VwGH vom 14.07.2011, 2008/10/0023
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Steiermärkischen Krankenanstalten Gesellschaft m.b.H. in Graz, vertreten durch Dr. Johannes Liebmann, Rechtsanwalt in 8200 Gleisdorf, Business Park 4/1/7, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA11A- 32.1-180/06-3 u. 181/06-2, betreffend Spitalskostenrückersatz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Devolutionsweg ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Krankenanstaltengesellschaft auf Rückersatz der durch die stationäre Behandlung der Patientin U vom 28. September bis und deren Kindes vom 29. September bis entstandenen und nicht gedeckten Behandlungskosten in Höhe von EUR 37.185,-- ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Patientin U, türkische Staatsbürgerin, sei vom 28. September bis stationär im Landeskrankenhaus Graz zur Geburt ihres Kindes aufgenommen worden. Das Kind sei am geboren worden und von diesem Tag bis ebenfalls stationär im Landeskrankenhaus Graz aufgenommen gewesen.
Die Beschwerdeführerin habe am einen Antrag auf Spitalskostenrückersatz für die Patientin und ihr Kind gestellt. Sie habe darauf hingewiesen, dass auf Grund der durchgeführten Erhebungen laut Beilagen das Vorliegen der finanziellen Hilfsbedürftigkeit schlüssig anzunehmen sei.
Laut Akteninhalt sei ein Schreiben der Beschwerdeführerin vom an das Sozialamt des Magistrates Graz "das letzte Schriftstück". Danach habe keinerlei Korrespondenz oder Erhebung mehr stattgefunden. In diesem Schreiben werde ersucht, die Angelegenheit einer bescheidmäßigen Erledigung zuzuführen, weil nun feststehe, dass weder die von der Patientin angegebenen Versicherungen für die Spitalskosten aufkommen würden, noch die Patientin selbst zur Bezahlung dieser Kosten in der Lage sei. Auf dieses Ersuchen habe der Magistrat Graz aus nicht mehr feststellbaren Gründen nicht reagiert.
In der Folge habe die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag an die Oberbehörde gestellt.
Die Patientin, türkische Staatsbürgerin, Beruf Schauspielerin, sei ständig wohnhaft an einer bestimmt bezeichneten Adresse in Kanada. Laut ihren Angaben sei sie von der Türkei über Frankreich nach Österreich gekommen. Sie habe sich vor ihrem Krankenhausaufenthalt in Rohrbach aufgehalten und sei nach einer ambulanten Versorgung im Landeskrankenhaus Fürstenfeld mit der Rettung in das Landeskrankenhaus Hartberg gebracht und anschließend mit dem Hubschrauber in das Landeskrankenhaus Graz geflogen worden. Die Diagnose habe "bevorstehende Geburt, 26. Bbis
27. Schwangerschaftswoche" gelautet.
Die Patientin habe angegeben, besitz- und vermögenslos und von der Türkei über Frankreich nach Österreich gereist zu sein, wo sie sich im "Meditationshaus Rohrbach" aufgehalten habe. Nach ihren Angaben lebe sie von den Unterstützungen ihres Vaters, der Kindesvater sei arbeitslos. In einem Datenerhebungsblatt vom seien die Daten des Kindesvaters und dessen Einkommen mit monatlich ca. 2000,-- kanadische Dollars angegeben worden.
Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde aus, Hilfsbedürftigkeit liege insoweit nicht vor, als eine "Reiseversicherung gegeben war, um die Spitalskosten abzudecken". Es sei also zum Zeitpunkt der Spitalsbehandlung ein Versicherungsschutz für diesen Zeitraum gegeben gewesen. Zusätzlich sei aus den erhobenen Fakten insofern keine Hilfsbedürftigkeit zu erkennen, als die Patientin die Reisekosten von Kanada nach Europa und die Kosten für den Aufenthalt in der Pension Rückert habe aufbringen können.
Zur Frage, ob die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig habe gewährt werden können, sei auszuführen, dass man bei einer Schwangerschaft jederzeit mit dem Auftreten von Komplikationen rechnen müsse. Es hätte also im Laufe der Schwangerschaft von der Patientin rechtzeitig ein Antrag an die Sozialhilfebehörde gestellt werden können und müssen. Es handle sich bei einer Geburt um keine akute Erkrankung bzw. eine Notfallbehandlung, und zwar auch dann nicht, wenn ein vorzeitiger Blasensprung stattfinde, weil eine Geburt ein vorhersehbares Ereignis sei und man als Mutter den ungefähren Geburtstermin wisse. Dass die Patientin vielleicht der Meinung gewesen sei, die abgeschlossene Versicherung werde für die Spitalskosten aufkommen, sei rechtlich nicht von Relevanz, weil das Gesetz (§ 2 Stmk. SHG) eben die vorherige Antragstellung des Hilfsbedürftigen beim Sozialhilfeträger verlange.
