VwGH vom 16.06.2011, 2008/10/0081
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der M B in Wien, vertreten durch die Sachwalterin C S, diese vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Hamerlingplatz 7/3/14, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-SOZ/58/9371/2007-8, betreffend Angelegenheiten nach dem Wiener Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Erledigung des Fonds Soziales Wien vom wurde der Beschwerdeführerin gemäß ihrem Antrag vom eine Förderung in Form von Pflege in der vom Fonds Soziales Wien anerkannten Einrichtung Haus St. M/Haus St. A im Rahmen der genehmigten Anzahl von Pflege-/Betreuungsplätzen gewährt. Weiters wurde ausgeführt, hinsichtlich der Höhe der Beitragsleistung der Beschwerdeführerin und des Anspruchszeitpunktes werde ab dem Eintritt gesondert entschieden werden.
Mit Erledigung vom gewährte der Fonds Soziales Wien der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Antrages vom eine Förderung zur Pflege und Unterbringung im Haus St. A. Die vom Fonds Soziales Wien anerkannten Heimkosten in dieser Einrichtung betrügen für das Jahr 2007 täglich EUR 51,29. Vom Empfänger der Förderung sowie dessen unterhaltspflichtigen Angehörigen sei nach Maßgabe der Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Sinne der Regelungen des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG) ein zumutbarer Beitrag zu den Heimkosten zu leisten, der laut beiliegender Berechnung ermittelt worden sei. Die Kostenersatzpflicht ergebe sich im Sinne des § 10 iVm §§ 25 bis 32 WSHG. Der von der Beschwerdeführerin zu bezahlende Beitrag betrage im Jahr 2007 monatlich EUR 770,75. Gemäß der angeschlossenen Berechnung bezog die Beschwerdeführerin eine Pension und eine Ausgleichszulage nach dem ASVG und ein Pflegegeld der Stufe 2 nach dem Bundespflegegeldgesetz. Als Kostenbeitrag für die gewährte Pflege leistete die Beschwerdeführerin gemäß § 26 Abs. 3 WSHG iVm § 324 Abs. 3 ASVG und § 13 Abs. 1 Bundespflegegeldgesetz einen Beitrag in der Höhe von 80 % der Pension inklusive Ausgleichszulage und 80 % des Pflegegeldes in der Höhe von insgesamt EUR 770,75. Der Beschwerdeführerin verblieben EUR 180,21.
Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Sachwalterin, einen Antrag auf Reduktion des von ihr zu leistenden Kostenbeitrages für die Pflegeheimunterbringung ab bis laufend um den Differenzbetrag zwischen den vom Haus A der Caritas vorgeschriebenen Kosten von derzeit EUR 55,41 täglich und der Leistung des Fonds Soziales Wien in der Höhe von derzeit EUR 53,34 täglich, das seien derzeit EUR 2,07 täglich. Weiters wurde beantragt, den Kostenbeitrag für die Pflegeheimunterbringung ab bis zur Begleichung der für den Unterhalt ihrer Tochter zurückzubezahlenden Raten für Unterhaltsvorschüsse in Höhe von monatlich EUR 50,-- um diesen Betrag zu reduzieren.
Mit dem angefochtenen im Devolutionsweg ergangenen Bescheid vom wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (UVS) diesen Antrag gemäß §§ 8, 10, 11, 12 und 13 WSHG ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Tarife, die vom Fonds Soziales Wien an den Heimträger gezahlt würden, basierten auf Verhandlungen zwischen dem Fonds Soziales Wien und dem jeweiligen Heimträger. Dabei werde vom Fonds Soziales Wien insbesondere bei der Frage der Begleichung kostendeckender Tarife darauf Bedacht genommen, ob bestimmte Voraussetzungen - wie etwa Änderung der Tarife bei Änderung der Pflegestufe - eingehalten würden. Es sei nachvollziehbar, dass der Fonds Soziales Wien nicht jedes Heim kostendeckend fördern könne und dass die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen von ihm überprüft werden könnten und mit Konsequenzen verknüpft sein müssten. Wenn die Beschwerdeführerin kostendeckende Pflege erhalten wolle, müsse sie in einem Pflegeheim der Stadt Wien untergebracht werden. Der Hinweis darauf, dass die dortigen Pflegekräfte überfordert wären, zeige nicht auf, dass eine Pflege in einem solchen Heim nicht möglich wäre. Die Beschwerdeführerin habe auch nicht behauptet, dass ihre Aufnahme in einem solchen Pflegeheim von der Stadt Wien abgelehnt werde. Eine Reduktion des Kostenbeitrages bzw. eine Übernahme der von der Beschwerdeführerin aus ihrem Pensionsteil geleisteten Zahlungen aus Sozialhilfemitteln sei daher nicht möglich, sodass der Antrag spruchgemäß abzuweisen gewesen sei.
