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VwGH vom 13.11.2012, 2012/22/0152

VwGH vom 13.11.2012, 2012/22/0152

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. FA7C-2-9.O/1768-2009, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 11 Abs. 2 und Abs. 5 sowie § 43 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am rechtswidrig in das Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag habe er einen Asylantrag gestellt, über den am "zweitinstanzlich negativ entschieden" worden sei. Ein bereits am vom Beschwerdeführer gestellter Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei nach dem damals geltenden § 44 Abs. 4 NAG abgewiesen worden.

Den nunmehr gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung habe der Beschwerdeführer am eingebracht. Dieser Antrag sei infolge der seit geltenden Rechtslage als auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dem nunmehr geltenden § 43 Abs. 4 NAG gerichtet zu werten.

Der Beschwerdeführer habe den Antrag damit begründet, dass er seit durchgehend im Bundesgebiet aufhältig, sozial integriert und gerichtlich unbescholten wäre. Dem Vorbringen zufolge könnte er nach Erhalt der Niederlassungsbewilligung einer Beschäftigung nachgehen. Dazu habe der Beschwerdeführer auf Einstellungszusagen der N BauGmbH verwiesen. Weiters habe er vorgebracht, gut Deutsch zu sprechen und "die Modul 2-Prüfung" im April 2011 abzulegen. Der Beschwerdeführer habe weiters eine Patenschaftserklärung samt Nachweisen zum Einkommen des Paten (Bestätigung der Pensionsversicherung sowie Kontoauszüge) vorgelegt.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark habe in ihrer Stellungnahme vom ausgeführt, dass die gegen den Beschwerdeführer (im April 2009) erlassene Ausweisung "nach wie vor zu effektuieren wäre und keine Gründe für eine dauerhafte Unzulässigkeit der Ausweisung sprechen würden".

"Dies" sei dem Beschwerdeführer unter Hinweis "auf die Erfordernisse einer Bewilligung gem. § 43 Abs. 4" NAG zur Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden. Er habe daraufhin "eine Mietvertragsverlängerung, eine Versicherungsbestätigung, eine Arbeitszusage der Firma N BauGmbH sowie ein Schreiben der Caritas G über eine Anmeldung zur ÖSD-Prüfung (Niveau A2)" vorgelegt.

In ihrer rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde zunächst davon aus, dass die von § 43 Abs. 4 NAG geforderten Aufenthaltszeiten vorlägen.

Bei Nichtvorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 5 NAG sei - so die belangte Behörde weiter - allerdings die Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung ausgeschlossen. Der Nachweis der "Selbsterhaltungsfähigkeit" müsse im Fall einer allfälligen unselbständigen Erwerbstätigkeit auch den Nachweis für den Zugang zum Arbeitsmarkt umfassen. Mit der Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung wäre ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt nicht verbunden. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, dass der Antragsteller nie im Bundesgebiet erwerbstätig gewesen sei. Durch die Vorlage der Einstellungszusage könne daher von einer "Selbsterhaltungsfähigkeit und somit dem Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen nicht ausgegangen werden". Dies gelte auch für die lediglich durch eine Pensionsbestätigung belegte Patenschafterklärung.

Dessen ungeachtet sei aber auch eine besondere Berücksichtigungswürdigkeit des gegenständlichen Falles nicht gegeben. Der Beschwerdeführer habe "weder eine besondere schulische Ausbildung noch ein entsprechendes sprachliches Niveau nachgewiesen". Trotz der Vorlage der Beschäftigungszusage könne wegen der völlig fehlenden Integration am Arbeitsmarkt, den mangelnden familiären Bindungen im Bundesgebiet sowie des Fehlens einer schulischen oder beruflichen Ausbildung keinesfalls von einer besonderen Berücksichtigungswürdigkeit des vorliegenden Falls ausgegangen werden; und zwar auch dann nicht, wenn beim Beschwerdeführer Deutschkenntnisse vorlägen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verfahrensführung der belangten Behörde und macht in diesem Zusammenhang insbesondere geltend, die belangte Behörde gehe infolge mangelhafter Verfahrensführung von unrichtigen Sachverhaltsvoraussetzungen aus, was zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung geführt habe. Die Beschwerde ist im Recht.

Zwar räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom die Möglichkeit ein, im Verwaltungsverfahren eine Stellungnahme abzugeben. Dies tat sie allerdings vor dem Hintergrund der von ihr eingeholten Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark, die sich aber auf die Beurteilung, ob die gegen den Beschwerdeführer früher erlassene Ausweisung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK immer noch durchgesetzt werden dürfe, konzentriert. Von welchen konkreten Sachverhaltsannahmen die belangte Behörde auf Grund ihrer bisherigen Erhebungen ausging, legte sie gegenüber dem Beschwerdeführer in ihrem Schreiben, das ansonsten bloß die Wiedergabe der Rechtslage und den kursorischen Hinweis, die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels seien nicht erfüllt, enthielt, nicht offen.

Zur Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensfehlers macht der Beschwerdeführer unter Vorlage eines "Versicherungsdatenauszuges" aus der Datenbank der österreichischen Sozialversicherung geltend, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer bislang im Bundesgebiet nie erwerbstätig gewesen sei. Diesem Datenauszug sei nämlich zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2001 regelmäßig, wenn auch nicht durchgehend, bis Jänner 2011 als Arbeiter beschäftigt gewesen sei. Vor diesem Hintergrund sei die Einstellungszusage anders zu gewichten und die Beurteilung, ob der Beschwerdeführer einer Erwerbstätigkeit rechtmäßig nachgehen könne, hätte anders ausfallen müssen. Ebenso wäre die belangte Behörde bei der Bewertung, ob ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorläge, im Fall der Bedachtnahme auf die bisherige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Der Ansicht, dass der angeführte Verfahrensfehler Relevanz für das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens ausweist, ist hier schon deshalb beizupflichten, weil die Beurteilung der belangten Behörde ganz zentral auf dem von ihr festgestellten Fehlen jeglicher Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführer fußt. Es stellt sich aber auch die darauf Bezug nehmende Begründung des angefochtenen Bescheides als nicht nachvollziehbar dar. Beweiswürdigende Überlegungen enthält der angefochtene Bescheid dazu nicht. Vor dem Hintergrund der Ausführungen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark zu den bisherigen beruflichen Tätigkeiten des Beschwerdeführers sind die Feststellungen der belangten Behörde mit dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes nämlich nicht in Einklang zu bringen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet, weshalb er aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am