VwGH vom 29.04.2011, 2010/12/0064
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des AR in L, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, dieser vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt ebendort, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 139.617/4-I/1/c/10, betreffend Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit gemäß § 50a BDG 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der der VGr E2b angehört, steht als Gruppeninspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Polizeiinspektion L.
Mit Antrag vom ersuchte er gemäß § 50a des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (im Folgenden: BDG 1979), "bis auf Weiteres" um die Herabsetzung seiner wöchentlichen Arbeitszeit auf 39 Stunden.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landespolizeikommandos für Tirol vom gemäß § 50a Abs. 1 BDG 1979 abgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen aus, auf Grund der angespannten Personalsituation und der damit verbundenen Belastungen aller Bediensteten auf der Stammdienststelle des Beschwerdeführers (PI L) sowie im Bereich des LPK Tirol insgesamt bestünden wichtige dienstliche Gründe an der Versagung der beantragten Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit. Weiters wären die Möglichkeiten des Stellenplanes und der Ersatzstellung im Wege von Zuteilungen bzw. Versetzungen ausgeschöpft. Schlussendlich wurde auch ausgeführt, dass der Beschwerdeführer infolge Herabsetzung der Wochendienstzeit nur eingeschränkt verwendet werden könnte (ein Plandienstwochenende, keine Nacht- und Journaldienste).
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Im Zuge des Berufungsverfahrens erstattete er am eine Stellungnahme, wonach die Herabsetzung auf 39 Wochenstunden für einen Zeitraum von fünf Jahren begehrt werde. Sollte nach Ansicht der Behörde eine rückwirkende Entscheidung (bezogen auf den dem Antrag folgenden Monatsersten) nicht möglich sein, so werde bereits jetzt mitgeteilt, dass mit einer Herabsetzung auf 39 Stunden für einen Zeitraum von fünf Jahren beginnend mit dem auf die Bescheiderlassung folgenden Monatsersten "das Auslangen gefunden werden könne".
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom keine Folge gegeben.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges, des § 50a Abs. 1 BDG 1979 sowie unter auszugsweiser Zitierung der hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/12/0131 = VwSlg. Nr. 15.911/A, sowie vom , Zl. 2007/12/0092, Folgendes aus (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Ein dienstliches Interesse kann darin liegen, eine übermäßige Belastung der übrigen an einer Dienststelle tätigen Beamten mit Überstunden zu vermeiden. Die Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit eines Bundesbeamten kann zu einer solchen zusätzlichen Belastung anderer an der selben Dienstelle tätigen Bundesbediensteter führen, weil nach § 50c BDG 1979 die Heranziehung eines Beamten mit herabgesetzter Wochendienstzeit zu Mehrdienstleistungen nur in sehr eingeschränktem Umfang zulässig ist.
In erster Linie wird daher festgehalten, dass ein bestimmtes Ausmaß an vollbeschäftigten Bediensteten notwendig ist um die zu bewältigenden Aufgaben und vor allem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit an sieben Tagen in der Woche und über 24 Stunden bei bestehender Dienststellenstruktur und Dienstsystematik sicher zu stellen, sowie der zusätzlichen Belastung von anderen Beamten vorzubeugen. Anfallende Mehrdienstleistungen könnten nur von den verbleibenden Beamten abgeleistet werden, deren regelmäßige Wochendienstzeit nicht herabgesetzt ist und bei einer Reduzierung der Wochendienstzeit um 1 Stunde pro Woche bleibt dennoch eine Stunde, die von den anderen KollegInnen der PI L zu erbringen ist.
Im LPK Tirol nehmen (Vergleichsmonat Oktober 2009) insgesamt 51 BeamtInnen eine Herabgesetzte Wochendienstzeit bzw. eine Teilzeitbeschäftigung iSd §§ 50a, 50b BDG, 15 MSchG und 8 VKG in Anspruch und stehen daher nicht in Vollzeit zur Verfügung. Im BPK L ist ein Minus zwischen dem zugewiesenen (systemisierten) Personalstand und dem tatsächlichen (dienstbaren) Stand von 13 BeamtInnen evident. Die PI L verzeichnete im Vergleichsmonat Oktober 2009 2 Personalfehlstände auf den dienstbaren Stand und dennoch leistete im Vergleichszeitraum des Jahres 2009 (01.01. - ) jeder Exekutivbedienstete durchschnittlich 23,4 Mehrdienstleidungen ab. Im selben Zeitraum erreichte die durchschnittliche Überstundenbelastung im gesamten LPK Tirol 23,4 Stunden und im BPK L 21,6 Stunden je Bediensteten.
