Suchen Hilfe
VwGH vom 21.05.2012, 2008/10/0064

VwGH vom 21.05.2012, 2008/10/0064

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Mag. Nussbaumer-Hinterauer, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des J S F in Innsbruck, vertreten durch die Sachwalterin M F in K, vertreten durch Dr. Walter Hausberger, Dr. Katharina Moritz und Dr. Alfred Schmidt, Rechtsanwälte in 6300 Wörgl, Poststraße 3, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Va-459-14256/1/45, betreffend Kostenbeitrag nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 20 Abs. 1 des Tiroler Rehabilitationsgesetzes (TRG), EUR 78.940,88 als einmaligen Kostenbeitrag aus dem Vermögen für die gewährte Rehabilitationsmaßnahme binnen sechs Wochen ab Zustellung des Bescheides zu bezahlen. Begründend wurde ausgeführt, mit Bescheid vom seien gemäß § 23 TRG die Kosten von Rehabilitationsmaßnahmen übernommen worden. Daraufhin sei letztmalig mit Bescheid vom gemäß § 20 Abs. 1 TRG ein Kostenbeitrag von monatlich EUR 1.392,97 (ATS 19.167,70) ab vorgeschrieben worden.

Auf mehrmalige Anfrage der Tiroler Landesregierung sei am zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen mit dem am eingelangten Schreiben mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer über ein Gesamtvermögen von EUR 88.940,88 (EUR 8.437,54 auf einem Girokonto, EUR 65.000,-- und EUR 15.503,34 auf Sparbüchern) verfüge.

Vom Land Tirol seien für das Jahr 2004 EUR 57.671,92, für das Jahr 2005 EUR 62.174,85 und für das Jahr 2006 EUR 64.125,37, insgesamt daher EUR 183.972,14 getragen worden. Es seien Einnahmen von jährlich EUR 16.715,64, also insgesamt EUR 50.146,92 erzielt worden. Die Differenz zwischen den Ausgaben und Einnahmen betrage daher EUR 133.825,22.

Gemäß § 20 Abs. 1 TRG, LGBl. Nr. 58/1983, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 22/2006, habe der Mensch mit Behinderung entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen einen Beitrag zu den Kosten der ihm gewährten Rehabilitationsmaßnahmen zu leisten. Die "wirtschaftlichen Verhältnisse" gemäß § 20 Abs. 1 TRG umfassten sowohl das Einkommen als auch das Vermögen des behinderten Menschen. Da ein Einkommen grundsätzlich monatlich zur Auszahlung gelange, werde ein Teil der dem Land Tirol durch die Rehabilitationsmaßnahme erwachsenen Kosten durch einen monatlichen Beitrag von Menschen mit Behinderung eingehoben. Auf diese Weise könne auf eine Änderung der Einkommensverhältnisse, welche gemäß § 29 TRG bekannt zu geben sei, seitens der Behörde sofort reagiert werden.

Zur Tilgung der restlichen Kosten werde das Vermögen des Menschen mit Behinderung herangezogen. Da eine Vermögensstandsbekanntgabe eine Momentaufnahme darstelle, werde der Kostenbeitrag aus dem Vermögen einmalig vorgeschrieben. Auch in diesem Zusammenhang werde insofern Rücksicht auf die Bedürfnisse des Menschen mit Behinderung genommen, als diesem EUR 10.000,-- seines Vermögens als "Taschengeld" von der Behörde belassen würden. Dieses "Taschengeld" sei für Kleidung, Hygieneartikel etc. gedacht. Wie sich gezeigt habe, reiche dieser Betrag für die finanzielle Absicherung des Menschen mit Behinderung aus, da Wohnheimklienten eine 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nähmen und somit für Unterkunft und Verpflegung gesorgt sei.

Der im Spruch angegebene Betrag von EUR 78.940,88 ergebe sich somit, wenn man vom bekanntgegebenen Vermögen des Beschwerdeführers den Betrag von EUR 10.000,-- in Abzug bringe. Von dieser Berechnung sei der Beschwerdeführer mit Schreiben vom in Kenntnis gesetzt worden. Die beschriebene Vorgehensweise habe sich in der Praxis bewährt und sei den Klienten der belangten Behörde allgemein bekannt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 20 Abs. 1 TRG in der Stammfassung LGBl. Nr. 58/1983 lautet:

"§ 20

Kostenbeitrag

(1) Der Behinderte hat entsprechend seinen wirtschaftlichen

Verhältnissen, die gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen haben

im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht dem Land zu den Kosten

a) der Heilbehandlung,

b) der Versorgung mit Körperersatzstücken,

orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln,

c) der Beschäftigungs- und Arbeitstherapie

(Ergotherapie),

d) der Hilfe zur beruflichen Eingliederung nach § 9 Abs. 1 lit. b und c

einen Beitrag zu leisten. Als gesetzlich unterhaltspflichtige Personen im Sinne dieses Gesetzes gelten der Ehegatte (frühere Ehegatte) sowie die im ersten Grad Verwandten (Wahlverwandten) des Behinderten.

