VwGH vom 30.06.2010, 2010/12/0082
Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:
* Vorabentscheidungsantrag:
2005/12/0149 B
* EuGH-Entscheidung:
EuGH 62008CJ0542
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khorramdel, über die Beschwerde des F B in W, vertreten durch Laurer Arlamovsky, Rechtsanwalts-Partnerschaft GmbH in 1010 Wien, Wollzeile 6-8/47, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (nunmehr: Bundesminister für Wissenschaft und Forschung) vom , Zl. BMBWK-410.948/0001-VII/4/2005, betreffend besondere Dienstalterszulage nach § 50a des Gehaltsgesetzes 1956, nach der am durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters des Beschwerdeführers DDr. Laurer, und der Ausführungen des Vertreters der belangten Behörde, Mag. Fasching, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.302,10 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. Der 1940 geborene Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland, war vom bis zum als Universitätsprofessor an der X-Universität in
F (Deutschland) tätig. Mit Wirkung vom wurde er zum ordentlichen Universitätsprofessor an der Universität Y (Österreich) ernannt; durch diese Ernennung erwarb er auch die österreichische Staatsbürgerschaft.
Da die Dienstzeiten, die der Beschwerdeführer an der Universität X zurückgelegt hatte, für die besondere Dienstalterszulage nach der bis 2003 in Geltung gestandenen Fassung des § 50a GehG nicht zu berücksichtigen waren, wurde ihm diese Zulage nicht gewährt.
Mit seinem Urteil vom , Rs C-224/01 (Köbler), sprach der EuGH aus, dass gemeinschaftsrechtliche Vorschriften es untersagen, eine besondere Dienstalterszulage nach Maßgabe einer Bestimmung wie des damals geltenden § 50a GehG zu gewähren, wonach der Anspruch auf eine solche Dienstalterszulage von der Zurücklegung bestimmter Dienstzeiten an einer österreichischen Universität abhängig gemacht wurde. Durch BGBl. I Nr. 130/2003 wurde daraufhin das GehG mit Wirkung vom bzw. vom dahingehend geändert, dass für die besondere Dienstalterszulage auch Dienstzeiten an Universitäten in Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes zu berücksichtigen sind und gleichzeitig u. a. ein Anspruch für Universitätsprofessoren des Dienststandes geschaffen, auf Antrag die besondere Dienstalterszulage entsprechend den neuen Bestimmungen anpassen zu lassen. Der Beschwerdeführer begehrte mit einem an die Universität Y gerichteten Schreiben vom die Anpassung seiner besonderen Dienstalterszulage unter Einrechnung der an der Universität X zugebrachten Dienstzeiten.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde im Spruchpunkt I. der Zeitpunkt des Anfalles der besonderen Dienstalterszulage des Beschwerdeführers unter Einrechnung seiner Dienstzeiten an der Universität X mit festgestellt. Mit Spruchpunkt II. wurde ausgesprochen, dass diese Anpassung besoldungsrechtlich mit wirksam werde. In der Begründung wird dazu ausgeführt, dass die Verjährungsregel des § 13b GehG auch bei rückwirkender Beanspruchung der besonderen Dienstalterszulage zur Anwendung käme. Nach § 169a Abs. 4 GehG sei lediglich die Zeit ab Bekanntwerden des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in der Rs C-224/01 nicht in die Verjährungsfrist einzurechnen.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete vorliegende Beschwerde bekämpft ausdrücklich nur Spruchpunkt II. des Bescheides, und behauptet die Verletzung im Recht auf "Zahlung (Zuerkennung, Bemessung)" der besonderen Dienstalterszulage in der "Zeit von Jänner 1994 bis Dezember 2000". Die Beschwerde macht geltend, dass die maßgeblichen Verjährungsbestimmungen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht sowie gegen Verfassungsrecht verstießen und daher keine Grundlage für den angefochtenen Spruchpunkt II. bieten könnten.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer replizierte darauf und stellte mit weiterem Schriftsatz die Anregung für die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens.
Aus Anlass der vorliegenden Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Beschluss vom , Zl. EU 2008/0004-1 (2005/12/0149), dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mehrere Fragen mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt, mit denen geklärt werden sollte, ob näher bezeichnete gemeinschaftsrechtliche Vorschriften der Anwendung der im gegenständlichen Fall maßgeblichen innerstaatlichen gesetzlichen Vorschriften entgegen stehen. Mit Urteil vom , Rs C-542/08 (Barth), hat der EuGH wie folgt erkannt:
"Das Unionsrecht steht einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegen, nach der die Geltendmachung von Ansprüchen auf besondere Dienstalterszulagen, die einem von seinen Freizügigkeitsrechten Gebrauch machenden Arbeitnehmer vor Erlass des Urteils vom , Köbler (C-224/01), aufgrund der Anwendung mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbarer innerstaatlicher Rechtsvorschriften vorenthalten wurden, einer Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegt."