Die Dienstbehörde hat auch im Falle von rechtlich und faktisch zwingenden Ausfällen von Bediensteten (Krankheits- und Todesfälle, Austritte, vorzeitige Pensionierungen etc.) Reserven mit zu kalkulieren, deren Ersatz in Anbetracht des umfassenden Auswahlverfahrens im Zusammenhang mit der zweijährigen Schulung eine enorme zeitliche Verzögerung von tatsächlichen Ersatzkräften im Wege der Ersatzaufnahmen bedingt. Zusätzlich ist auch im Bezug auf Ersatzaufnahmen für Karenzurlaube, Herabsetzungen nach § 50a und § 50b BDG, Teilzeitbeschäftigungen nach MSchG oder VKG, außer Dienst Stellungen nach 78b BDG und Dienstfreistellungen nach § 78c BDG sicherzustellen, dass mit (allenfalls vorzeitigem) Ende einer Karenz oder mit Änderung der Herabsetzung etc. der budgetäre Personalaufwand jederzeit sichergestellt ist und zum Jahresende keine Überschreitung des Stellenplans erfolgt. In diesem Zusammenhang stellte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom Zl: 2007/12/0092 fest, dass der Einsatz im exekutiven Außendienst ausgebildeter Exekutivbeamter bedarf, weshalb durch die im Stellenplan vorgesehene Aufnahme von Ersatzkräften der Verwendungsgruppe E2c (Exekutivbeamte in der Grundausbildung) nicht sofort Ersatz für den Ausfall eines ausgebildeten Exekutivbeamten (hier E2b) geschaffen werden kann.
Das LPK Tirol hat im Zeitraum zwischen und bereits 83 Abgänge zu verzeichnen gehabt. Dem gegenüber stehen 60 PolizeischülerInnen, die im September (27) und Dezember 2009 (33) ausgemustert wurden und dem LPK Tirol zur Verfügung stehen. Die 60 neuen Exekutivbediensteten werden vom LPK Tirol entsprechend einer bedarfsorientierten Planung voraussichtlich dort zum Einsatz kommen, wo der tatsächliche Personalstand im Verhältnis zur PI L bzw. im Bezirk L weit geringer ist als der systemisierte Stand. Wie in dem bereits zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom Zahl: 2007/12/0092, muss eine nach der Lebenserfahrung erforderliche 'Personalreserve' zum Ausgleich unvorhersehbarer Personalausfälle bestehen um absolute Rechtsansprüche auf Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit (oder auf Erteilung eines Karenzurlaubes, wie etwa nach dem Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz) vorrangig befriedigen zu können. Nicht eingerechnet sind Erholungsurlaub, Pflegefreistellungen, Schulungen etc., die noch zusätzlich im täglichen Dienstbetrieb laufend anfallen.
Die genannte Berücksichtigung dienstlicher und persönlicher Interessen hat auf Bezirks- und Landesebene eine Personalsituation erreicht, die ausgleichende Personalmaßnahmen für weitere Ausfälle äußerst schwierig gestalten lässt und meist lediglich eine Verlagerung des Problems bedeuten würde. Dem LPK Tirol konnten im Monat Juli 2009 13 BeamtInnen aus anderen LPK- Bereichen zugeteilt werden und sind daher auch diese Personalmaßnahmen ausgeschöpft worden.
Festzuhalten ist, dass auf Gewährung einer Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit gem. § 50a BDG - anders als § 50b BDG für den Fall der Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit zur Betreuung eines Kindes - kein absoluter Rechtsanspruch besteht, sondern nur unter der Voraussetzung und Bedingung, dass dieser Herabsetzung im verlangten Ausmaß keine wichtigen dienstlichen Interessen entgegenstehen. Der Anspruch auf Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit tritt somit nach der klaren gesetzlichen Anordnung hinter entgegen stehenden wichtigen dienstlichen Interessen zurück. Schon daraus folgt, dass weder der Gesetzgeber - insbesondere auch nicht der Budgetgesetzgeber - noch die zur Regelung der inneren Organisation und zur Personalführung berufenen Stellen verpflichtet sind, dafür vorzusorgen, dass jeder Bundesbediensteter jederzeit und in beliebigem Ausmaß eine Herabsetzung seiner regelmäßigen Wochendienstzeit in Anspruch nehmen kann.
In diesem Zusammenhang wird festgehalten, dass die Aufnahme von ExekutivbeamtInnen - eine am Beginn stehende Personaloffensive -, letztendlich dazu führen muss, dass die personellen Fehlstände über die nächsten Jahre hinaus aufgefüllt werden können. Würde eine Gegenüberstellung der Aufnahmen, die vom jeweiligen Stellenplan abhängig sind, die Abgänge überschreiten, und in Folge aus diesem Titel einer Vielzahl von Anträgen wie z.B. auf Sabbatical bzw. Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit stattgegeben werden, wäre das mit dem von der Dienstbehörde gesetzten Ziel, nämlich die Angleichung des Soll- und des tatsächlichen Iststandes, zweifelsfrei kontraproduktiv und den Bediensteten gegenüber sowie im Sinne des Fürsorgeprinzips unverantwortlich.
