VwGH vom 21.05.2012, 2008/10/0085
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Mag. Nussbaumer-Hinterauer, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde 1. des R O und 2. der M O, beide in Flachau, beide vertreten durch Dr. Felix Haid, Rechtsanwalt in 5531 Eben im Pongau, Hauptstraße 51, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom , Zl. UVS-36/10135/2- 2008, betreffend Zurückweisung von Berufungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (im Folgenden: BH) vom wurden die Beschwerdeführer jeweils gemäß § 17 Abs. 1 Salzburger Behindertengesetz zu monatlichen Kostenbeiträgen zu den Kosten der Eingliederungshilfe für ihren Sohn verpflichtet.
Gegen diese Bescheide langte eine von der tauern:treuhand Steuerberatungs- und Unternehmungsberatungs Ges.m.b.H. (im Folgenden: Ges.m.b.H.) erhobene und mit datierte Berufung ein, welche auszugsweise folgenden Inhalt hatte:
"… zu den oben genannten Bescheiden erheben wir namens und auftrags unserer Mandanten innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der BERUFUNG.
Begründung:
1. wurden die Mieteinkünfte fälschlicherweise der Zweitbeschwerdeführerin hinzugerechnet.
2. richtet sich die Berufung gegen den Ansatz der Einkünfte aus Vermietung. Es wurde Ihrerseits der Umsatz und nicht der Gewinn (in unserem Fall Verlust) angesetzt. (Einen Ausdruck der GuV 2005 legen wir bei.)
…"
Die BH richtet daraufhin folgendes Schreiben an die Ges.m.b.H.:
"Sehr geehrte Damen und Herren!
Sie haben im Namen ihrer Mandanten Berufung gegen die ho. Bescheide vom eingebracht. Zu dieser Berufung ersuchen wir Sie noch um Zusendung der erteilten Vollmacht, die Ihre Vertretungsbefugnis bekundet.
Weiters ersuche ich Sie noch um Vorlage des Steuerbescheides für das Jahr 2005 vom zuständigen Finanzamt und der Mitteilung, wem die Mieteinkünfte zuzurechnen sind. Der Familie O.
wurde mit Schreiben vom bereits mitgeteilt, dass bekannt gegeben werden soll, wem die Mieteinkünfte zuzurechnen sind. Erfolgt keine Nachricht, so werden die Mieteinkünfte der Zweitbeschwerdeführerin zugeschrieben.
Um Kenntnisnahme und Erledigung bis wird ersucht."
Mit dem am bei der BH eingelangten Schreiben teilte die Ges.m.b.H. mit, dass die Mieteinnahmen (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) zu 100 % dem Erstbeschwerdeführer zuzurechnen seien. Weiters wurde eine vom Erstbeschwerdeführer gezeichnete, mit datierte Vollmacht und der Einkommenssteuerbescheid des Jahres 2005 des Erstbeschwerdeführers vorgelegt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer als unzulässig zurück.
Begründend wurde ausgeführt, gemäß § 10 Abs. 1 AVG könnten sich die Beteiligten durch (richtig: und) ihre gesetzlichen Vertreter durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte hätten sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Schreite eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetze die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
Diese Ausnahmebestimmung beziehe sich jedoch lediglich auf Rechtsanwälte und Notare, für Wirtschaftstreuhänder komme sie nicht zum Tragen.
In diesem Zusammenhang sei die Ges.m.b.H. aufgefordert worden, eine Vollmacht vorzulegen.
Mit Schreiben vom sei schließlich eine mit datierte Vollmacht vorgelegt worden, welche jedoch offensichtlich sowohl für Auftrag- und Vollmachtgeber als auch für Auftrag- und Vollmachtnehmer durch den Erstbeschwerdeführer unterfertigt worden sei, der daher laut der Vollmacht Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer gewesen sei.
In diesem Zusammenhang sei festzustellen, dass Vollmacht offenbar ausschließlich durch den Erstbeschwerdeführer erteilt worden sei. In weiterer Folge sei jedoch weiters dazu festzuhalten, dass eine entsprechende Vollmacht bereits vor Einbringung eines Rechtsmittels erteilt werden müsse. Es sei nicht ersichtlich, dass eine vor Einbringung der Berufung erteilte Vollmacht lediglich bestätigt worden sei.
Es sei also davon auszugehen, dass die Ges.m.b.H. zur Erhebung einer Berufung nicht bevollmächtigt gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 5/2008, lautet:
"§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis."
§ 88 Abs. 9 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, BGBl. I Nr. 58/1999 idF BGBl. I Nr. 84/2005 (WTBG), lautet:
"(9) Beruft sich ein Berufsberechtigter im beruflichen Verkehr auf die ihm erteilte Bevollmächtigung, so ersetzt diese Berufung den urkundlichen Nachweis."
Im Beschwerdefall ist die Berechtigung der Beschwerdevertreterin zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes Steuerberater im Sinne des § 3 Abs. 1 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG) nicht zweifelhaft. Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 WTBG umfasst die Berufsberechtigung die Vertretung
(unter anderem) "in ... Beihilfenangelegenheiten ... vor ... den
übrigen Gebietskörperschaften und den Unabhängigen Verwaltungssenaten; hierbei ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis". In der - eine Angelegenheit der Kostenbeiträge nach dem Behindertengesetz vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat betreffenden - Verwaltungssache war die Beschwerdevertreterin somit als eine "zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person" im Sinne von § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG anzusehen.
Indem die Ges.m.b.H. die Berufung "namens und auftrags" ihrer Mandanten erhob, berief sie sich auf die ihr erteilte Vollmacht (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/16/0060, oder vom , Zl. 93/11/0092).
Es sind aber Anhaltspunkte dafür, dass die belangte Behörde Grund gehabt hätte, die Erteilung einer Vollmacht anzuzweifeln, nicht ersichtlich.
Der Verbesserungsauftrag wurde daher zu Unrecht erteilt. Dessen allfällige Nichterfüllung hätte daher die Sanktion des § 13 Abs. 3 AVG, also die Zurückweisung des Antrages, nicht nach sich ziehen dürfen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/07/0135, mwN, vom , Zl. 2006/05/0010, oder vom , Zl. 2006/05/0023).
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Vollmachtverhältnis durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Machtgebers gegenüber dem Vertreter zustande kommt. Eine ausdrückliche schriftliche Annahme der Vollmacht durch den Bevollmächtigten ist daher nicht erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/10/0116).
Festgehalten wird weiters, dass gemäß § 10 Abs. 2 letzter Satz AVG die Behörde die Behebung etwaiger Mängel der "Vollmacht" unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen hat. In Entsprechung eines solchen Verbesserungsauftrages kann eine (fehlerfreie) Vollmachtsurkunde nicht nur nachgereicht, sondern auch (bei mündlicher Bevollmächtigung im Innenverhältnis) erst im Nachhinein errichtet werden. Entscheidend ist nämlich nicht die - möglicherweise nach der Setzung der Verfahrenshandlung liegende - Datierung der Bevollmächtigungsurkunde, sondern, dass das Vollmachtsverhältnis tatsächlich im Zeitpunkt der Setzung der Verfahrenshandlung durch den Vertreter bereits bestanden hat (vgl. das zuletzt zitierte hg. Erkenntnis vom ).
Aus den genannten Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am