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VwGH vom 25.10.2018, Ra 2018/09/0091

VwGH vom 25.10.2018, Ra 2018/09/0091

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr, die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel sowie Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision der Bezirkshauptmannschaft Weiz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 41.18-1536/2016-24, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. M s.r.o. in P, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, 2. R GmbH in I, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hofgasse 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde sprach mit Bescheid vom gegenüber den mitbeteiligten Parteien die Beschlagnahme eines Glücksspielgeräts gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a, Abs. 2 und 3 Glücksspielgesetz (GSpG) aus, mit welchem durch das konsenslose Anbieten und Veranstalten virtueller Walzenspiele in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen worden sei.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der dagegen erhobenen Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG Folge und behob den angefochtenen Bescheid. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für unzulässig.

3 Das Verwaltungsgericht traf dazu die "Feststellung", dass weder im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheids noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein ausreichend substanziierter Verdacht für eine Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 GSpG vorgelegen habe. Dieser Annahme legte es die beweiswürdigende Überlegung zu Grunde, dass die als Zeugen einvernommenen Polizisten sich in der Verhandlung nicht mehr daran erinnern hätten können, ob das bei der Kontrolle vorgefundene Gerät betriebsbereit gewesen sei. Die Beamten seien aufgrund der Erscheinungsform des Geräts davon ausgegangen, dass es sich um ein Glücksspielgerät handle. Das Gerät sei von ihnen auch nicht bespielt worden. Es könne daher weder eine ansatzweise Darstellung des Spielablaufs konstatiert werden, noch könnten Feststellungen über die Art des Spiels getroffen werden. Weiters sei der Bildschirm des Geräts teilweise verklebt gewesen. Eine nachträgliche Beurteilung des Apparats anhand von Fotos durch einen Zeugen sei nicht geeignet, die Beschlagnahme nachträglich zu rechtfertigen.

4 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht fallbezogen aus, dass von Seiten der mitbeteiligten Parteien - wenn auch nur unsubstanziiert - vorgebracht worden sei, dass keine Glücksspiele angeboten worden seien. Um diesem Argument entgegenzutreten, müssten Ermittlungsergebnisse vorliegen, welche auch einen Verdacht im Sinn des § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a GSpG im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids der belangten Behörde begründeten. Selbst eine Inbetriebnahme der beschlagnahmten Geräte durch das Landesverwaltungsgericht könnte einen solchen Verdacht nicht begründen, zumal er zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheids hätte bestehen müssen. Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Folge (Hinweis auf ), hätte das Landesverwaltungsgericht festzustellen, inwiefern eine Betriebsbereitschaft im Zeitpunkt der gegenständlichen Kontrolle vorgelegen habe. Dies sei von den Polizeibeamten vor Ort jedoch nicht überprüft worden. Diese seien ohne nähere Prüfung davon ausgegangen, dass es sich um ein Glücksspielgerät handle, das in weiterer Folge vorläufig beschlagnahmt worden sei.

5 Die Zulässigkeit der Revision verneinte das Landesverwaltungsgericht mit dem Hinweis auf das Fehlen einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der belangten Behörde mit dem Antrag, das Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, eventualiter wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die mitbeteiligten Parteien erstatteten Revisionsbeantwortungen und beantragten die Revision zurückzuweisen, hilfsweise sie als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die Zulässigkeit der vorliegenden Revision wird unter anderem damit begründet, dass das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit einer Beschlagnahme aufgrund eines sowohl im Zeitpunkt der Erlassung des Beschlagnahmebescheids als auch im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausreichend substanziierten Verdachts für eine Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 GSpG von der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.

8 Die Revision erweist sich entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Verwaltungsgerichts als zulässig. Sie ist auch berechtigt, weil das Landesverwaltungsgericht infolge Verkennung der Rechtslage erforderliche Feststellungen nicht getroffen hat.

9 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist eine Beschlagnahme nach § 53 Abs. 1 GSpG nur dann zulässig, wenn ein ausreichend substanziierter Verdacht vorliegt, dass mit Glücksspielgeräten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt oder wiederholt gegen Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird. Nicht erforderlich ist dabei, dass die Übertretung des Gesetzes zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits erwiesen ist. Wenngleich im Zeitpunkt der Beschlagnahme das Vorliegen eines Glücksspiels noch nicht im Einzelnen nachgewiesen sein muss, erfordert die Überprüfung eines Beschlagnahmebescheids jedenfalls Feststellungen über die Art des Spiels, weil ansonsten eine Überprüfung der rechtlichen Beurteilung nicht möglich ist. Hiezu ist die ansatzweise Darstellung des Spielablaufs erforderlich (vgl. etwa , mwN).