Hinsichtlich des Vorbringens des BW, um Erhebung der in der Vergangenheit bereits bewilligten Anträge auf Herabsetzungen der regelmäßigen Wochendienstzeit gemäß § 50a BDG wird entgegengehalten, dass bereits rechtskräftige Entscheidungen über die Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit bezüglich anderer Bundesbediensteter im Rahmen eines späteren Verfahrens über den Antrag eines Bundesbeamten nicht nachträglich in Prüfung gezogen werden können.
Da der Antrag gemäß § 50a BDG 'Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit aus beliebigem Anlass' nicht mehr begründet werden muss, spielt die Frage, ob und welche (persönlichen) Interessen des Beamten für die Bewilligung des Antrages sprechen, keine Rolle mehr und wird auf das diesbezügliche Vorbringen in der Berufung nicht eingegangen.
Indem die Herabsetzung aus dargelegten Gründen unausweichlich eine zusätzliche dienstliche Belastung von anderen Bediensteten zur Folge hätte und andere Personalmaßnahmen nicht mehr möglich wären, in letzter Konsequenz die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet wäre, war der Antrag des BW auf Herabsetzung seiner regelmäßigen Wochendienstzeit auf 39 Wochendienststunden für die Dauer von 5 Jahren abzulehnen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Hinsichtlich der maßgeblichen Bestimmung des § 50a BDG 1979 wird auf deren Darstellung im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/12/0092, verwiesen.
Da eine rückwirkende Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit unzulässig ist (vgl. hiezu näher das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/12/0062), durfte der vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren präzisierte Antrag dahingehend ausgelegt werden, dass sich der begehrte Herabsetzungszeitraum von fünf Jahren auf eine zukünftige Periode, beginnend mit dem auf die Bescheiderlassung folgenden Monatsersten, bezog.
Die belangte Behörde ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass in einem ersten Schritt zu prüfen war, ob der durch die Bewilligung der Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit bedingte Ausfall an Arbeitskraft des Beschwerdeführers durch Mehrdienstleistungen anderer Beamter seiner Dienststelle, der PI L, verkraftet werden könnte, sowie, dass in diesem Zusammenhang ein wichtiges dienstliches Interesse an der Vermeidung eines übermäßigen Ansteigens von Überstundenleistungen anderer Beamten der Dienststelle bestehen kann (vgl. in diesem Zusammenhang die hg. Erkenntnisse jeweils vom , Zl. 2009/12/0040 und Zl. 2009/12/0044). Das von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang für einen "Vergleichszeitraum des Jahres 2009 (vom 1. Jänner bis )" angegebene Ausmaß einer durchschnittlichen Belastung mit "durchschnittlich 23,4 Mehrdienstleistungen" (offenbar gemeint: pro Monat) wäre für sich genommen unter Berücksichtigung des in § 48a Abs. 3 BDG 1979 verankerten Höchstmaßes der (generell) zulässigen durchschnittlichen Belastung eines Beamten mit Überstunden gegen seinen Willen noch nicht geeignet, ein wichtiges dienstliches Interesse an der Vermeidung der Entstehung höherer Überstundenbelastung anderer Dienstnehmer durch die Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit des Beschwerdeführers zu begründen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/12/0182). Andere Umstände, welche zur Verlängerung der von den Beamten der PI L zu leistenden Wochendienstzeit führen, werden im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Ebenso wenig wird im angefochtenen Bescheid dargelegt, wie sich der bei Bescheiderlassung aktuelle Stand an Beamten der PI L auf deren Wochendienstzeit auswirkt (vgl. zum Erfordernis, eine Prognose für Folgezeiträume auf rezente durchschnittliche Belastungszahlen zu stützen, auch die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/12/0044, und Zl. 2009/12/0040). Der von der belangten Behörde hervorgehobene Umstand, wonach in einem Monat eines zehnmonatigen Beobachtungszeitraumes an der PI L ein bestimmter Fehlbestand vorlag lässt keine Schlüsse auf die durchschnittliche Überstundenbelastung im Herabsetzungszeitraum zu.
Die belangte Behörde hat es daher in Verkennung der oben aufgezeigten Rechtslage unterlassen, Feststellungen über die von den Beamten der PI L aktuell zu leistende Wochendienstzeit zu treffen. Solche Feststellungen wären aber erforderlich gewesen, um zu prüfen, ob ein wichtiges dienstliches Interesse am Unterbleiben eines weiteren Anstieges der Wochendienstzeit der anderen Beamten infolge Bewilligung des Antrages des Beschwerdeführers besteht oder nicht. Verneinendenfalls könnte der Ausfall des Beschwerdeführers an seiner Dienststelle schon durch entsprechende Mehrdienstleistungen anderer Beamter abgefangen werden, weshalb sein Antrag zu bewilligen wäre.
Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass in diesem Zusammenhang auf die weiteren Darlegungen im angefochtenen Bescheid eingegangen werden müsste, welche darauf abzielen, dass der Ausfall von Arbeitszeit des Beschwerdeführers auch nicht durch Versetzung oder Dienstzuteilung anderer Beamter an die PI L kompensiert werden könnte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am