VwGH vom 09.09.2013, 2012/22/0136
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch die Niederbichler Rechtsanwalt GmbH in 8010 Graz, Wastiangasse 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. FA7C-2-9.M/6661-2009, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung beschränkt" nach § 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), welcher nach Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 mit als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 43 Abs. 4 NAG gewertet wurde, gemäß § 11 Abs. 2 und Abs. 5 sowie § 43 Abs. 4 NAG ab.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am rechtswidrig in das Bundesgebiet eingereist und habe am nächsten Tag einen Asylantrag gestellt, über den am "zweitinstanzlich negativ entschieden" worden sei.
Den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom habe der Beschwerdeführer damit begründet, dass er seit März 2003 im Bundesgebiet aufhältig wäre und seit Jahren einer Beschäftigung als Verkäufer einer Straßenzeitung nachginge sowie auf Remunerationsbasis für den Magistrat G und auf Werkvertragsbasis für die P GmbH arbeite, wodurch er ein monatliches Nettoeinkommen "von EUR 950,-" (laut der im Akt erliegenden Antragsbegründung vom richtig: EUR 600,- oder mehr) erzielen würde. Dazu habe der Beschwerdeführer eine Einstellungszusage vom vorgelegt (derzufolge er nach Erteilung der begehrten Niederlassungsbewilligung zumindest EUR 950,- netto verdienen würde). Weiters habe er vorgebracht, in Nigeria keine Unterkunft mehr zu haben und dort unmenschlicher Verfolgung ausgesetzt zu sein. Er wäre ein religiöser Mensch und auch Mitglied einer kirchlichen Organisation und hätte in Österreich seinen Freundes- und Bekanntenkreis. Seinem Antrag angeschlossen habe der Beschwerdeführer ferner eine Versicherungsbestätigung der SVA, eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs sowie "diverse Rechnungen über Werkvertragstätigkeiten als Zeitungszusteller und als Remunerant der Stadt G 2010".
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark habe in ihrer Stellungnahme vom ausgeführt, aufenthaltsbeendende Maßnahmen auf Grund der Aktenlage zulässig wären.
Diese Stellungnahme sei dem Beschwerdeführer (bzw. seinem Rechtsvertreter) zur Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden. Er habe daraufhin im Wesentlichen seine Antragsbegründung wiederholt und unter Vorlage von Bestätigungen auf seinen Besuch eines Deutschkurses, seine Unterkunft im sogenannten A-Haus sowie seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit verwiesen, wofür er diverse Abrechnungsbelege mit Summen zwischen EUR 270,- bzw. EUR 290,- bzw. EUR 400,- für August, September und Oktober 2011 vorgelegt habe.
Ergänzend führte die Behörde aus, dass laut einer Niederschrift des Landesflüchtlingsbüros im Zuge der Ablegung einer Prüfung für das Sprachzertifikat Deutsch A2 der Beschwerdeführer bestätigt habe, dass eine andere Person für ihn die Prüfung hätte ablegen sollen.
In ihrer rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde zunächst davon aus, dass die gemäß § 43 Abs. 4 NAG geforderten Aufenthaltszeiten vorlägen, weil der Beschwerdeführer vor dem eingereist und (mindestens) die Hälfte seines Gesamtaufenthaltes im Bundesgebiet als rechtmäßig anzusehen sei.
Bei Nichtvorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG sei - so die belangte Behörde weiter - allerdings die Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung ausgeschlossen. Der Nachweis der demnach geforderten "Selbsterhaltungsfähigkeit" müsse im Fall einer allfälligen unselbständigen Erwerbstätigkeit auch den Nachweis für den Zugang zum Arbeitsmarkt umfassen. Mit der Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung wäre ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt nicht verbunden. Seine Selbsterhaltungsfähigkeit habe der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht initiativ untermauert. Zwar sei er offensichtlich bemüht, entsprechende Einkünfte auf selbständiger Basis zu erzielen, aufgrund der vorgelegten Honorarnoten sei jedoch in keiner Weise ersichtlich, dass ein monatliches Einkommen "in der entsprechenden Richtsatzhöhe von EUR 793,40" jedenfalls erreicht werde. Daran könne auch die Einstellungszusage vom Juni 2010 nichts ändern:
Abgesehen von deren "fehlender Spezifiziertheit" könne diese eine mangelnde Integration am Arbeitsmarkt nicht ersetzen und auch schon deswegen nicht von Relevanz sein, da selbst bei Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels ein Zugang zum Arbeitsmarkt nicht vorhanden wäre.