II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
II.1. Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Rechtsvorschriften sind im hg. Beschluss vom wiedergegeben, auf den zwecks Vermeidung von Wiederholungen nach § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.
II.2. Die Beschwerde macht - auf das Wesentliche zusammengefasst - geltend, dass die Verjährungsregelung des § 13b GehG auf den Beschwerdeführer nicht hätte angewendet werden dürfen; die Beschwerde geht dabei von der Prämisse aus, das Urteil des EuGH in der Rs C-224/01 (Köbler) sei dahin auszulegen, dass die Gewährung der besonderen Dienstalterszulage überhaupt unzulässig gewesen sei und daher niemand diese Zulage hätte erhalten dürfen. Es sei unerfindlich, dass der Gesetzgeber eine Regelung getroffen haben sollte, wonach ein Anspruch, der nach der Gesetzeslage gar nicht bestand, sondern erst rückwirkend eingeführt wurde, verjährbar sein sollte. Unter anderem ausgehend von dieser Prämisse wird des Weiteren ausgeführt, dass die von der belangten Behörde angewendeten Verjährungsbestimmungen gegen Gemeinschaftsrecht und den verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz verstießen, weshalb "sowohl eine europarechtskonforme als auch eine verfassungskonforme Interpretation" es ausschlössen, "in der Verjährungsbestimmung des § 13b GehG iVm § 149a GehG (gemeint wohl: § 169a GehG) eine Grundlage für den Spruchpunkt II. zu erblicken".
Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun:
II.2.1. Soweit die Beschwerde davon ausgeht, aus dem Urteil des EuGH in der Rs C-224/01 (Köbler) sei zu schließen, dass die Gewährung der besonderen Dienstalterszulage überhaupt unzulässig gewesen sei und daher niemand diese Zulage hätte erhalten dürfen, geht sie von einer unzutreffenden Prämisse aus und übersieht das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/12/0180 = VwSlg. 16.231/A. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof noch vor der ausdrücklichen Anpassung der österreichischen Rechtslage an das vorgenannte Urteil des EuGH unter Bezugnahme auf dieses ausgesprochen, dass in gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung der im Beschwerdefall maßgebende § 50a Abs. 1 GehG in der damals maßgeblichen Fassung der 31. GehG-Novelle so zu lesen war, dass als Voraussetzung für den Anspruch auf die besondere Dienstalterszulage eine 15-jährige Dienstzeit als ordentlicher Universitäts-(Hochschul )Professor unter Einrechnung von Dienstzeiten in einer vergleichbaren Stellung an einer Universität eines Mitgliedstaates der Europäischen Union erforderlich ist. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass lediglich die gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßende Beschränkung der Anrechnung auf Dienstzeiten an österreichischen Universitäten unangewendet zu lassen ist, im Übrigen aber der Anspruch auf besondere Dienstalterszulage nach den Bestimmungen des § 50a GehG besteht. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch das Vorbringen in der Beschwerde sowie in der Replik des Beschwerdeführers auf die Gegenschrift der belangten Behörde nicht veranlasst, von dieser Rechtsauffassung abzugehen.
II.2.2. Der belangten Behörde kann im Übrigen nicht entgegen getreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass die Verjährungsbestimmung des § 13b Abs. 1 GehG auch dann anzuwenden ist, wenn - wie im gegenständlichen Fall - ein Antrag nach § 169a Abs. 1 GehG auf Anpassung der besonderen Dienstalterszulage nach § 50a GehG gestellt wird: Wenn § 169a Abs. 4 GehG ausdrücklich anordnet, dass im Falle eines solchen Antrages für besoldungs- und pensionsrechtliche Ansprüche, die aus der Anwendung des § 169a Abs. 1 für Zeiten entstehen, die vor dem liegen, der Zeitraum vom bis zum nicht auf die dreijährige Verjährungsfrist des § 13b GehG anzuwenden ist, kommt darin unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Verjährungsbestimmung des § 13b GehG auch für diese Ansprüche gelten soll. § 169a Abs. 4 GehG sieht nur insofern - zu Gunsten des Antragstellers - eine Abweichung von der allgemeinen Verjährungsregelung vor, als die Zeit zwischen dem Bekanntwerden des Urteils des EuGH in der Rs C-224/01 (Köbler) und dem Ende der Frist für einen Antrag auf nachträgliche Anpassung der besonderen Dienstalterszulage nach § 169a Abs. 3 GehG in die Verjährungszeit nicht einzurechnen ist und diese daher hemmt.
