reisegebühren vorliegen, ist in einem gesonderten Verfahren vor der zuständigen Dienstbehörde 1. Instanz, welche keine Anweisung der in den vorgelegten Reiserechnungen geltend gemachten Gebühren veranlasst hat, zu überprüfen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Sachentscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruches auf Reisegebühren nach der RGV verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu Recht macht die vorliegende Beschwerde zunächst geltend, dass zwischen der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine erstinstanzliche Behörde eine Pflicht zur Erlassung eines Feststellungsbescheides betreffend Gebühren nach der RGV trifft, und der hier zu beurteilenden Frage zu unterscheiden ist, wie eine Berufungsbehörde rechtens gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 DVG "in der Sache" zu entscheiden hat, falls die erstinstanzliche Behörde die fehlende Gebührlichkeit einer Reisekostenvergütung bzw. einer Reisezulage feststellt.

Aus dem von der belangten Behörde (im angefochtenen Bescheid) zitierten hg. Beschluss vom , Zl. 92/12/0231 (= VwSlg. Nr. 13.750 A/1992), ist - ebenso wie aus dem in der Gegenschrift zitierten hg. Beschluss vom selben Tag, Zl. 92/12/0237 - lediglich zu entnehmen, dass die bloße Legung einer Reiserechnung keine Pflicht der erstinstanzlichen Dienstbehörde zur Erlassung eines Feststellungsbescheides betreffend die Gebührlichkeit der damit geltend gemachten Reisegebühren auslöst.

Vorliegendenfalls hat die erstinstanzliche Dienstbehörde aber - ungeachtet des Fehlens eines ausdrücklich darauf gerichteten Antrages des Beschwerdeführers - die Vorlage der in Rede stehenden Reiserechnungen - offenbar amtswegig - zum Anlass genommen, die fehlende Gebührlichkeit der mit diesen Reiserechnungen geltend gemachten Ansprüche festzustellen.

Zunächst ist festzuhalten, dass vorliegendenfalls die Erlassung eines "Leistungsbescheides" - verstanden im Sinne der Schaffung eines gegen den Bund vollstreckbaren Leistungstitels durch die Verwaltungsbehörde - bzw. eine negative inhaltliche Entscheidung über ein darauf gerichtetes Begehren - keinesfalls in Betracht kam, da - wie sich aus den beiden vorzitierten Beschlüssen vom ergibt - die Schaffung eines solchen Leistungstitels gegenüber dem Bund der Entscheidung über eine Klage nach Art. 137 B-VG durch den Verfassungsgerichtshof vorbehalten wäre. Die Zulässigkeit der Erhebung einer derartigen Klage steht freilich der Zulässigkeit der Erlassung von Feststellungsbescheiden keinesfalls per se entgegen, sondern setzt vielmehr im Falle der Strittigkeit besoldungsrechtlicher Ansprüche die vorangehende Erlassung solcher Feststellungsbescheide voraus (vgl. hiezu etwa auch das von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/12/0005). Vor diesem Hintergrund war der Berufungsantrag des Beschwerdeführers auf "Zuerkennung" von Reisekostenvergütung als auf die Feststellung der Gebührlichkeit einer solchen gerichtet zu deuten und bewegte sich innerhalb der "Sache" des erstinstanzlichen Verfahrens.

Auf Grund der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen und nach dem Vorgesagten zulässigen Berufung des Beschwerdeführers erlangte dieser jedenfalls einen Rechtsanspruch darauf, dass die belangte Behörde als Berufungsbehörde - in Ermangelung der Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG - gemäß Abs. 4 leg. cit. eine Berufungsentscheidung "in der Sache" trifft. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vorgenommene ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides wäre nur dann eine zutreffende Entscheidung "in der Sache", wenn eine Feststellung betreffend die Gebührlichkeit der geltend gemachten Ansprüche nach der RGV unzulässig gewesen wäre. Dies nahm die belangte Behörde unter Hinweis auf das Fehlen eines ausdrücklich auf die Erlassung eines Feststellungsbescheides gerichteten Antrages des Beschwerdeführers an.

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden sind die Verwaltungsbehörden aber insbesondere auch berechtigt, außerhalb ausdrücklicher gesetzlicher Einzelermächtigungen im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit von Amts wegen Feststellungsbescheide über Rechte oder Rechtsverhältnisse zu erlassen, soferne ein im öffentlichen Interesse begründeter Anlass dazu gegeben ist und die Verwaltungsvorschriften nicht ausdrücklich anderes bestimmen. Diese Befugnis besteht neben jener der Partei eines Verwaltungsverfahrens, die bescheidmäßige Feststellung strittiger Rechte zu begehren, wenn der Bescheid im Einzelfall notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung ist und insofern im Interesse der Partei liegt (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel , Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 204 zu § 56 AVG zitierte Judikatur).

Ist aber nun - wie im vorliegenden Fall - die Gebührlichkeit eines Anspruches, dessen sich die Partei berühmt, zwischen ihr und der Dienstbehörde strittig, so erweist sich die amtswegige Erlassung eines Feststellungsbescheides, der inhaltlich die Gebührlichkeit bzw. Nichtgebührlichkeit des Anspruches feststellt, als zulässig (vgl. hiezu das zu einer Verwendungszulage nach § 30a GehG/Stmk ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/12/0105, welches freilich zwischen dem hier vorliegenden Fall und dem der bloßen Abweisung eines gar nicht gestellten Feststellungsantrages durch die erstinstanzliche Behörde unterscheidet).

Erwies sich aber vorliegendenfalls die von der erstinstanzlichen Behörde amtswegig getroffene Feststellung als zulässig, so hätte die belangte Behörde im Rahmen ihrer Entscheidung als Berufungsbehörde "in der Sache" gleichfalls eine inhaltliche Feststellungsentscheidung über die Frage der Gebührlichkeit der in der Reiserechnung des Beschwerdeführers geltend gemachten Ansprüche zu treffen gehabt. Auf eine solche Entscheidung hat der Beschwerdeführer durch die Erhebung seiner Berufung, in welcher ein zulässiger darauf gerichteter Berufungsantrag gestellt wurde, einen Rechtsanspruch erworben.

Indem die belangte Behörde die dargestellte Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und verletzte den Beschwerdeführer in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht, sodass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am