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VwGH vom 18.02.2010, 2008/10/0129

VwGH vom 18.02.2010, 2008/10/0129

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des M W in Innsbruck, vertreten durch Mag. Mathias Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Burggraben 4/4, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Va-459- 11307/1/43, betreffend Kostenbeitrag für Rehabilitationsmaßnahmen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 20 Abs. 1 Tiroler Rehabilitationsgesetz (TRG) verpflichtet, einen Beitrag zu den gemäß § 7 TRG vom Land Tirol für den Zeitraum vom bis übernommenen Kosten der vollzeitbetreuten Unterbringung des Beschwerdeführers in der Wohngruppe eines näher bezeichneten Vereines in Höhe von monatlich EUR 907,92 zu leisten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kostenbeitrag sei "nach den Einkommensverhältnissen des Betroffenen bemessen" worden. Er entspreche den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers, weil er trotz einer "gewissen unvermeidlichen Einschränkung der finanziellen Möglichkeiten" den angemessenen Unterhalt des Beschwerdeführers nicht gefährde. Eine Reduzierung des Beitrages wie vom Beschwerdeführer begehrt, sei "auf Grund der anzuwendenden Richtlinien" nicht möglich. Es sei aber berücksichtigt worden, dass für die tägliche Fahrt des Beschwerdeführers zu seinem Arbeitsplatz monatlich EUR 70,-- anfielen. Somit ergebe sich der Kostenbeitrag in der genannten Höhe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig zurück-, in eventu als unbegründet abzuweisen. Begründend wurde auf die "geltenden Richtlinien" hingewiesen, die dem Beschwerdeführer nach Auffassung der belangten Behörde bekannt gewesen seien, sowie auf eine interne Revision; ein Zurückweisungsgrund wurde nicht behauptet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

Gemäß § 1 Tiroler Rehabilitationsgesetz (TRG) bedeutet Rehabilitation im Sinne des Gesetzes die Anwendung zusammenwirkender Maßnahmen, durch die die physischen, psychischen, sozialen, beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten eines Behinderten entfaltet und erhalten werden mit dem Ziel, den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern oder wieder einzugliedern.

Rehabilitationsmaßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind gemäß § 4 TRG:

a) medizinische Rehabilitationsmaßnahmen:


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1.
Heilbehandlung,
2.
Körperersatzstücke, orthopädische Behelfe und andere Hilfsmittel,
3.
Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie);
b)
pädagogische Rehabilitationsmaßnahmen:
Hilfe zur Erziehung und Schulbildung;
c)
berufliche Rehabilitationsmaßnahmen:
1.
Hilfe zur beruflichen Eingliederung,
2.
geschützte Arbeit;
d)
soziale Rehabilitationsmaßnahmen:
1.
Hilfe zum Lebensunterhalt,
2.
persönliche Hilfe, Beratungsdienst,
3.
sonstige Maßnahmen.
Gemäß §
7 Abs. 1 TRG hat die Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie) die Aufgabe, für jene Behinderten, deren physischer oder psychischer Zustand einer beruflichen Eingliederung entgegensteht, Einrichtungen und Mittel zur Erhaltung und Weiterentwicklung der vorhandenen Fähigkeiten sowie Einrichtungen und Mittel zur Eingliederung in die Gesellschaft bereitzustellen.
Gemäß §
20 Abs. 1 TRG haben der Behinderte entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, die gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht dem Land zu den Kosten
a)
der Heilbehandlung,
b)
der Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln,
c)
der Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie),
d)
der Hilfe zur beruflichen Eingliederung nach § 9 Abs. 1 lit. b und c
einen Beitrag zu leisten. Als gesetzlich unterhaltspflichtige Personen im Sinne dieses Gesetzes gelten der Ehegatte (frühere Ehegatte) sowie die im ersten Grad Verwandten (Wahlverwandten) des Behinderten.
Würde das Ausmaß des Kostenbeitrages die Kosten der Rehabilitationsmaßnahme erreichen, so darf diese gemäß §
20 Abs. 2 TRG nicht gewährt werden.
Von der Einhebung eines Kostenbeitrages kann gemäß §
20 Abs. 3 TRG insoweit abgesehen werden, als dessen Einhebung den Erfolg der Rehabilitationsmaßnahme gefährden oder dem Ziel der Rehabilitationsmaßnahmen widersprechen würde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer unter Berufung auf §
20 Abs. 1 TRG verpflichtet, einen Beitrag in Höhe von monatlich EUR 907,92 zu den Kosten der ihm gemäß § 7 TRG gewährten Rehabilitationsmaßnahme (Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie)) zu leisten. Dieser Beitrag sei nach den Einkommensverhältnissen des Beschwerdeführers bemessen, gefährde seinen angemessenen Unterhalt nicht und entspreche daher seinen wirtschaftlichen Verhältnissen. Die "anzuwendenden Richtlinien" ließen eine Reduzierung des Beitrages nicht zu.
Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, bei der Beitragsvorschreibung sei nicht auf seine konkrete Situation eingegangen worden, die dadurch gekennzeichnet sei, dass er einer geregelten Arbeit bei den österreichischen Bundesgärten nachgehe und daher, anders als die übrigen in der erwähnten Einrichtung Betreuten, nicht den ganzen Tag betreut werden müsse. Auch seien die von ihm zu tragenden Aufwendungen lediglich in Ansehung der Fahrtkosten zu seinem Arbeitsplatz berücksichtigt worden. Ziehe man von seinem monatlichen Nettoeinkommen den vorgeschriebenen Beitrag ab, so verblieben ihm lediglich EUR
336,86 im Monat. Davon müsse er sämtliche Lebenshaltungskosten tragen. Früher sei ihm ein Beitrag von monatlich lediglich EUR 465,-- vorgeschrieben worden. Dennoch habe er wegen seiner notwendigen Aufwendungen bereits damals Mühe gehabt, mit den ihm verbleibenden Mitteln auszukommen. Durch die nunmehrige, auf nicht näher offen gelegte Richtlinien gestützte Beitragsvorschreibung verbleibe ihm vom selbst erwirtschafteten Einkommen so wenig, dass darin auch kein Ansporn zu einer selbständigen Lebensweise mehr gesehen werden könne. Die Beitragsvorschreibung laufe daher dem Zweck der ihm gewährten Rehabilitationsmaßnahme zuwider und gefährde auf Dauer einen Therapieerfolg.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:
Gemäß §
20 Abs. 1 TRG hat der Behinderte einen Beitrag zu den Kosten der Rehabilitationsmaßnahme "entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen" zu leisten. Der vorzuschreibende Beitrag ist daher einerseits nach den Kosten der Rehabilitationsmaßnahme zu bestimmen, die er im Sinne des § 20 Abs. 2 TRG nicht überschreiten darf, und andererseits auf der Grundlage des Einkommens und Vermögens des Hilfeempfängers und zwar so, dass diesem die notwendigen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes einschließlich der ihm aus seiner Behinderung erwachsenden besonderen Bedürfnisse verbleiben. Dabei ist im Sinne des § 20 Abs. 3 TRG überdies zu berücksichtigen, dass durch die Einhebung des Beitrages den Zielsetzungen des TRG nicht widersprochen wird.
Gemäß §
60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Nach ständiger hg.
Judikatur (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2 (1998), S. 1067 F, dargestellte Judikatur) hat die Bescheidbegründung Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und über ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen, wobei ein Mangel in der Bescheidbegründung dann wesentlich ist, wenn er den Beschwerdeführer an der Verfolgung seines Rechtsanspruches bzw. den Verwaltungsgerichtshof an einer Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes hindert.
Ein solcher Fall liegt hier vor:
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides weder dargelegt, welche monatlichen Kosten aus der "vollzeitbetreuten Unterbringung" des Beschwerdeführers erwachsen, noch, in welchem Ausmaß durch diese Unterbringung der Unterhaltsbedarf des Beschwerdeführers einschließlich der aus seiner Behinderung erwachsenden besonderen Bedürfnisse gedeckt ist. Auch fehlt jede Auseinandersetzung mit der Frage, ob und inwieweit die vorgeschriebene Beitragsleistung mit den Zielen der dem Beschwerdeführer gewährten Rehabilitationsmaßnahme vereinbar ist; der Hinweis auf nicht näher dargelegte Richtlinien, die mangels Kundmachung für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht beachtlich wären, kann diese nicht ersetzen.
Anhand der Begründung des angefochtenen Bescheides (aber auch der vorgelegten Verwaltungsakten) kann demnach weder beurteilt werden, ob die dem Beschwerdeführer gewährte Rehabilitationsmaßnahme überhaupt Kosten in der vorgeschriebenen Höhe verursacht, noch ob ein Kostenbeitrag in der vorgeschriebenen Höhe iSd §
20 Abs. 1 TRG dem Beschwerdeführer nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zugemutet werden kann, noch ob ein Fall vorliegt, in dem gemäß § 20 Abs. 3 TRG von der Einhebung eines Kostenbeitrages - zumindest teilweise - abgesehen werden muss.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit einem im Sinne des §
42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wesentlichen Verfahrensmangel belastet, was im Grunde dieser Bestimmung zu seiner Aufhebung zu führen hatte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§
47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Das einen Ersatz der Eingabengebühr sowie die Umsatzsteuer begehrende Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer von der Entrichtung der Eingabengebühr befreit war und diese auch nicht entrichtet hat und weil die Umsatzsteuer im zuerkannten Pauschbetrag bereits enthalten ist.
Wien, am 18.
Februar 2010

Fundstelle(n):
AAAAE-77429