VwGH vom 14.07.2011, 2008/10/0012
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Steiermärkischen Krankenanstalten Gesellschaft m.b.H. in Graz, vertreten durch Dr. Johannes Liebmann, Rechtsanwalt in 8200 Gleisdorf, Business Park 4/1/7, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA11A- 32-1341/07-2, betreffend Rückersatz von Spitalskosten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Krankenanstaltengesellschaft auf Rückersatz der durch die stationäre Behandlung der Patientin H vom 23. Juli bis entstandenen und nicht gedeckten Behandlungskosten in Höhe von EUR 5.160,10 ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Patientin H, rumänische Staatsbürgerin, verheiratet, wohnhaft mit ihrem Ehegatten in G, sei vom 23. Juli bis stationär im Landeskrankenhaus Wagna für die Geburt ihres Kindes aufgenommen worden. Es habe kein Sozialversicherungsanspruch festgestellt werden können. Eine Rechnungslegung an den zahlungspflichtigen Ehegatten sei vorerst erfolglos geblieben. Laut einem Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz sei mit dem Ehemann der Patientin im August 2007 eine Ratenvereinbarung getroffen worden. Seit September 2007 seien drei monatliche Zahlungen in der Höhe von jeweils EUR 10,- eingegangen.
Die Beschwerdeführerin habe am einen Antrag auf Spitalskostenrückersatz gestellt. Sie habe darauf hingewiesen, dass auf Grund der durchgeführten Erhebungen laut Beilagen das Vorliegen der finanziellen Hilfsbedürftigkeit schlüssig anzunehmen sei. Im Datenerhebungsblatt sei vom Ehemann der Patientin angegeben worden, dass er österreichischer Staatsbürger und Arbeitslosengeldbezieher (täglich EUR 20,51 seit ) sei. Eine Kostenübernahme sei von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse abgelehnt worden, weil die Patientin bei Eintritt des Versicherungsfalles der Mutterschaft nicht anspruchsberechtigt gewesen sei.
Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde aus, bei einer Geburt handle es sich um keine akute Erkrankung bzw. eine Notfallbehandlung, weil eine Geburt ein vorhersehbares und nicht akut auftretendes Ereignis sei, welches nicht unvorhergesehen wie ein Unfall oder eine Verletzung eintrete. Für die Patientin sei es unbestritten möglich gewesen, rechtzeitig einen Sozialhilfeantrag zu stellen. Zum Argument der Beschwerdeführerin, die Patientin und ihr Ehemann hätten geglaubt, dass auf Grund der Antragstellung bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse im April 2007 ein Leistungsanspruch bestehe, sei auszuführen, dass nicht relevant sei, was die Patientin bzw. ihr Ehemann geglaubt hätten, weil das Gesetz eben die vorherige Antragstellung beim Sozialhilfeträger verlange.
Zusammenfassend gelange die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass im gegenständlichen Fall rechtzeitig ein Antrag beim Sozialhilfeträger hätte gestellt werden müssen. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen im Sinne des § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG sei der Antrag abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 31 Abs. 1 Stmk. SHG hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfebedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:
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a) | eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war; |
b) | die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte; |
c) | der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu tragen hatte. |
Gemäß § 4 Abs. 1 Stmk. SHG ist Voraussetzung der Hilfe u.a., dass der Betroffene (hier: die Patientin) den Lebensbedarf im Sinne des § 7 Stmk. SHG (darunter gemäß § 7 Abs. 1 lit. c auch die Krankenhilfe im Sinne des § 10) für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Gemäß § 5 Abs. 1 Stmk. SHG ist Hilfe nur soweit zu gewähren, als das Einkommen oder das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 7) zu sichern. | |
Die belangte Behörde begründet die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin damit, dass die in § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG normierte Voraussetzung für den Kostenersatz nicht vorliege, weil die Patientin rechtzeitig einen Antrag beim Sozialhilfeträger hätte stellen können. | |
Mit der Begründung der Abweisung des Antrages, die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG lägen aus diesem Grund nicht vor, hat die belangte Behörde das Gesetz verkannt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG eine Obliegenheit des Dritten, der die Hilfeleistung erbringt (hier: die Beschwerdeführerin), zur Verständigung des Sozialhilfeträgers begründet, und dass die Unterlassung der Antragstellung durch den Hilfsbedürftigen dem Rückersatzanspruch des Dritten nicht entgegen gehalten werden kann (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/10/0280 und Zl. 2007/10/0282, jeweils mwN). Der Verlust des Rückersatzanspruches infolge Unterlassung der Verständigung des Sozialhilfeträgers (durch den Dritten, der Hilfe geleistet hat) tritt dann nicht ein, wenn der Dritte - etwa der Rechtsträger einer Krankenanstalt, die medizinische Hilfe geleistet hat - nichts von der Notlage der Person, der Hilfe gewährt wurde, wusste oder die Verständigung des Sozialhilfeträgers vor Gewährung der Hilfeleistung wegen der Dringlichkeit nicht möglich war (vgl. z.B. die bereits zitierten Erkenntnisse vom sowie die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/10/0007, vom , Zl. 2005/10/0186, und vom , Zl. 2004/10/0209). | |
Dem Ersatzanspruch der Beschwerdeführerin konnte somit nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass die Patientin vor ihrem stationären Krankenhausaufenthalt den Sozialhilfeträger hätte verständigen können, weil die Patientin eine derartige Obliegenheit nicht traf. Die belangte Behörde hat auf Grund der Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung der Frage zulassen, ob der Beschwerdeführerin die Verständigung der Sozialhilfebehörde vor Beginn der stationären Behandlung bzw. vor unverschuldeter späterer Kenntniserlangung (vgl. das Vorbringen, die Patientin sei der Meinung gewesen, krankenversichert zu sein) von der Hilfsbedürftigkeit tatsächlich nicht möglich war. | |
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. | |
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2. | |
Wien, am |
Fundstelle(n):
ZAAAE-77250