VwGH 10.12.2013, 2012/22/0204
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der S, vertreten durch die Mag. Wolfgang Auner Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft KG in 8700 Leoben, Parkstraße 1/I, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 162.298/2-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer nigerianischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin "zuletzt" am illegal eingereist sei und am einen Asylantrag eingebracht habe. Mit Erkenntnis vom sei der Asylantrag durch den Asylgerichtshof rechtskräftig in Verbindung mit einer Ausweisung abgewiesen worden.
Die Beschwerdeführerin habe ein Sprachzertifikat auf dem Niveau A2 vorgelegt und weiters einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag, demzufolge sie als "Vierzigstundenkraft" in einem näher bezeichneten Unternehmen aufgenommen würde.
Die Aufenthaltsbehörde habe die Notwendigkeit einer neuerlichen Beurteilung gemäß Art. 8 EMRK erkannt und den Antrag einer umfassenden inhaltlichen Prüfung unterzogen, was letztlich zur Abweisung des Antrages geführt habe.
Erst mit Eingabe vom habe Christian R auf eine "angebliche Beziehung" zur Beschwerdeführerin hingewiesen. Die Beschwerdeführerin lebe allerdings mit Christian R nicht im gemeinsamen Haushalt.
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Berufung seien im Hinblick auf Art. 8 EMRK einer Prüfung unterzogen worden. Seit der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages durch den Asylgerichtshof sei der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich illegal. Aus den gesamten Verwaltungsakten sei nicht erkennbar, dass sich Familienangehörige im Bundesgebiet aufhielten. Der angeblichen Lebensgemeinschaft mit Christian R könne keine große Bedeutung beigemessen werden, zumal die Beschwerdeführerin in keiner Eingabe jemals diese Lebensgemeinschaft angesprochen habe. Auch im Zuge der gegenständlichen Antragstellung habe sie vorerst nicht auf diese Beziehung hingewiesen. Es werde somit davon ausgegangen, dass es sich hierbei um eine reine Schutzbehauptung handle, um so die Ausstellung des Aufenthaltstitels zu erwirken. Bezüglich der beruflichen Integration habe die Beschwerdeführerin lediglich einen Vorvertrag vorgelegt.
Durch den illegalen Aufenthalt seit der rechtskräftig erlassenen Ausweisung habe die Beschwerdeführerin gegen fremdenrechtliche Bestimmungen verstoßen. Im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK sei nicht erkennbar, dass im Besonderen seit der Erlassung der Ausweisung durch den Asylgerichtshof bis zur jetzigen Entscheidung ein derart maßgeblich geänderter Sachverhalt eingetreten wäre, dass zwangsläufig der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen wäre. "Aufgrund der Tatsache, dass kein maßgeblich geänderter Sachverhalt seit Erlassung der Ausweisung festgestellt werden konnte, war Ihre Berufung abzuweisen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist anzumerken, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im September 2012 die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 50/2012 anzuwenden sind.
Die Erteilung des von der Beschwerdeführerin begehrten Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG erfordert u.a., dass dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
Festzuhalten ist, dass die erstinstanzliche Behörde den Antrag nicht gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG zurückgewiesen hat. Gemäß dieser Bestimmung ist ein Antrag wie der gegenständliche u.a. dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt. Die belangte Behörde bestätigte den erstinstanzlichen Ausspruch über die Abweisung des gegenständlichen Antrages.
In der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde zwar aus, dass die erstinstanzliche Behörde die Notwendigkeit einer neuerlichen Beurteilung gemäß Art. 8 EMRK erkannt habe. Im Gegensatz dazu verwies sie u.a. in dem oben zitierten Teil der Bescheidbegründung ausdrücklich darauf, dass "seit Erlassung der Ausweisung" kein maßgeblich geänderter Sachverhalt habe festgestellt werden können und deswegen die Berufung abzuweisen sei. Mit diesem ausdrücklichen Ausspruch hat sie die Rechtslage verkannt, weil bei einer Gesamtbeurteilung alle relevanten Umstände seit der Einreise zu berücksichtigen sind.
Abgesehen von dieser inhaltlichen Rechtswidrigkeit ist der belangten Behörde auch ein Verfahrensfehler anzulasten. Sie wertete nämlich die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass eine Lebensgemeinschaft mit einem österreichischen Staatsbürger bestehe, als eine reine Schutzbehauptung und begründete dies allein damit, dass weder bei Antragstellung noch im erstinstanzlichen Verfahren auf diese Beziehung hingewiesen worden sei. Diese Begründung greift zu kurz, kann doch allein aus einer Geltendmachung erst im Berufungsverfahren nicht von vornherein auf die Unrichtigkeit der diesbezüglichen Behauptung geschlossen werden. Die Relevanz dieses Verfahrensfehlers kann angesichts einer möglichen Lebensgemeinschaft mit einem österreichischen Staatsbürger über mehrere Jahre hinweg nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Im Übrigen hat Christian R ausdrücklich darauf hingewiesen, weitere Auskünfte geben zu können und um die Möglichkeit ersucht, "das hier Gesagte vor der Behörde zu untermauern". Dies hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in keiner Weise thematisiert.
Wegen der vorrangig wahrzunehmenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeführerin die Verfahrenshilfe bewilligt wurde.
Wien, am
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Normen | |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2012220204.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAE-77409