Zu den von der Beschwerdeführerin zu bezahlenden Raten für geleistete Unterhaltsvorschüsse führte der UVS aus, diese Verbindlichkeiten könnten nicht aus Mitteln der Sozialhilfe getragen werden. Die Darlegungen der Beschwerdeführerin gingen dahin, dass ihr - im Hinblick auf monatlich zur Rückzahlung alter Schulden zu leistende Ratenzahlungen - nicht der gesamte 20 %ige Pensionsanteil verbleibe. Dabei übersehe sie, dass Ratenzahlungen für alte Schulden ganz allgemein nicht von der Sozialhilfe übernommen würden. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits im Erkenntnis vom , Zl. 93/08/0181, zum WSHG die Auffassung vertreten, dass in der Vergangenheit eingegangene Schulden als solche kein von der Sozialhilfe abzudeckender Bedarf seien. Schon aus der Aufzählung der maßgebenden Bestandteile des Lebensunterhaltes im Gesetz ergebe sich, dass Sozialhilfeleistungen lediglich existenzielle Grundbedürfnisse zu befriedigen hätten. Um diesen Zweck zu gewährleisten, griffen unter anderem jene Vorschriften ein, wonach Ansprüche auf Leistungen der Sozialhilfe weder übertragen noch gepfändet oder verpfändet werden könnten. Das Ziel des Gesetzes würde verkannt, würde aus Mitteln der Sozialhilfe eine Art Deckungsfonds für Gläubiger geschaffen. Auch im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob eine soziale Notlage im Sinne sozialhilferechtlicher Vorschriften vorliege, habe der Verwaltungsgerichtshof wiederholt die Auffassung vertreten, dass der Hilfesuchende seine Hilfsbedürftigkeit nicht mit Schulden begründen könne, die er in der Vergangenheit - selbst zur Überwindung einer Notlage - eingegangen sei, es sei denn, dass die Schulden sich zur Zeit der Hilfegewährung noch im Sinne einer aktuellen oder unmittelbar drohenden Notlage des Hilfesuchenden auswirkten. Als Beispiel für eine im soeben dargelegten Sinn durch Schulden bedingte aktuelle Notlage werde in der Literatur etwa der drohende Verlust der Unterkunft (infolge Mietzinsrückstandes) genannt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die hier anzuwendenden Normen haben folgenden Wortlaut:
Wiener Sozialhilfegesetz - WSHG, LGBl. Nr. 11/1973 idF LGBl. Nr. 58/2006:
"§ 15. (1) Die Pflege umfaßt die körperliche und persönliche Betreuung von Personen, die auf Grund ihres körperlichen oder geistig-seelischen Zustandes nicht imstande sind, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe zu besorgen. Die Pflege kann innerhalb oder außerhalb von Pflegeheimen gewährt werden."
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. I Nr. 145/2003:
"§ 324. ...
(3) Wird ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe oder auf Kosten eines Trägers der Jugendwohlfahrt in einem Alters(Siechen)heim oder Fürsorgeerziehungsheim, einer Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke, einer Trinkerheilstätte oder einer ähnlichen Einrichtung bzw. außerhalb einer dieser Einrichtungen im Rahmen eines Familienverbandes oder auf einer von einem Träger der öffentlichen Wohlfahrtspflege oder von einer kirchlichen oder anderen karitativen Vereinigung geführten Pflegestelle verpflegt, so geht für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Rente bzw. Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH, wenn der Renten(Pensions)berechtigte auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung für den Unterhalt eines Angehörigen zu sorgen hat, bis zu 50 vH dieses Anspruches auf den Träger der Sozialhilfe oder auf den Träger der Jugendwohlfahrt über; das Gleiche gilt in Fällen, in denen ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Landes im Rahmen der Behindertenhilfe in einer der genannten Einrichtungen oder auf einer der genannten Pflegestellen untergebracht wird, mit der Maßgabe, dass der vom Anspruchsübergang erfasste Teil der Rente (Pension) auf das jeweilige Land übergeht. ..."
Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993 idF BGBl. Nr. 201/1996:
"§ 13. (1) Wird eine pflegebedürftige Person auf Kosten oder unter Kostenbeteiligung eines Landes, einer Gemeinde oder eines Sozialhilfeträgers
1. in einem Pflege-, Wohn-, Alten- oder Erziehungsheim,
...
4. auf einer von einem Träger der öffentlichen Wohlfahrtspflege, einer kirchlichen oder anderen karitativen Vereinigung geführten Pflegestelle oder
...
stationär gepflegt, so geht für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Pflegegeld bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH, auf den jeweiligen Kostenträger
über. ... Für die Dauer des Anspruchsüberganges gebührt der
pflegebedürftigen Person ein Taschengeld in Höhe von 10 vH des Pflegegeldes der Stufe 3; im Übrigen ruht der Anspruch auf Pflegegeld. ..."
Der Beschwerdeführerin wird Sozialhilfe für Pflege in einem bestimmten Pflegeheim gewährt. Sie leistet dafür den von der Legalzession gemäß § 324 Abs. 3 ASVG umfassten Anteil ihres Pensionseinkommens inklusive Ausgleichszulage sowie den von der Legalzession gemäß § 13 Abs. 1 Bundespflegegeldgesetz erfassten Anteil von 80 % ihres gewährten Pflegegeldes.