(2) Würde das Ausmaß des Kostenbeitrages die Kosten der Rehabilitationsmaßnahme erreichen, so darf diese nicht gewährt werden."

Die Beschwerde macht zunächst geltend, die Auffassung der belangten Behörde, auf Grund des § 20 Abs. 1 TRG Nachzahlungen trotz unveränderter Vermögenslage fordern zu können, sei gesetzwidrig und nicht begründet worden. Diese Vorgehensweise verstoße gegen den Grundsatz der Einmaligkeit. Da eben die Vermögenssituation des Beschwerdeführers bereits bei Vorschreibung des monatlichen Kostenbeitrages angemessen berücksichtigt worden sei, fehle jegliche Grundlage für die nunmehrige Belastung mit einem zusätzlichen einmaligen Kostenbeitrag. Der Beschwerdeführer habe auf Grund des Schreibens der belangten Behörde vom darauf vertrauen dürfen, dass sein Vermögen bei Bemessung des monatlichen Kostenbeitrages angemessen berücksichtigt worden sei.

Schon mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Gemäß § 20 Abs. 1 TRG hat der Behinderte einen Beitrag zu den Kosten der Rehabilitationsmaßnahme "entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen" zu leisten. Der vorzuschreibende Beitrag darf daher einerseits die Kosten der Rehabilitationsmaßnahme nicht überschreiten (§ 20 Abs. 2 TRG) und ist andererseits auf der Grundlage des Einkommens und Vermögens des Hilfeempfängers so zu bestimmen, dass diesem die notwendigen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes einschließlich der ihm aus seiner Behinderung erwachsenden besonderen Bedürfnisse verbleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0129).

In diesem Sinne wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der belangten Behörde vom verpflichtet, ab monatlich EUR 1.392,97 (ATS 19.167,70) als Kostenbeitrag zu den Kosten seiner Unterbringung im Wohn- sowie im Tagesheim zu bezahlen.

Die Entscheidung, mit der der Beschwerdeführer verpflichtet wurde, monatliche Beiträge im Sinne des § 20 Abs. 1 TRG zu bezahlen, stellt einen zeitraumbezogenen Abspruch dar. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet die Rechtskraft einer zeitraumbezogenen Entscheidung mit einem nicht datumsmäßig befristeten (d.h. in die Zukunft offenen) Abspruch ihre Wirkung über den Zeitpunkt ihrer Erlassung hinaus auch für die Zukunft bis zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/08/0124, oder vom , Zl. 2002/08/0254, oder vom , Zl. 2005/08/0008).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid keinen Sachverhalt festgestellt, der auf eine derartige Änderung der Sach- und Rechtslage schließen ließe, obwohl der Beschwerdeführer bereits in seiner Stellungnahme zur beabsichtigten Vorschreibung eines einmaligen Kostenbeitrages aus dem Vermögen ausgeführt hatte, dass der belangten Behörde das Vorhandensein des Vermögens des Beschwerdeführers bereits seit dem Jahr 1995 bekannt gewesen sei. Eine derartige Änderung der Sach- und Rechtslage läge nicht vor, wenn - entsprechend den Behauptungen des Beschwerdeführers - das Vorhandensein des Vermögens des Beschwerdeführers der belangten Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom über die monatliche Verpflichtung zur Beitragsleistung gemäß § 20 Abs. 1 TRG bereits bekannt gewesen wäre. Die Rechtskraft dieses Bescheides hinderte - jedenfalls bezogen auf das im Zeitpunkt der Erlassung der Kostenbeitragsbescheide vorhandene und der Behörde bekannte Vermögen - eine neuerliche Vorschreibung eines Kostenbeitrages gemäß § 20 Abs. 1 TRG.

Die belangte Behörde hat, weil sie die rechtliche Relevanz nicht erkannte, keine Feststellungen zu den Behauptungen des Beschwerdeführers getroffen, dass anlässlich der Vorschreibung des Kostenbeitrages mit Bescheid vom das Vermögen des Beschwerdeführers bereits bekannt gewesen sei. Sie hat dadurch den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Der pauschalierte Ersatzbetrag für den Schriftsatzaufwand enthält bereits Mehrwertsteuer, sodass diese nicht zusätzlich zuzuerkennen war.

Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-77314