10 Der nach § 53 Abs. 1 GSpG erforderliche Verdacht muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde, im Falle der Erhebung einer Berufung im Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde gegeben sein; nach der nunmehrigen Rechtslage daher im Fall der Erhebung einer Beschwerde im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (zum Ganzen auch , mwN).

11 Im Revisionsfall hat das Landesverwaltungsgericht die Aufhebung des Beschlagnahmebescheids damit begründet, dass bei Erlassung des Bescheids kein ausreichend substanziierter Verdacht für eine Beschlagnahme nach § 53 Abs. 1 GSpG vorgelegen habe. Ferner vermeinte es, eine nachträgliche Beurteilung des Apparats anhand von Fotos sei nicht geeignet, die Beschlagnahme "nachträglich zu rechtfertigen". Selbst eine Inbetriebnahme der beschlagnahmten Geräte durch das Landesverwaltungsgericht könnte nach seiner Ansicht einen solchen Verdacht nicht begründen, weil dieser bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheids hätte bestehen müssen.

12 Mit diesen Ausführungen verkannte das Landesverwaltungsgericht jedoch die Rechtslage und traf davon ausgehend nicht die erforderlichen Feststellungen. Die vom Verwaltungsgericht als Feststellungen bezeichneten Ausführungen stellen sich tatsächlich als rechtliche Schlussfolgerung dar, der jedoch die Tatsachengrundlage fehlt.

13 Zunächst ist festzuhalten, dass der vor dem Verwaltungsgericht bekämpfte Bescheid - entgegen der im angefochtenen Erkenntnis zum Ausdruck kommenden Ansicht - bereits (ausreichende) Feststellungen enthielt, auf welche das Vorliegen eines Verdachts im Sinn des § 53 GSpG gegründet werden konnte (siehe zur Qualifikation virtueller Walzenspiele als Glücksspiele etwa , mwN).

14 Das Landesverwaltungsgericht hat hier gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in der Sache entschieden und den Beschlagnahmebescheid (ersatzlos) aufgehoben. Für eine solche Entscheidung hätte es zunächst jedoch zu prüfen gehabt, ob nicht spätestens zum Zeitpunkt seiner eigenen Entscheidung ausreichende Tatsachen vorlagen, um von einem Verdacht im Sinn des § 53 GSpG ausgehen zu können. Dazu hätte es alle verfügbaren Beweismittel aufzunehmen und konkrete Feststellungen zu treffen gehabt. Dazu war es nicht nur berechtigt, sondern im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung auch verpflichtet. Mit anderen Worten war es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, eine Beschlagnahme "nachträglich zu rechtfertigen", sondern hatte es zu prüfen, ob der nach § 53 Abs. 1 GSpG erforderliche Verdacht im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorlag. Die Bewertung des Apparats im verwaltungsgerichtlichen Verfahren war daher zur Beurteilung des relevanten Verdachts nicht nur nicht ungeeignet, sondern sogar geboten (siehe auch dazu ). Mit den detaillierten Beschreibungen des Glücksspielgeräts im Behördenakt setzte sich das Landesverwaltungsgericht Steiermark in seinem Erkenntnis gar nicht auseinander.

15 Sofern das Verwaltungsgericht die Betriebsbereitschaft des Geräts zum Zeitpunkt der Kontrolle deshalb in Zweifel zog, weil der Bildschirm damals (teilweise) abgeklebt war, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach jederzeit unmittelbar reversible Maßnahmen die Beendigung der Spielbereitschaft nicht bewirken ( bis 0913; , 2006/15/0088).

16 Indem das Landesverwaltungsgericht die Erforderlichkeit der aufgezeigten Feststellungen zur Beurteilung der Rechtsfrage verkannte und diese daher nicht traf, belastete es sein Erkenntnis infolge sekundärer Feststellungsmängel mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

17 Das angefochtene Erkenntnis war somit in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018090091.L00
Schlagworte:
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Besondere Rechtsgebiete

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