In der Beschwerde wird im Wesentlichen geltend gemacht, die Reduktion des Pflegegeldanspruches auf ein Taschengeld erfahre ihre sachliche Rechtfertigung daraus, dass der Gesetzgeber offenkundig davon ausgehe, dass mit der Unterbringung in einem Heim auch der bestehende Betreuungs- und Hilfsbedarf abgedeckt sei. Wenn dieser - wie im vorliegenden Fall - nicht zur Gänze vom Sozialhilfeträger abgedeckt werde, weil der private Einrichtungsträger, den der Sozialhilfeträger zur Erfüllung der Sachleistung heranziehe, vom Hilfeempfänger einen zusätzlichen Kostenbeitrag einhebe, und diesem daher nicht einmal das Taschengeld verbleibe, sei es sachlich nicht gerechtfertigt, dass der Sozialhilfeträger von der Legalzession nach § 324 Abs. 3 ASVG und § 13 Abs. 1 BPGG in vollem Umfang Gebrauch mache bzw. einen Kostenersatz in diesem Umfang vorschreibe.
Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0011, im Zusammenhang mit der Unterbringung in der Form des "voll betreuten Wohnens" gemäß § 24 Wiener Behindertengesetz ausgesprochen, dass die § 324 Abs. 3 ASVG und § 13 Abs. 1 Bundespflegegeldgesetz davon ausgehen, dass mit der Unterbringung (neben Wohnung und Verpflegung) auch der bestehende Betreuungs- und Hilfsaufwand grundsätzlich abgegolten ist (vgl. Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich (1994), 232). Auch der Wiener Landesgesetzgeber ging daher davon aus, dass bei Gewährung der Unterbringung - in der Form des "voll betreuten Wohnens" - der notwendige Betreuungs- und Hilfsaufwand abgedeckt wird, weshalb es gerechtfertigt ist, den Pensions- und Pflegegeldanspruch auf ein "Taschengeld" zu reduzieren, dessen Zweck es ist, einer behinderten Person auch im Falle ihrer Unterbringung eine selbstbestimmte Disposition bei der Befriedigung ihrer spezifischen Bedürfnisse im Rahmen dieses Taschengeldes zu sichern (vgl. zum Zweck des Taschengeldes das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 137/04).
Das dem Behinderten verbleibende Geld dient somit nicht der Abdeckung des bereits von der gewährten Unterbringung umfassten Betreuungs- und Hilfsaufwandes und darf auch nicht dazu herangezogen werden (vgl. Pfeil, Rechtsprobleme bei der Tragung der Kosten für stationäre Unterbringung und Pflege, FS Tomandl (1998) 577, 600). Der Oberste Gerichtshof hat daher im Urteil vom , Zl. 4Ob 188/06k, und darauf aufbauend im Urteil vom , Zl. 10Ob 24/07p ausgesprochen, dass Gegenstand des zwischen dem Heimträger und dem Behinderten abzuschließenden - den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes unterliegenden - Heimvertrages nur Leistungen des Heimträgers sein könnten, die nicht vom Träger der Behindertenhilfe zu begleichen seien; eine Entgeltpflicht des Behinderten gegenüber dem Heimträger könne nur für solche Leistungen bestehen, die über den Umfang der vom Träger der Behindertenhilfe gewährten Sozialhilfeleistung hinausgingen.
Daher kommt ein (teilweises) Absehen von der Verpflichtung zur Leistung des Kostenbeitrages für die Unterbringung, um damit dem behinderten Menschen die Bezahlung von Leistungen, die ohnehin durch die Gewährung der Unterbringung abgegolten sind (und deren gesonderte Bezahlung nach der zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofes vertraglich nicht wirksam vereinbart werden kann), zu ermöglichen, nicht in Betracht (vgl. zu allem das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom zum Wiener Behindertengesetz).
Nichts anderes kann bei Gewährung der Pflege gemäß § 15 Abs. 1 WSHG durch den Sozialhilfeträger gelten. Die Beschwerdeführerin hat die Herabsetzung des Kostenbeitrages um genau jenen Betrag begehrt, den sie an die Caritas zu bezahlen hat. Dazu hat sie im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde stets vorgebracht, dass mit diesem Betrag Leistungen abgegolten werden, die der Sozialhilfeträger bereits auf Grund der gewährten Pflege zu bezahlen hat. Dies stellt aber nach dem Gesagten keinen Grund für ein Absehen von der Verpflichtung zur Leistung des Kostenbeitrages dar.
In der Beschwerde wird keinerlei Vorbringen zur Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Reduktion des von ihr zu leistenden Kostenbeitrages wegen der für die in der Vergangenheit geleisteten Unterhaltsvorschüsse zu bezahlenden Raten erstattet. Schon aus diesem Grund war darauf nicht weiter einzugehen (vgl. im Sinne der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/10/0061).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am