VwGH vom 19.12.2012, 2012/22/0193
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 161.799/2-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei "zuletzt" am unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag habe er unter einem falschen Namen einen Asylantrag eingebracht. Dem Asylbegehren sei letztlich vom Asylgerichtshof im August 2009 nicht Folge gegeben worden.
Der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei als Erstantrag anzusehen. Er habe diesen Antrag entgegen § 21 Abs. 1 NAG im Inland gestellt, was an sich der Erteilung des Aufenthaltstitels entgegenstehe. Der Beschwerdeführer habe allerdings mit Antrag vom begehrt, gemäß § 21 Abs. 3 NAG die Inlandsantragstellung zuzulassen.
Bei der nach § 21 Abs. 3 NAG vorzunehmenden Beurteilung - diese Bestimmung verweise (soweit hier relevant) auf § 11 Abs. 3 NAG - sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer am unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist sei. Er habe unter Angabe einer falschen Identität einen Asylantrag gestellt. Seit negativem Abschluss seines Asylverfahrens im August 2009 halte er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Am habe der Beschwerdeführer in Wien die österreichische Staatsbürgerin S geheiratet. Er lebe mit ihr im gemeinsamen Haushalt. Es sei aber zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Eheschließung sein unsicherer Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei. Eine Gesamtbetrachtung des vorliegenden Sachverhalts ergebe, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der Einwanderungsbestimmungen höher zu werten seien als das private Interesse des Beschwerdeführers an der Zulassung der Inlandsantragstellung.
Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach bei Nichterteilung des begehrten Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer auch kein ausreichender Grund vorliege, wonach seine die österreichische Staatsbürgerschaft besitzende Ehefrau de facto gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Es sei nicht von der Gefahr der Beeinträchtigung des Kernbestands ihrer Unionsbürgerrechte auszugehen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 937/12-3, ablehnte und die Beschwerde unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat insofern die Rechtslage verkannt hat, als sie bei ihrer Beurteilung nach Art. 8 EMRK auch hätte berücksichtigen müssen, dass seit der mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 (FrÄG 2011 BGBl. I Nr. 38) geänderten Rechtslage infolge
§ 65b Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Ausweisung eines Ehegatten eines österreichischen Staatsbürgers, selbst wenn Letzterer sein ihm unionsrechtlich zustehendes Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat, nur aus den im § 66 FPG genannten Gründen zulässig ist. Insoweit gleicht der vorliegende Fall jenem, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/22/0111, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Die belangte Behörde hat nicht geprüft, ob die Voraussetzungen des § 66 FPG erfüllt wären, und infolge Verkennung der Rechtslage auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die diese Prüfung ermöglicht hätten.
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
ZAAAE-77370