Zusammenfassend gelange die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass im gegenständlichen Fall rechtzeitig ein Antrag beim Sozialhilfeträger hätte gestellt werden können und müssen. Hilfsbedürftigkeit liege insoweit nicht vor, als für den Zeitraum des Aufenthaltes in Österreich ein Versicherungsschutz durch eine abgeschlossene Reiseversicherung gegeben gewesen sei. Der Antrag sei daher abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 31 Abs. 1 Stmk. SHG hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfebedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:
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a) | eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war; |
b) | die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte; |
c) | der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu tragen hatte. |
Gemäß § 4 Abs. 1 Stmk. SHG ist Voraussetzung der Hilfe u.a., dass der Betroffene (hier: die Patientin) den Lebensbedarf im Sinne des § 7 Stmk. SHG (darunter gemäß § 7 Abs. 1 lit. c auch die Krankenhilfe im Sinne des § 10) für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Gemäß § 5 Abs. 1 Stmk. SHG ist Hilfe nur soweit zu gewähren, als das Einkommen oder das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 7) zu sichern. | |
Die belangte Behörde begründet die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin zunächst damit, dass die in § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG normierte Voraussetzung für den Kostenersatz nicht vorliege, weil die Patientin rechtzeitig einen Antrag beim Sozialhilfeträger hätte stellen können. | |
Mit der Begründung der Abweisung des Antrages, die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG lägen aus diesem Grund nicht vor, hat die belangte Behörde das Gesetz verkannt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG eine Obliegenheit des Dritten, der die Hilfeleistung erbringt (hier: die Beschwerdeführerin), zur Verständigung des Sozialhilfeträgers begründet, und dass die Unterlassung der Antragstellung durch den Hilfsbedürftigen dem Rückersatzanspruch des Dritten nicht entgegen gehalten werden kann (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/10/0280 und Zl. 2007/10/0282, jeweils mwN). Der Verlust des Rückersatzanspruches infolge Unterlassung der Verständigung des Sozialhilfeträgers (durch den Dritten, der Hilfe geleistet hat) tritt dann nicht ein, wenn der Dritte - etwa der Rechtsträger einer Krankenanstalt, die medizinische Hilfe geleistet hat - nichts von der Notlage der Person, der Hilfe gewährt wurde, wusste oder die Verständigung des Sozialhilfeträgers vor Gewährung der Hilfeleistung wegen der Dringlichkeit nicht möglich war (vgl. z.B. die bereits zitierten Erkenntnisse vom sowie die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/10/0007, vom , Zl. 2005/10/0186, und vom , Zl. 2004/10/0209). | |
Dem Ersatzanspruch der Beschwerdeführerin konnte somit nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass die Patientin vor ihrem stationären Krankenhausaufenthalt den Sozialhilfeträger hätte verständigen können, weil die Patientin eine derartige Obliegenheit nicht traf. Die belangte Behörde hat auf Grund der Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung der Frage zulassen, ob der Beschwerdeführerin die Verständigung der Sozialhilfebehörde vor Beginn der stationären Behandlung bzw. vor unverschuldeter späterer Kenntniserlangung von der Hilfsbedürftigkeit (vgl. das Vorbringen, die Patientin sei der Meinung gewesen, eine die Kosten deckende Reiseversicherung abgeschlossen zu haben) tatsächlich nicht möglich war. | |
Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Antrages auf Spitalskostenrückersatz weiters damit, es liege im Hinblick auf eine abgeschlossene Reiseversicherung keine Hilfsbedürftigkeit vor. Eine Feststellung, wonach ein liquidierbarer Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten gegenüber dem Reiseversicherer bestünde (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2005/10/0121), hat die belangte Behörde nicht getroffen. Allein auf das Bestehen einer Reiseversicherung konnte die Annahme der mangelnden Hilfsbedürftigkeit somit nicht gegründet werden. Ebenso wenig konnte diese Annahme - nämlich, dass die Patientin zur Zeit der Behandlung in der Lage war, die Spitalskosten aus eigenen Mitteln zu bestreiten - ohne Auseinandersetzung mit den Angaben der Patientin, "besitz- und vermögenslos" zu sein, allein auf den Umstand gegründet werden, dass die Patientin offenbar zur Bestreitung von Reise- und Aufenthaltskosten in der Lage war. Die Begründung des angefochtenen Bescheides erweist sich daher auch insoweit als mangelhaft. | |
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. | |
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2. | |
Wien, am |
Fundstelle(n):
WAAAE-77264