Auch eine ortsübliche Unterkunft sei nicht gesichert, da das vom Beschwerdeführer im A-Haus zur Betreuung von Studenten und Asylwerbern bewohnte Zimmer nicht den Mindestanforderungen an eine ortsübliche Unterkunft im Sinne einer Wohnung mit entsprechenden sanitären Einrichtungen entspreche.
Der Antrag scheitere somit schon am (Nicht )Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, sodass eine nähere Befassung mit einer besonderen Berücksichtigungswürdigkeit nicht erforderlich sei. Es werde jedoch darauf hingewiesen, dass auch eine eingehendere Würdigung der zusätzlichen Entscheidungsfaktoren (schulische und berufliche Ausbildung, sprachliche Integration, sonstige Gründe) ebenso zu keiner positiven Erledigung des Verfahrens führen könnte. In diesem Sinne werde auch auf die offensichtlich bewusste Umgehungshandlung im Zuge der Deutschprüfung durch die versuchte Ablegung der Prüfung durch eine dritte Person hingewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () nach den Bestimmungen des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 112/2011 richtet.
Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 43 Abs. 4 NAG zum einen deshalb abgewiesen, weil sie die Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG als nicht erfüllt erachtete. Zum anderen gelangte die Behörde auch zu dem Ergebnis, dass kein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliege, sodass die Ausstellung des begehrten Aufenthaltstitels auch deshalb nicht in Betracht komme.
Die Beschwerde wendet sich nun gegen die Feststellung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer fehle die erforderliche Selbsterhaltungsfähigkeit, und verweist auf seine drei Beschäftigungen, mittels derer er ein monatliches Einkommen von ca. EUR 650,- erziele.
Dazu ist vorweg anzumerken, dass entgegen der Annahme der belangten Behörde der im Entscheidungszeitpunkt im Februar 2012 relevante Richtsatz des § 293 ASVG der KM idF BGBl. II Nr. 398/2011 nicht EUR 793,40 betrug, sondern EUR 814,82.
Davon ausgehend kann aber der Ansicht des Beschwerdeführers, wonach er mit dem von ihm angegebenen Einkommen von ca. EUR 650,-
im Monat den Richtsatz des ASVG nur knapp nicht erreiche, zumal er für seine Unterkunft im Ahaus nur EUR 150,- monatlich zu bezahlen habe, nicht beigetreten werden. Zwar sind aufgrund der geringen Miete (weil diese den Wert der freien Station unterschreitet) keine weiteren Abzüge von dem angenommenen Einkommen von EUR 650,-
zu tätigen, der Beschwerdeführer unterschreitet damit aber dennoch deutlich (konkret: um EUR 164,82) den für 2012 gültigen Richtsatz des § 293 ASVG in Höhe von EUR 814,82 (im Übrigen ebenfalls deutlich den von der belangten Behörde insoweit zu niedrig angenommenen Richtsatzwert in Höhe von EUR 793,40, nämlich um EUR 143,40).
Was die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegte Einstellungszusage vom Juni 2010 anlangt, ist daraus schon deshalb nichts zu gewinnen, weil - ungeachtet der sehr allgemein gehaltenen, die Art und Dauer der geplanten Beschäftigung nicht weiter konkretisierenden Formulierung - der Beschwerdeführer nicht entsprechend dargelegt hat, dass er auch über die für die angedachte unselbständige Tätigkeit erforderliche arbeitsmarkrechtliche Bewilligung und damit einen legalen Zugang zum Arbeitsmarkt verfügt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0219, mwH). Die belangte Behörde durfte daher von der mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers ausgehen.
Schon das Fehlen der Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG steht der Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels nach § 43 Abs. 4 NAG entgegen. Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Integration kommt es daher nicht mehr an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0305).
Ungeachtet dessen ist anzumerken, dass die Ansicht der belangten Behörde, es lägen im vorliegenden Fall keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe im Sinne des § 43 Abs. 4 NAG vor, im Ergebnis auch nicht zu beanstanden ist. Der ohne familiäre Bindungen in Österreich lebende Beschwerdeführer weist weder in beruflicher noch in sozialer Hinsicht trotz seines rund neunjährigen Aufenthaltes einen dermaßen hohen Integrationsgrad auf, dass ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall anzunehmen wäre.
Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am
Fundstelle(n):
SAAAE-77261