Unstrittig hat der Beschwerdeführer den Antrag auf nachträgliche Anpassung seiner besonderen Dienstalterszulage nach § 169a Abs. 1 iVm § 50a GehG am an die Universität Y gerichtet. Da die Verjährungsfrist des § 13b Abs. 1 GehG bei unmittelbar auf Gesetz beruhenden Ansprüchen - wie dem Anspruch auf besondere Dienstalterszulage - mit dem Tag der Entstehung des Anspruches beginnt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/12/0002, mwN) hat die belangte Behörde unter korrekter Anwendung der Fristregelung des § 13b Abs. 1 iVm mit der Hemmungsregel des § 169a Abs. 4 GehG zu Recht ausgesprochen, dass die Anpassung besoldungsrechtlich mit wirksam wird. Darin, dass die besoldungsrechtliche Wirksamkeit nicht ab einem früheren Zeitpunkt ausgesprochen wurde, kann somit kein Verstoß gegen die maßgeblichen Bestimmungen erblickt werden,
Nicht nachvollziehbar ist angesichts dieses Ausspruches die Behauptung der Verletzung im Recht auf Zuerkennung der besonderen Dienstalterszulage in der Zeit "bis Dezember 2000", zumal die besoldungsrechtliche Wirksamkeit ohnedies ab dem und damit ab dem nach den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften frühestmöglichen Zeitpunkt ausgesprochen wurde.
Der Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmungen standen auch - wie sich aus dem (Barth) ergibt - gemeinschaftsrechtliche Vorschriften nicht entgegen.
Dass der belangten Behörde bei diesem Ausspruch ein Verfahrensfehler unterlaufen wäre, der zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte führen können, wird in der Beschwerde nicht dargelegt, auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte.
II.2.3. Soweit die Beschwerde geltend macht, der Gleichheitssatz schließe bei verfassungskonformer Auslegung die Anwendung des § 13b iVm § 169a Abs. 4 GehG als Grundlage für den angefochtenen Ausspruch der belangten Behörde aus, ist ihr entgegen zu halten, dass der Wortlaut der genannten Bestimmungen eindeutig ist und keine Grundlage dafür besteht, eindeutige gesetzliche Vorschriften im Wege einer "verfassungskonformen Interpretation" unangewendet zu lassen.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich angesichts des Vorbringens der Beschwerde und in den weiteren Schriftsätzen des Beschwerdeführers und des Beschwerdevertreters in der mündlichen Verhandlung aber auch nicht veranlasst, einen Antrag auf Gesetzesprüfung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen: Soweit der Beschwerdeführer eine Gleichheitswidrigkeit darin erblickt, dass er angesichts der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 130/2003 einen Anspruch auf besondere Dienstalterszulage unter Berücksichtigung seiner ausländischen Dienstzeiten nicht hätte geltend machen können, übersieht er - wie bereits erwähnt - das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/12/0180 = VwSlg. 16.231/A, aus dem sich ergibt, dass bereits vor der genannten Novelle diesbezügliche Anträge hätten gestellt werden können. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers, die - auf das Wesentliche zusammengefasst - dahin gehen, es verstoße gegen den Gleichheitssatz, wenn eine gesetzliche Regelung "die Verjährung eintreten lässt, wenn eine Geltendmachung eines gesetzlich gar nicht vorgesehenen Anspruchs, der erst Jahre später geschaffen wird, nicht erfolgt", beruhen daher auf der bereits unter II.2.1. als unzutreffend aufgezeigten Prämisse der Beschwerde, weshalb aus der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur (Un )Zulässigkeit rückwirkender Rechtsänderungen für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen ist. Der Anspruch auf Berücksichtigung der Dienstzeiten an Universitäten anderer Staaten des EWR-Raumes wurde - wie sich aus dem genannten hg. Erkenntnis vom ergibt - nämlich nicht erst durch die Novelle BGBl. I Nr. 130/2003 rückwirkend geschaffen, sondern bestand wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts auch bereits davor, ebenso wie die Verjährungsregelung des § 13b GehG, wonach der Eintritt der Verjährung nur durch Geltendmachung eines Anspruchs mittels Antragstellung vermieden werden kann. Das Erfordernis, zur Durchsetzung eines Anspruches - und damit zur Verhinderung der Verjährung - einen Antrag zu stellen, betrifft freilich - wie auch der EuGH in seinem Urteil vom , Rs C-542/08 (Barth), Rnr. 26 und 38, ausdrücklich ausführt - nicht nur Professoren, die ihre Dienstzeit zumindest teilweise an Universitäten anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zurückgelegt haben, sondern auch Professoren, die ihre gesamte Laufbahn in Österreich verbracht haben und deren besondere Dienstalterszulage nicht richtig berechnet wurde. Das Erfordernis einer Antragstellung zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung betrifft daher alle Professoren, auf die die Rechtsvorschriften über die Gewährung der besonderen Dienstalterszulage falsch angewendet wurden und die eine Berichtigung des begangenen Fehlers wünschen, gleichgültig, ob es sich um einen Fehler in Bezug auf innerstaatliche Vorschriften oder in Bezug auf Vorschriften des Unionsrechts handelt, die die innerstaatlichen Behörden und Gerichte unmittelbar hätten anwenden müssen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher aus Anlass des gegenständlichen Falles keine Bedenken, dass § 169a Abs. 4 iVm § 13b Abs. 1 GehG gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verstoßen.
II.2.5. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
III. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am